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Kapitel - Länge, Überschrift und überhaupt

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Zauberfeder:
Ich mag Überschriften im Grunde. Es gibt ein paar Bücher, die ich gelesen habe, da gab es welche. Wobei es mich auch nie gestört hat, wenn einfach eine 1 darüber stand. Wirklich wichtig war es mir nicht, aber es sieht immer nett aus, wenn es welche gibt.
Ich selbst nutze keine, weil ich immer Schwierigkeiten damit habe, Titel zu finden.

Wenn ich Bücher lese, ist mir die Länge des Kapitels egal. Ob lang oder kurz ist mir beides recht, wobei ich schon zu ein bisschen mehr Seiten tendiere, als nur so 4 Seiten Kapitel oder so. Langweilt mich das Buch aber, ziehen sich die Kapitel wie Kaugummi. Da ist es auch relativ egal, ob es ein kurzes oder langes Kapitel ist. Wenn es mich nicht packt, kommt es mir in jedem Fall zu lang vor.

Ich selbst schreibe, denke ich, eher längere Kapitel. Wenn mein Kapitel unter 4000 Wörter hat, bin ich eher unzufrieden, weil ich das Gefühl habe, dass es für mich keine gescheite Länge ist. Ich habe derzeit auch gerade mehr Kapitel im 7000er Bereich.

Viskey:
Also beim jetzt noch mal lesen des Ausgangsosts stolpere ich schon über die Kapitellänge. 1000 - 2000 Wörter? Da hab ich Szenen, die länger sind, nicht regelmäßig, aber doch immer wieder.

Kann es sein, dass du tatsächlich nur einzelne Szenen hast, nicht Kapitel?

Wenn nach jeder Szene der Perspektivträger wechselt, ist das für mich absolut ok, das muss nicht  gleich in ein neues Kapitel gegossen werden, das ich dann nicht mal als Kapitel wahrnehmen würde. Wenn ich mir das jetzt so vorstelle, wäre ich da sogar eher genervt, wenn ich in meinem Lesefluss dauernd unterbrochen würde mit "Name - xy passiert".

Ein Kapitel ist ja ein Teil der Handlung, der eine in sich - einigermaßen - geschlossene Sequenz bildet, und einen gewissen Zweck verfolgt. Das kann man auch an Perspektiven festmachen, aber wenn die alle 3 Seiten oder so wechseln, würd ich dadurch nur schwindlig werden.


Weil ich's grad lese, veranschauliche ich das mal an "A Study in Scarlet", der ersten Sherlock Holmes-Geschichte.



* Kapitel - "Mr. Sherlock Holmes"
dazu unten gleich mehr
* Kapitel - "The Science of Deduction"
Wir erfahren, was Holmes beruflich macht, und zwar aus Holmes' Mund. Wir lernen dabei auch, dass Holmes nicht einfach nur ein exzentrischer Typ ist (wie man im Kaitel 1 durchaus noch glauben kann), sondern ein echt cleverer Bursche, der von bis so ziemlich alles ableiten kann, wenn man ihm nur ein Fitzelchen von einem Hinweis gibt.
* Kapitel - "The Lauritson Garden Mystery"
Der Fall wird vorgestellt, und die eigentliche Handlung kommt ins Rollen.Den Rest schenk ich mir, man sieht schon, worauf ich hinauswill, denke ich.


