Teufelszeug > Theorie

08.03 - Gendern, Rollen, Ziele

(1/4) > >>

Uli:
Tja, ein passendes Datum für das Thema:

Frauenrollen, Frauenbilder, Frauensprache - und was uns, die Schreibnasen, das angeht.

Ich fang mal an mit einer Lagebeschreibung: Wir haben im Grundgesetz ein gleiches Recht für Männer und Frauen verankert, und in der Praxis ... nicht. Karrierechancen, Bildungschancen, Bezahlung ... das Problem ist nicht strittig.
Nun, wenigstens zum Teil liegt das an Sachen wie 'Rollenbildern' und auch am Sprachgebrauch, an Vorbildern (an denen es oft mangelt, oder, schlimmer noch, die ausschließlich aus erigierten Zeigefingern bestehen), an der Darstellung der Geschlechter auch in der Literatur - an Klischees und ISSOs.

Nun, es gibt da viele Ansätze, mit denen an der Sache gearbeitet wird (oder 'werden soll'), z.B. die 'gendergerechte Sprache'. Die Frage ist, ob das etwas bringt, und ob das 'muss'.

Grade 'Gendern' ist der Versuch, durch Sprachgebrauch Bewustsein zu ändern (oder zu bilden), eine Idee, die ziemlich bestechend zu sein scheint. Erstmal. Orwell hat mit seiner Neusprech und dem Zwiedenk da einiges vorgegeben.
Dumm ist, daß die faschistoide Vereinfachung in Ozeanien einen deutlich größeren Reiz ausübt als die Kompliziertheitinnen deX GenderI*nnengerechtInnen Sprachgebrauchin - doppelplusungut ist das.
Zudem ist zumindest zweifelhaft, ob das Abschalten der Männerdominierten Sprache den gewünschten Effekt überhaupt haben kann, oder ob im Gegenteil Missstände dadurch noch effektiver verschleiert werden: Wenn, als einfaches Beispiel, nicht mehr von 'Professoren' die Rede ist, sondern von 'ProfessorI*nnen', steht die Frage 'und, habt ihr keine Frauen auf den Leerstühlen' eben nicht mehr offen im Raum. Und kann demnach nicht hinterfragt werden.

Aber das ist nicht der Kern dieses Themas: Ob es funktioniert oder nicht ist sekundär - die erste Frage ist, ob ein Buch gelesen wird, denn nur dann kann es überhaupt wirken.
Erst danach kann man - vorausgesetzt man will - darüber nachdenken, welche Mittel geeignet sind, um 'beim Leser etwas zu erreichen' - wobei ich persönlich der Ansicht bin, daß eine gute, starke Frauenrolle mit ein paar Kernsätzen mehr bringt (weil verständlicher, eingängiger) als komplizierte Wortbildungen.

Dazu kommt noch der Gedanke:
In einem Setting 'Echtwelt' sollte die Story möglich sein - und die 'Lage der Nation' echt. Eine Notation des Zustandes, keine Schönfärberei. Besonders gilt das natürlich für historische Romane: Diese ganzen 'starken Frauen' (Päpstinnen und Wanderhuren, unbezähmbare Angeliques und so) bewirken nur eins: Ach, die Mädels träumen sich das zurecht, da sieht man mal wieder: Keinerlei Realitässinn. Ungeeignet für Führungspositionen.
(Wenn ich mir die Mädels an den Kinokassen so anschaue, bei den 50 Schattierungen von langweiligem Möchtegernsex, denkte ich mit Sorge darüber nach, was die so beruflich machen, echt. Vor allem, wenn sie kichern.)

Also, gleich mehrere Fragen:

Hat die gemeine Schreibnase einen 'Auftrag', die Welt zu verbessern?
Wenn ja: Wie kann das funktionieren? Welche Mittel sind wirksam, welche kontraproduktiv?
Und wie schafft man es, trotzdem gelesen zu werden, und zwar auch und besonders von denen, die da einen Anschub brauchen? Also nicht von der problembewusste, änderungswillige Frau mit Bildungshintergrund (was rein zahlenmäßig nicht eben für Bestsellerstatus langt) sondern von denen, die bei 'Biss zum Erbrechen' darüber nachdenken, wo sie diesen schicken Fummel wohl kaufen könnten ...

