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Überarbeiten beim Schreiben oder erst alles in Rohfassung?

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Zauberfeder:
Huhu Mondstern, dein Häuservergleich finde ich cool :D

Was mir nur immer schwer fällt, ist eben, mich darüber zu freuen, dass ich eine Rohfassung habe, weil das bedeutet, dass ich wieder und wieder über ein und denselben Text gehen muss. Das hatte ich eben jetzt so oft. Ich hatte mal die erste Rohfassung von Band 1 und Band 2 und einen begonnenen Band 3, dann habe ich angefangen, Band 1 zu überarbeiten, weil der Stil nicht gut war, dann habe ich angefangen, ihn neu zu schreiben, weil ich neue Ideen einbringen wollte, die die Welt noch detailreicher gemacht haben, dann habe ich planen müssen und neu schreiben müssen, weil Logikfehler aufgedeckt worden sind, die das Fundament zum Einsturz gemacht haben. Als die neu geschriebene Version (immer noch nur Band 1) fertig war, wurde mir wieder klar, dass da immer noch Fundamentbröckler drin sind, die bisher nur noch nicht an die Oberfläche kamen, aber das Haus eben zum Einsturz gebracht haben. Wieder neu geplant. Neu begonnen. Dann war mir klar, dass mir etwas Entscheidendes fehlt, wieder neu geplant und anfangen zu schreiben, diesmal in einer anderen Perspektive. Festgestellt, dass die Perspektive nicht funktioniert und jetzt muss ich wieder von Anfang an anfangen. Ich hänge seit ewigen Zeiten an Band 1, würde aber gerne mal weiter kommen, nur so lange kein solides Fundament steht, geht das natürlich nicht. Aber selbst wenn das steht, heißt es ja, dass ich immer noch ewig bei Band 1 hänge, weil dann der Feinschliff kommt. Und da fällt es mir eben schwer, mich darüber zu freuen, dann eine Rohfassung zu haben, weil es eben noch nichts Ganzes ist. Daher eben die Frage, wie motiviert ihr euch eben dazu, euch über etwas zu freuen, was noch so unfertig ist? Ich kriege das einfach nicht hin, aber das ist eben auch kontraproduktiv.

Ich finde es ja faszinierend, dass du auch mal xxx für ein Wort setzen kannst, dass dir nicht einfällt. Sowas kann ich ja überhaupt nicht. Das stört mich dann. Irgendwie widerstrebt das meinem Ordnungssinn in meinen Werken. Das könnte ich nie, aber ich finde es spannend, dass anderen das so leicht fällt.

Viskey:
Ich sehe es mehr wie LaHallia: Eine Rohfassung ist schon etwas, auf das man echt stolz sein kann. - Man darf halt nur nicht erwarten, dass eine Rohfassung schon besonders gut (im Sinne von fertig) ist. Eine Rohfassung braucht immer noch einen Haufen Arbeit, darüber darf man sich halt keine Illusionen machen.

Aber so wie ein Rohbau noch nicht besonders wohnlich ist, wenn's stürmt, hält mich der trotzdem schon trocken und windgeschützt. Als Dauerzustand kann man das nicht lassen, keine Frage. Aber es ist ein guter Ausgangsppunkt, und darauf darf man durchaus stolz sein.

Natürlich ist es frustrierend, wenn man draufkommt, dass der Rohbau nicht funktioniert, weil ich zB vergessen hab, eine Haustür einzuplanen. Oder wenn alles einzustürzen droht, weil ich keine tragende Wand eingeplant habe. Aber bis das nicht gegeben ist, hab ich halt auch keinen Rohbau, sondern eine Baustelle. Und Baustellen - ob nun bei einem Haus oder einem Buch - sind unerschöpfliche Quellen an Frust und Ärger. Ist leider so. ;)

Die Frage ist dann: Wie sehr liegt mir dieses Projekt am Herzen? Wie groß ist das Bedürfnis, diese Geschichte zu erzählen?
Ich hab ein paar unfertige Geschichten herumliegen, weil ich einfach nicht genug Motivation habe, sie zu vollenden. Es könnte was draus werden, keine Frage. Aber meine Prioritäten liegen bei anderen Geschichten.

Mondstern:

--- Zitat von: Zauberfeder am 25 September 2016, 11:09:12 ---
Was mir nur immer schwer fällt, ist eben, mich darüber zu freuen, dass ich eine Rohfassung habe, weil das bedeutet, dass ich wieder und wieder über ein und denselben Text gehen muss.