Beim ersten Kapitel mag man argumentieren, dass das formal eine einzige, ziemlich lange Szene ist, aber mMn ergibt sich das nur aufgrund der Erzählweise in Form von Erinnerungen, wo halt eine in die andere überfließt. Tatsächlich sehe ich da drei Szenen:

* Watsons Lebensgeschichte bis dahin - in groben Zügen
* Watson trifft seinen Freund Stamford und redet mit ihm über Holmes
* Watson trifft Holmes
Der Zweck dieses ersten Kapitels ist - wenig verwunderlich - die Vorstellung unserer Hauptcharaktere. Wir haben Dr. Watson, Kriegsveteran, gesundheitlich angeschlagen und nicht besonders gut bei Kasse. Deswegen sucht er auch einen Mitbewohner, weil's halt billiger kommt.
Wir haben Holmes, der ein ziemlich komischer Typ ist, seine sozialen Fähigkeiten lassen zu wünschen übrig ([his character] approaches cold-bloodedness / [Seine Persönlichkeit] grenzt an Kaltblütigkeit), und niemand weiß so recht, was er eigentlich mit seinem Leben anfängt (studiert viel, aber alles - scheinbar - ohne Ziel und Zweck).
Und schließlich treffen diese beiden aufeinander, was den Lesern eine neue Perspektive gibt. Denn der angeblich so kaltblütige Holmes hat seinen ersten Auftritt voller Begeisterung und überschwänglicher Euphorie. (Er hat ein Mittel entdeckt, mit dem Man Blut nachweisen kann, was es erlaubt, Blutflecken von zB Rostflcken zu unterscheiden.) Er gibt auch  gleich eine Probe seines Könnens ab und sagt Watson auf den Kopf zu, dass er ein Kriegsveteran ist (sagt aber nicht, woher er das weiß, das ist Zweck des 2. Kapitels).
Watson ist beeindruckt und fasziniert und stellt es sich zur Aufgabe, herauszufinden, wie Holmes das angestellt hat. Holmes ist das Rätsel, das er lösen möchte. (Das erste Puzzleteilchen zur Lösung bekommt er im 2. Kapitel.)


Als Gedankenexperiment könnte man jetzt diese drei Szenen aus vrschiedenen Perspektiven schreiben:
1. Watson
2. Stamford
3. Holmes

Die Inhalte der Szenen blieben jeweils die gleichen: Watson kennenlernen, was über Holmes erfahren, Holmes treffen. Natürlich würden die Szenen in sich anders aussehen, aber es ergäbe sich immer noch ein erstes Kapitel mit dem Zweck, die Hauptfiguren vorzustellen, bestehend aus diesen drei Szenen.


Ich bin jetzt nicht sicher, ob das alles irgenwie für dein Proekt sinnvoll ist, merin, aber da der Thread schon "Kapitel - Länge, Überschrift und überhaupt" lautet, dachte ich, ich werf das mal hier rein. Ich denke nämlich sowieso gerade in ähnliche Richtungen, da hat das gerae sehr gut gepasst.

merin:
Doch, das ist hilfreich. Sehr sogar. Mich nämlich in meiner Idee zu bestätigen, dass meine Perspektivwechsel nicht jeweils ein Kapitel sind. Wahrscheinlich wird mein fertiger Text nur wenige Kapitel enthalten (drei oder vier) und dazwischen sind eben einfach die Perspektivwechsel. Denn die Spannungsbögen gehen eben über diese Wechsel hinweg.

Lionel Eschenbach:
Der Virtuose braucht keine Strukutr. Wäre ich es nur  :stirn:

Ein Buch beginnt mit dem ersten Buchstaben und endet mit einem Punkt. Wie wir die Struktur wählen, ist fast so frei wie unsere Gedanken, wenn wir einen Roman schreiben.

Ja, ich verwende Kapitel, sie werden wohl durchnumeriert sein: 1,2,3,4,5.

Manchmal beginne ich ein neues Kapitel, wenn der Ort wechselt, oder ich beginne ein neues, wenn sich die Geschichte entscheidend verändert. So ist ein Kapitel bei mir, die Vorbereitungen der Königswahl, das nächste ist der Krieg, der durch die Vorbereitungen ausgelöst wird. Einmal verlässt mein Prota die Hauptstadt. Das nächste Kapitel spielt im Zirkus. Wenn in einem Kapitel die Perspektive wechselt, wird der Name des Perspektivträger fett abgesetzt.  Das liest sich dann komisch und wahrscheinlich ändere ich es noch.

