28 March 2024, 21:49:00

Autor Thema: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?  (Gelesen 6952 mal)

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Sana

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Es ist so, das ich immer ein Grundgerüst von jeweiligen Prota im Kopf habe. Trotzdem sind sie mir zwei/drei Kapitel lang fremde Personen, zu denen ich erst langsam ein Gefühl aufbaue.Bin an dem Punkt angelangt, brauche ich oft auch gar nicht mehr überlegen, weil ich einfach weiß, was die Prota sagen/tun/reagieren würde.
Das wurde auch bei meiner Röstung angesprochen und es leuchtete mir auch ein, das Johannes farblos wirkt. Erst recht wenn man ihn gegenüber Veit stellt(Veit ist etwas schräg, daher fällt er mir einfacher).
Wie schafft man es also, gleich zu beginn in die Haut der Protas zu schlüpfen?
« Letzte Änderung: 08 December 2016, 13:31:36 von Sana »

Viskey

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #1 am: 08 December 2016, 14:43:36 »
Ganz platte Antwort: hineinschlüpfen, bevor du zu schreiben anfängst.

Ernsthaft: Das geht mir auch immer wieder so. Und es hilft nichts gegen diese Fremdheit, als schreiben. Für mich bedeutet das, dass ich die ersten zwei, drei Kapitel halt überarbeite, wenn ich meine Figuren ausreichend kennengelernt habe.

Eine andere Möglichkeit ist vielleicht, deinen Johannes erst mal in anderen "Geschichten" kennenzulernen. Es gibt ja Autoren, die die Lebensgeschichte ihrer Figuren in Kurzgeschichten niederschreiben. Für mich funktioniert die Methode nicht, aber vielleicht kannst ja du etwas damit anfangen. Johannes ist ja alt genug, um da ein paar interessante Episoden in seinem Leben zu finden.
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LaHallia

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #2 am: 08 December 2016, 14:54:02 »
Hi Sana,

du hast es dir eigentlich eh schon selbst beantwortet: "es dauert immer 2-3 Kapitel, bis du reinkommst".
Bevor ich zu schreiben beginne (am tatsächlichen Text), schreibe ich duzende Szenen, zig Seiten, von der Vergangenheit der Charaktere, Szenen wie sie sich getroffen haben, Szenen die absolut nichts mit dem späteren Text zu tun haben werden, Szenen die nie in den Text kommen werden und nur dazu dienen, die Stimme, die Vergangenheit, die Reaktionen der Protas in Gespür zu bekommen.

Liebe Grüße,
LaHallia
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Viskey

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #3 am: 08 December 2016, 14:58:41 »
Vielleicht hilft dir auch die Charaktercouch hier im Forum?
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Trippelschritt

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #4 am: 08 December 2016, 15:23:29 »
Lass ihn handeln. Und wenn das nichts bringt, bedeutet es für mich, dass Du Deine Figur noch nicht richtig kennst. Dann wirst du dich noch mal mit ihr unterhalten müssen. Speed Dating geht da nicht.

viel glück

Trippelschritt
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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #5 am: 08 December 2016, 20:12:50 »
Ich schreibe auch gleich am Text drauflos und überarbeite die ersten Kapitel später. Auch die Charaktercouch hat mir geholfen.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Sana

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #6 am: 09 December 2016, 19:57:47 »
 Charaktercouch? Durch die Suchfunktion habe ich nichts finden können.

Viskey

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #7 am: 09 December 2016, 21:37:35 »
Hm, ja ... das liegt daran, dass du dafür noch nicht freigeschaltet bist. Die Couch steht im Höllenrost, für den du mindestens 100 Beiträge haben musst.

Aber ich hab das mal im Modboard angesprochen, wie sinnvoll - oder nicht - das ist.
« Letzte Änderung: 09 December 2016, 21:44:51 von Viskey »
"There is no such thing as bad work, just unfinished work." - Eric Idle

Sana

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #8 am: 10 December 2016, 22:19:01 »
Ach was, ich hab Zeit und mache die 100 irgendwann schon noch  :devgrin:

merin

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #9 am: 11 December 2016, 09:49:43 »
Bist ja auf bestem Wege dahin.