(Ähm ... ja. Ja, einiges davon ist eher provokant formuliert. Klar, oder: Schließlich bin ich ein Mann, und das Subtile ist daher nicht so meins. Kann man ja überall nachlesen: MännerI*nnen haben das einfach nicht drauf ...)

cheers, Uli

Ryek Darkener:
Da hast du den Nagel mitten ins Gesicht getroffen. War auch nicht anders zu erwarten.  :biggrin:



--- Zitat ---Hat die gemeine Schreibnase einen 'Auftrag', die Welt zu verbessern?
--- Ende Zitat ---

Meine Meinung: Wer meint, dass ihm oder ihr der Schuh passt, der|die soll ihn sich anziehen. Und es bitte im Vorwort deutlich machen – ich weiß gern im Voraus, ob ich vom Text unterhalten oder beleert werden soll.
Ein guter Roman entspricht dem Weltenbau, den er verwendet. Und ein Setting, in dem Frauen unterdrückt werden (Erde, einundzwanzigstes Jahrhundert, überall) ist durchaus geeignet, Probleme transparent zu machen, ohne den Leser zu langweilen. Ein Roman trägt immer eine Botschaft, zumindest nämlich die Perspektive des Autors zum Gegenstand des Romans. Und hier ist durchaus der Advocatus Diaboli erlaubt. :diablo:



--- Zitat ---Wenn ja: Wie kann das funktionieren? Welche Mittel sind wirksam, welche kontraproduktiv?
--- Ende Zitat ---

Die Frage ist leicht zu veantworten, und genauso schwer umzusetzen. Das ist vor allem ein handwerkliches Thema.



--- Zitat ---Und wie schafft man es, trotzdem gelesen zu werden, ...
--- Ende Zitat ---

Die Frage ist, meiner Meinung nach, unbeantwortbar. Wenn sich ein Verlag findet, der welches Werk auch immer mit hoher Auflage und entsprechendem Marketing herausgibt, dann wird es – naja, vielleicht nicht gelesen, aber auf jeden Fall gekauft, und die Medien diskutieren darüber. Dort zumeist übrigens immer dieselben berufenen oder selbsternannten Spezialisten. :devgrin:

Deshalb gehört diese Frage für mich nicht zum Thema.


LG
Ryek

Parzifal:
Man sollte es bitteschön den Autoren überlassen, ob sie sich dieser Mode anschließen wollen oder nicht. Ich finde dieses ganze PC-Getue lächerlich und gefährlich (hab ich ja schon mal von mir gegeben) Und ich muss Ryek recht geben: Die Autoren, die das brauchen, sollten es am Anfang ihres Buches kundtun - dann weiß ich sofort, dass ich dieses Buch nicht kaufen werde.  :confused:

Ginger:
Ich sag nur eine Sache dazu, weil mir das gerade richtig richtig übel aufstoßt und weil du mich damit, auch wenn du es nicht direkt machst, ansprichst.
(Ich hoffe ich intrepretiere das, was du geschrieben hast jetzt richtig. Wenn nicht, dann vergiss meine Antwort.


--- Zitat von: Uli am 08 March 2015, 13:08:05 ---Ach, die Mädels träumen sich das zurecht, da sieht man mal wieder: Keinerlei Realitässinn. Ungeeignet für Führungspositionen.
(Wenn ich mir die Mädels an den Kinokassen so anschaue, bei den 50 Schattierungen von langweiligem Möchtegernsex, denkte ich mit Sorge darüber nach, was die so beruflich machen, echt. Vor allem, wenn sie kichern.)

--- Ende Zitat ---

Ich bin solch ein Mädchen, das 50 Shades of Grey mehrere Male gelesen hat und ich habe mich auch sehr auf den Film gefreut. Ich liebe diese Art von Bücher. Ich liebe das Genre Erotik, es macht mir Spaß es zu lesen. Vielleicht habe ich bei dem Film nicht "gekichert", jedoch fand ich ihn schön.

Was sagt das jetzt über mich aus? Dass ich aufhören sollte zu studieren? Dass ich mein Praktikum abbrechen sollte, weil ich ja offensichtlich keinen Realitätssinn besitze und nicht geeignet für eine Führungsperson bin? Was sagt denn die Vorliebe von dem, was ich lese, über das aus, was ich in meinem Leben mache?


Tschuldigung, wenn ich diesen Teil der Aussage jetzt falsch verstanden haben sollte, aber wenn du das, was du geschrieben hast, so gemeint hast, wie ich das gerade lese. Dann bäh, finde ich diese Aussage wirklich vollkommen schrecklich.

Trallala:
Liebe Ginger,

Männer, die so etwas schreiben (auch wenn die Intention vermeintlich "emanzipiert" sein soll), muss man nicht ernst nehmen.

Sagt Dir eine alte Emanze

T!

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln
Mobile View