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Textanfänge

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Trippelschritt:

--- Zitat von: Zachi am 14 January 2015, 00:36:12 ---... aber der Buchanfang, den Merin zitiert hat, gefällt mir auch sehr gut. Weiß der Teufel, warum.

Vielleicht bloß, weil diese Mutter locker genug war, sich beim Rumalbern mit einem Kissen auf dem Kopf fotografieren zu lassen ........ + weil Erinnerungen (für mich) zum Wichtigsten in dieser (verdammten) Erdenexistenz gehören.


--- Ende Zitat ---

Hi Zachi,

Merin hielt ihn für o.k., nicht grandios, und ich teile ihre Meinung. Auch wenn es mit Begrpündungen immer schwierig ist, will ich mal eine versuchen.
Die Mutter ist wichtig und sie wird über eine indirekte Art skizziert. Das macht neugierig. Grandios hätte ich den Anfang wahrscheinlich gefunden, wenn andere Fotos ausgewählt worden wären. Welche mit inneren Verbidnungen oder Gegensätzen oder ich weiß nicht was. Mich habe die Fotos nicht berührt. Ich weiß aber von anderen Büchern, dass so etwas möglich ist.
Andererseits: So etwas ist leicht gesagt. Man muss es erst einmal besser machen.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Fabian:
In jenem Sommer, den ich bei ihr verbrachte, erschreckte sie mich bei jedem Sonnenaufgang, wenn sie auf der Kante ihres Bettes saß, die langen offenen Haare bis zum Boden reichten und unter ihren unentwegten Bürstenstrichen zitterten.

Aus einem Buch, von dem ich bisher nur diesen einen (1.) Satz gelesen habe.

Der Satz zerrt auf zwei Weisen an mir:
- ich will natürlich wissen, was genau dieses Erschrecken hervorruft (der geschilderte Sachverhalt ist ja banal: eine Frau kämmt sich)
- noch mehr irritiert mich allerdings der Satzbau (die Schachtelung, der Subjektwechsel von der sich kämmenden zu den Haaren - versteht ihr, was ich meine? (das Benennen grammatikalischer Strukturen ist nicht meine Stärke)).

Viskey:
Ein Satz zum dreimal lesen ... Ich bin nur noch nicht sicher, ob ich das gut finde oder nicht. - Insofern schon mal nicht schlecht, weil ich danach weiterlesen würde ... allein schon, um herauszufinden, ob sich die Sprache danach vereinfacht, oder so schachtelig bleibt. Wenn es so bleibt, ist es nichts für mich ...  :devgrin:

Parzifal:

--- Zitat ---Wie bei allen anderen Büchern auch: Bukowskis Anfang muss man nicht unbedingt witzig finden. Wie immer: Alles subjektiv, Leute. Ich gebe sogar gerne zu, dass ich Texte je nach meiner Laune mal gut finde, und mal nicht. (Geht aber, wenn wir mal ehrlich sind, doch jedem so.) Wer in ein Kabarett geht, unterschreibt an der Kasse auch keinen Vertrag darüber, dass er in mindestens jeder dritten Sprechpause lachen wird.
Und glücklicherweise gibt es keine Katechismen, keine Gesetzbücher, + keine Zauberregeln für das, was "gute Literatur" ausmacht - nein, nicht wirklich. Denn "gut" heißt in Sachen Literatur für jeden etwas anderes (und das finde ich gut so).
Freilich klammern sich hoffnungsvolle Schreiberlinge, die "soooo" gerne Gedrucktes zwischen "richtigen Buchdeckeln" veröffentlichen würden - ob ich mich noch dazu zählen soll, weiß ich zurzeit nicht mehr so genau - immer wieder an Schreibratgeber in Print + Internet. Da sucht man nach Orientierung, nach Vorbildern, nach Beispielen von Schriftstellern, die erfolgreich sind oder waren. ... Mann, bin ich heute Abend wieder mal destruktiv. Wer mich an dieser Stelle noch ernst nimmt, ist selber schuld. Hat aber nicht das geringste mit diesem Thread (der mir sehr gut gefällt) oder mit Euch zu tun.
--- Ende Zitat ---

Hallo Zachi,

diese Antwort gefällt mir sehr gut.
Wer Bukowski genauer kennt, weiß, dass hinter seinen "witzigen" Texten manchmal reine Verzweiflung steckt. Er ist kein Freund des American Way, beschreibt eher den Amerikanischen Alptraum, in dem er (als Durchschnittsmensch) täglich ums Überleben kämpfen muss (auch im psychischen Sinne) Henry Miller hat das (Jahre zuvor) auf ähnliche Weise gemacht.
Aber er geht noch ein Stück darüber hinaus: Bukowski zweifelt an unserer ganzen Existenz als Menschen - sie kommt ihm bisweilen aberwitzig und sinnlos vor. In so einer Situation ist Witz vonnöten; eine Art Strohhalm, an dem man sich festhalten kann. Und es wird dem aufmerksamen Leser auch bald klar, dass es sich um Galgenhumor handelt. ;)

zac:
Unbekannter Autor, den Fabian zitiert hat:

--- Zitat ---In jenem Sommer, den ich bei ihr verbrachte, erschreckte sie mich bei jedem Sonnenaufgang, wenn sie auf der Kante ihres Bettes saß, die langen offenen Haare bis zum Boden reichten und unter ihren unentwegten Bürstenstrichen zitterten.
--- Ende Zitat ---

Auf diesen ersten Satz reagiere ich weitgehend so wie Fabian. Also 1. stellt sich auch mir die Frage, weshalb das den Ich-Erzähler erschreckt. Und 2. stört auch mich der Satzbau, durch dessen Subjektwechsel sich am Ende ein grammatischer Fehler ergibt: "... die langen offenen Haare bis zum Boden reichten und unter ihren unentwegten Bürstenstrichen zitterten" - als ob sich diese überlangen Haare selber kämmen würden + dabei "zitterten" ??  :watchout:
Drittens hat der Ich-Erzähler entweder reichlich übertrieben - siehe: "... die langen offenen Haare bis zum Boden reichten ..." oder sein Autor wollte eine neue Rapunzel ins literarische Leben einführen.
Gut möglich, ja sehr wahrscheinlich, dass ich - so wie Fabian - nicht viel mehr als nur diesen einen und ersten Satz von diesem Buch gelesen hätte.

Zitat von Parzifal:

--- Zitat ---Wer Bukowski genauer kennt, weiß, dass hinter seinen "witzigen" Texten manchmal reine Verzweiflung steckt. Er ist kein Freund des American Way, beschreibt eher den Amerikanischen Alptraum, in dem er (als Durchschnittsmensch) täglich ums Überleben kämpfen muss (auch im psychischen Sinne) Henry Miller hat das (Jahre zuvor) auf ähnliche Weise gemacht.
Aber er geht noch ein Stück darüber hinaus: Bukowski zweifelt an unserer ganzen Existenz als Menschen - sie kommt ihm bisweilen aberwitzig und sinnlos vor. In so einer Situation ist Witz vonnöten; eine Art Strohhalm, an dem man sich festhalten kann. Und es wird dem aufmerksamen Leser auch bald klar, dass es sich um Galgenhumor handelt.
--- Ende Zitat ---

... womit mir noch einmal mehr klar wird, dass jener Beginn von Bukowskis "Faktotum" sehr gut ist.

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