Federleichtes > Federfutter
Was lest ihr gerade 2016
merin:
Oh weh. Schon dieser Absatz treibt mich eher weg als hin.
LaHallia:
Ich les gerade: I am half sick of shadows von Alan Bradley. Ein Flavia de Luce "Krimi".
Ein nettes kleines Buch, gut zu lesen und unterhaltsam ABER als Krimifan fühlt man sich verarscht. Von einem Krimi erwarte ich, dass der Mord mindestens im ersten Drittel des Buches passiert. Nicht nach zwei Dritteln irgendwann einmal total unspektakulär. Außerdem erwarte ich, dass in einem Krimi ermittlerische Tätigkeiten statt finden, die mehr als 3 Seiten in Anspruch nehmen und ich erwarte, dass der Mörder Hinweise hinterlässt, über das ganze Buch hinweg und dass der Detektiv nicht urplötzlich aus heiterem Himmel heraus vom Mörder umgebracht werden soll und dann behauptet er wusste eh schon, dass das der Mörder war, aber absolut ohne Begründung woher er das denn wusste. Auch das Motiv kommt mit keinem Wort vor. Es heißt plötzlich in einem Nebensatz es ginge um ein Erbe. NIEMALS, mit KEINEM WORT wurde JEMALS etwas von einem Erbe oder Rache erwähnt.
Bin wüten, enttäuscht und fühle mich total verarscht. Dabei könnte der Text - wäre er nicht als Krimi dargestellt worden - wirklich sehr nett sein.
Da hätten wir mal wieder dieses trickreiche Ding namens Erwartungshaltung...
June:
Also, so merkwürdig, wie es scheint, aber ich lese derzeit nur Dinge von Hobbyautoren in meiner Funktion als Testleser. Ist auch eine Art lesen, aber anders.
Wöllte ich noch Gedrucktes lesen, hätte ich keine Zeit mehr für die eigene Schreiberei.
Auf meinem Nachttisch liegt seit einem Jahr ein John le Carré, hatte mir das Buch gekauft, nachdem ich den Kinofilm "Dame, König, As, Spion" sah. Aber diese Agentendinger sind schon sehr schwer verdaulich :D
LG, Ryrke
Fabian:
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah
Ifimelu in der Fremde.
Sie ist schon lange in Amerika, erfolgreiche Bloggerin, mit einem Stipendium in Princeton, hält Reden und verdient gutes Geld.
Aber dennoch: sie fühlt sich nicht wirklich als Amerikanerin, das Fremde ist ihr fremd geblieben.
Sie wundert sich immer noch,
--- Zitat ---„dass in den Bahnhöfen in Manhattan überwiegend schlanke weiße Menschen ausstiegen und überwiegend schwarze dicke Leute, je weiter sie nach Brooklyn hineinfuhren. Sie hatte in Gedanken jedoch nicht das Wort »dick« benutzt. Sie hatte sie als »kräftig« betrachtet, denn ihre Freundin Ginika hatte sie schon ganz früh darauf hingewiesen, dass in Amerika »dick« als Schimpfwort galt, befrachtet mit einem moralischen Urteil wie die Wörter »dumm« oder »Scheißkerl«, und nicht einfach eine Beschreibung war wie »groß« oder »klein«. Sie hatte »dick« aus ihrem Wortschatz gestrichen. Aber sie hatte »dick« letzten Winter nach fast dreizehn Jahren wieder in ihren Wortschatz aufgenommen, als sie im Supermarkt die riesige Tüte mit Tostitos bezahlte und ein Mann in der Schlange hinter ihr murmelte: »Dicke Leute sollten so einen Dreck nicht essen.«“ (S.12/13)
--- Ende Zitat ---
Wir begegnen ihr, als ihr dieses Fremdsein im gelobten Land bewußt wird, dieses etwas haltlose Schweben zwischen den Welten, die Entfremdung von sich selbst, die sie dazu bringt, in ihre Heimat nach Nigeria zurückkehren zu wollen.
Bisher (ich bin auf S. 171 von 599) ist es eine Lust, mir ihre Geschichte in einer so lebendigen, farbigen, detailreichen Sprache erzählen zu lassen, diesem liebevoll realistischen, selbstbewußten, genauen Blick auf die Verhältnisse zu folgen und mich auf das Nach-Denken dieses fremden Lebens einzulassen.
Dabei ist der Roman kein saft- und kraftlos erzähltes sozialkritisches Pamphlet, keine Dekonstruktion des American Way of Life. Auf den folgenden Seiten wird mich wahrscheinlich noch Ifemelus zweiter Kulturschock bei ihrer Rückkehr nach Nigeria und auf jeden Fall eine Liebesgeschichte erwarten, aber hey: es ist trotzdem zeitgenössische Literatur, diese elitäre Bäh-Literatur, die ich mag, die einfach vom Leben erzählt (man achte auf die Doppeldeutigkeit), ohne dass mir ein mühsam herbeikonstruierten Plot oder ein klischiertes Menschenbild das Gehirn verkleistert.
merin:
Ja! Ich liebe diesen Roman! Er ist spritzig, tiefsinnig, lehrreich - aber nie langweilig. Er hat mich dabei auch noch tief berührt. :flirty:
Wenn ich nur so schreiben könnte. *seufz*
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