--- Ende Zitat ---

Hi Zauberfeder
Ich verstehe dein Problem. Das ist aber kein „Problem“ einer Rohfassung, sonder einfach dein eigenes  ;)
Bitte nicht falsch verstehen. Logikfehler – tragende Wand fehlt, Eingangstüre vergessen – ist nicht Fehler der Bauarbeiter, sonder des Architekten. Allerdings sind solche Fehler viel leichter am Anfangsstadium einer Geschichte zu reparieren, als in der Endfassung.

Dazu kommt dann noch ein weiteres „Problem“ Dir gefällt dein Stil nicht mehr. Willkommen im Klub.  :) Nahezu jeder Autor den ich kenne, wird dir da das Gleiche berichten. Es dauert halt, bis sich ein persönlicher Stil gefunden hat. Wenn ich heute meine ersten Arbeiten so durchlese, stellts mir die Nackenhaare.

Ich sehe das allerdings als positives Zeichen. Du bist noch beim verändern, du erkennst deine Schwächen und arbeitest daran. Ob das tatsächlich Schwächen sind, spielt keine Rolle. Erstmal muss DIR dein Text gefallen. Wenn die Geschichte dann genau so ist, wie du sie haben willst, ist das Haus bezugsfertig. Dann fällt dir aber auf, dass „hinten links“ eine Steckdose fehlt, die Waschmaschine zwar Platz sparend über dem Kühlschrank steht, was sich in der Praxis aber eher kontraproduktiv auswirkt usw.

Und dann ist deine Geschichte fertig?
Dann wird erst interessant. Du stellst eine Passage hier ein und bekommst das erste Feedback. Obwohl dein „Haus“ schon bezogen ist, kommen viele Kleinigkeiten ans Licht – das ist dann der eigentliche Feinschliff.
Bei jeder Röstung kann man nur lernen – selbst wenn man Freds von anderen „nur“ mitliest. Irgendwann steigen dann auch die eigenen Ansrüche (bei dir ja auch der Fall) und es wird eben schwieriger. Für mich liegt aber gerade da der Reiz. Sonst wäre das Hobby bald langweilig.

Manchmal kommt man aber mit dem Überarbeiten einfach nicht weiter. Da hilft dann auch kein zeitlicher Abstand, sonder eine Radikalkur. Bei meinem Romanprojekt – kommt dann doch auf so 1500 Normseiten – habe ich mir z.B. Überschriften der Kapitel überlegt. Somit habe ich mein Grundgerüst. Da ich auch nie chronologisch schreibe, arbeite ich einfach nach Lust und Laune an einem der Kapitel. Manche sind fertig, andere noch in der Planungsphase.

Wichtig dabei ist es, das Ziel im Auge zu behalten bzw. zu kennen. Manche Kapitel sind düster, andere heiter oder skurril. Manchmal wir gesexelt … Wenn ich aber keine Lust habe, an einem erotischen Text zu schreiben (nur weil er jetzt eben an der Reihe wäre) dann such ihr mir ein anderes Kapitel aus.
Und das mit den zusätzlichen Idee. Bei keinem bleibt es bei der ursprünglichen Planung, weil beim Schreiben ständig neue Ideen kommen. Aber nur nicht verzettel.  ;)


--- Zitat ---Ich finde es ja faszinierend, dass du auch mal xxx für ein Wort setzen kannst, dass dir nicht einfällt. Sowas kann ich ja überhaupt nicht. Das stört mich dann. Irgendwie widerstrebt das meinem Ordnungssinn in meinen Werken.

--- Ende Zitat ---

Dann lerns  8)  :)

Sagen wir mal so, das Widerstreb eigentlich jedem. Jeder will einen perfekten Text … aber …
Ein Beispiel. Stell dir vor, du hast einen Tag Urlaub genommen, hockst vor der Kiste, Beine hoch, Kaffee in der Hand und du hast nichts anderes gemacht, als DVD zu gucken. Plötzlich kommt ein Anruf. Dein Chef (oder Frau des Bürgermeisters) ist in der Nähe, muss dir unbedingt was unter vier Augen sagen und ist in ner Viertelstunde bei dir.
Du bekommst eine kleine Panikattacke und legst los. Was gescheites anziehen, die Haare richten und einigermaßen Ordnung schaffen. Du empfängst den Besuch in der Küche … als brauchst du nicht das Schlafzimmer aufräumen (Ausnahme wäre. Wenn dein Chef nicht unbedingt zum reden kommt, dann brächtest du aber auch nicht die Küche aufräumen …)