3. Der Zirkus.
Todd....


Aber was habe ich da nicht alles gelesen. Und im Extremfall besteht ein Roman ganz ohne Kapitel, ***, und wie auch immer man ein Kapitel abgrenzen mag.

Was auch immer ich verwende, meist tue ich es nur, um den Leser einen Anhaltspunkt zu geben, dass sich etwas verändert. Ist es aber notwendig. Manche verwende z.B. nur Zeitangaben, um den Verlauf zu skizzieren. GRRM schreibt nur Rob, Ned, Tyrion. Letztlich zeigt es nur den Perspektivwechsel an. Und es macht auch Sinn, weil wenn der Wechsel nicht angezeigt worden wäre, würden wir uns wundern. Hä, was passiert denn da, wo sind wir denn.

Hier glaube ich, dem Leser ist es fast egal, solange die Geschichte flüssig erzählt wird.

Und eben manchmal können die Kapitel so merkwürdig angeordnet sein: 8,9,10, 10a, 10b, 10c, 11, 12 usw.

In einer Seminararbeit musste ich mich mich nur auf die Kapiteleinteilung konzentrieren, warum Thomas Mann im Doktor Faustus eine solch komische Kapiteleinteilung gewählt hat. Und nach dem Studium vieler Briefe, die er an Freunden geschrieben hatte, wurde ich fündig, warum er es so gemacht hatte. Die Kapitel verstärkte in spielerischer Weise das Grundmotiv des Romans. Doch wohl nur Germanistikstudenten werden jemals erfahren, warum er es tat.

Die meisten Leser mag es aufgefallen sein, sie mochten einen Grund darin vermutet haben, doch für die Schönheit der Sprache tat es keinen Abbruch.

Also glaube ich, dass die Kapiteleinteilung nicht wirklich wichtig ist für den Leser. Schaue ich auf mein Schreibprogramm weiß ich nur, ok, ich überarbeite Stellen im Zirkus, in den Höhlen oder in der Hauptstadt. Für mich helfen Kapitel beim Schreiben, die entsprechende Szene schnell wieder zu finden. 600 Seiten sind eine Wand an Text.

L.

Oflinitrium:
Ich finde Kapitel dahingehend wichtig, dass man klare Grenzen zwischen den Abläufen hat und die Geschichte dadurch nicht für den Leser anfängt zu verschwimmen bzw. zu verwirren. Mit Kapiteln lässt sich klar zeigen, "diese Stelle ist beendet, es beginnt eine neue."
Natürlich benutzen manche auch die Kapitel um Cliffhanger im Buch zu erzeugen, was auch eine sehr spannende und reizvolle Variante ist.
Daher sollte ein Kapitel auch immer so lange sein, wie der Abschnitt zusammenhängend lesbar ist bzw. zusammenhängend gelesen werden soll. Ich kenne Bücher mit relativ gleich langen, aber auch mit wechselnden Kapitellängen.

Was die Überschriften betrifft habe ich keine wirklichen Vorlieben, was man auch an meinen Lieblingsbüchern erkennt. Bei einem steht einfach wann und wo das Kapitel beginnt (z.B. Januar 1859 London) bei einem anderen Zahlen 1-X, ein anderes teasert das kommende Kapitel an und mein absolutes Lieblingswerk benutzt einfach den Namen des jeweiligen Protagonisten als Überschrift (er hat allerdings auch ca. 10 die sich meist an unterschiedlichen Orten tummeln). Ich fand die Überschriften eigentlich in jedem der Werke passend, alerdings würden sie stören wenn man sie jetzt austauscht. z.B. anstatt dem Namen des Protagonisten die Jahreszahl+Ort, oder Anstatt des kleinen Teasers nur eine Zahl. Ich denke es kommt auf das Buch an und den Stil des Autors und dass die Kapitelüberschrift auch diesen Stil ein wenig definiert.

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