Du verstehst? Du hast vielleicht zehn Minuten Zeit, das Geschirr vom Vortag zu „verstecken“ die Schuhe im Flur in den Schrank zu stopfen und die seit einer Woche verwelkten Rosen wegzuwerfen. Du musst als Prioritäten setzen. Es geht um das Gesamtbild für genau diese Szene (nicht dran denken, wie es gerade im voll gestopften Schuhschrank aussieht, dafür ist später noch Zeit)
So ist das – bei mir – beim Schreiben. Es geht darum, die Rohfassung eines Kapitels auf die Beine zu stellen – nicht mehr. Es geht nicht um bestimmte Wörter oder Ausdrücke, sondern das die Logik passt das Fundament für die nächsten Kapitel gelegt wird.

LG Mondstern

kass:
@Zauberfeder


--- Zitat ---Wie muss ich mir denn Erzählabschnitte vorstellen? Ich kenne nur Szenen und Kapitel, deswegen sagt mir der Begriff so gar nichts. Wie lang ist denn so ein Erzählabschnitt ungefähr oder wo ist da die Grenze?
--- Ende Zitat ---

In manchen Büchern findet sich das ja noch. Bezeichnet als Teil 1 / Teil 2 / Teil 3 (das wären z.B. Erzählabschnitte innerhalb eines Buches)

Bei mir sind die ganz unterschiedlich lang. Ich versuche mal, es dir an einem Handlungsbeispiel zu erklären:

Merlin ist gefangen und im Kerker des bösen Quarx und steht kurz davor, hingerichtet zu werden. Er flieht. Dann macht er sich auf die Suche nach dem bösen Quarx und besiegt ihn im Kampf.

1. Handlungsabschnitt: Merlin findet einen Weg, aus dem Kerker zu entkommen. (unterteilt in einzelne Kapitel, in denen er z.B. Wärter besticht, oder in denen es ihm gelingt, mit Hilfe von mühsam zusammengesuchten Ingredienzen doch einen Zauber vorzubereiten, der das Schloss auflöst oder oder oder)
2. Abschnitt: Die Flucht an sich. (durch die Verließe, verfolgt von den bösen Schergen, in die Irre geleitet von .. usw. einzelne Kapitel).

Je nachdem, wie das Buch angelegt ist, würde ich auch beide Abschnitte zusammen (von mir) als einen Abschnitt schreiben.

Wird er verfolgt? Gewinnt er unterwegs neue Verbündete? Je nachdem, wie das ausgestaltet ist, ergeben sich ja die Fäden, die in den folgenden Abschnitten aufzugreifen sind. Ich versuche sozusagen, mich selbst einzuschränken, indem ich solche Abschnitte bilde und die dann als (möglichst) festgezurrt betrachte. Wenn der Abschnitt gut ist, spannend genug usw., dann bemühe ich mich, mich an eben diese Beschränkungen zu halten. Hat er also keine neuen Freunde gewonnen, dann muss er sich später vielleicht Unterstützung suchen. Wenn es Verfolger gab, dann können die später noch mal für Ungemach sorgen. Wenn ich das Gefühl habe, dass alles noch offen ist, dann neige ich dazu, mich in zu vielen Strängen zu verzetteln. Die Unterteilung in diese Abschnitte hilft mir dabei, konsequenter zu sein, um dann (hoffentlich) nicht wieder alles aufzuwerfen.

Der Vergleich mit dem Haus ist ja so schön erwähnt worden. Wenn ich nun einen Abschnitt habe, der in sich spannend und schlüssig ist, dann ist das das Fundament für das Erdgeschoss. Wenn dann das Erdgeschoss fertig ist und zu meiner Zufriedenheit ausfällt, dann ist das das Fundament für den 1. Stock usw.

LG
Kass



merin:
Mir macht Überarbeiten Freude. Wenn die Rohfassung steht, dann kann ich ans Dekorieren gehen, an Formulierungen feilen usw. Das finde ich genial. Ja, manchmal hakt es auch hier, besonders wenn ich nicht weiß, wie ich den Text verbessern kann, er aber so noch nicht gut ist. Aber im Allgemeinen ist Schreiben für mich Überarbeiten. Insofern ist für mich die Rohfassung zu erstellen der große, schwere Akt. Un dich bin mega stolz, wenn sie steht!

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