Was mir beim Drübernachdenken aufgefallen ist: ich habe meine ersten Kapitel einfach so lange überarbeitet, bis ich eine Idee von meinen Protas hatte. Dann hab ich weitergeschrieben. Effektiv war das sicher nicht, aber es entspricht wohl am ehesten der Realität.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Trippelschritt

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #10 am: 11 December 2016, 12:03:10 »
Ich bereite meine Figuren sehr gut vor und lerne sie durch intensives Nachdenken und Fühlen kennen, bevor ich schreibe. Aber ich habe ja auch keinen Plot. Der entsteht aus den Figuren während des Schreibens. Typisch Bauchschreiber eben.

Liebe Grüße
Trippelschritt
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Sana

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #11 am: 16 December 2016, 21:18:36 »
Ich bin auch ein Bauchschreiber. Oft sind es nur einzelen Verse aus einem Song und es macht Pling!Und um diesen kleinen Vers muss ich dann erst langsam die Handlung bauen.
Die Fantasy an der ich mich gerade versuche ist auch nur entstanden, weil ich durch puren Zufalle einen medizinischen Bericht aufgeschnappt habe.
Und da ich obendrein auch noch ein Klischebrecher bin, ist Johannes ein relativ schwieriger Prota. Ich will ihm einfach keine tragische Vergangenheit anhängen, wie das oft der Fall in diesem Genre ist.
Im Moment überarbeite ich Johannes komepletten Lebenslauf nochmal. Auch deshalb, weil zuviel Infodump im ersten Kapitel kritisiert wurde.

Zauberfeder

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #12 am: 23 January 2017, 15:37:28 »
Ich brauche auch eher Zeit, um meine Charaktere kennenzulernen. Ich habe auch Zeit gebraucht, um meine Welt kennenzulernen. Anfangs dachte ich, ich wäre Bauchschreiber. Jetzt bin ich Planer, weil ich nur Mist damit verzapft habe, ABER ich habe in diesen weit über 1000 Normseiten meine Charaktere und meine Welt kennengelernt und auch wenn unendlich viele Seiten letztlich für den Papierkorb waren, habe ich doch meine Charaktere kennengelernt.

Manchen hilft es aber auch, Steckbriefe für sie zu schreiben. Ich dachte auch nie, dass das hilft, aber bei meinen RPG-Charakteren haben mir die Steckbriefe tatsächlich geholfen, sie kennenzulernen. Bei meinen Romanfiguren zwar nie, aber unter Umständen klappt so etwas auch. Wichtig ist eigentlich auch immer die Kindheit, finde ich, denn die prägt. Die Leute, mit denen dein Charakter zusammen war, wie er aufgewachsen ist usw. Wenn du das weißt, weißt du sicher auch schon einiges über den Charakter.

Oflinitrium

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Re: Die Prota von Beginn an Leben einhauchen, wie geht es am besten?
« Antwort #13 am: 27 March 2017, 14:19:45 »
Mhh mir ging... bzw. geht, es ähnlich nur andersherum.
Ich fühle mich am Anfang optimal in meine Charaktere rein und ab einem gewissen Punkt habe ich das Gefühl mehrere Figuren durcheinander zu wirbeln und bin unsicher was den Charakter, den ich gerade schreiben will ausmacht.
Mir persönlich hat dabei geholfen Szenen mit meinen Charakteren zu schreiben, die nichts mit dem eigentlichen Buch zu tun haben und diesen dabei zu interviewen. Dabei habe ich mich als Autor immer selbst integriert und so z.B. mit meinem Protagonisten einen Spaziergang gemacht, während ich ihn ausgefragt habe. Einen anderen Charakter habe ich in mein "Büro" eingeladen mit wieder einem anderen war ich unter anderem auf einem Dorffest, nachdem ich ihn darum gebeten habe mir seine Lieblingsorte zu zeigen etc. Im Grunde ist es wie mit der beobachtung von Tieren... man erfährt am meisten über sie, wenn man sie in ihrem natürlichen Lebensraum beobachtet.
Dabei ist es wichtig trotzdem detailliert zu schreiben (oder falls die Gedanken zu schnell werden zumindest detailliert zu denken) und darauf zu achten wie die Charaktere auf Fragen oder Eindrücke reagieren. Oft genug sagen 2 Charaktere fast das gleiche, unterscheiden sich aber in ihrer Reaktion weil z.B: Charakter A dabei die Nase rümpft.
Wenn Charaktere farblos wirken hilft es oftmals wenn man solche Details bemerkt und auch aufschreibt. Zwar schießt man dann gerade am Anfang auch gerne über das Ziel hinaus und man beschreibt jedes Muskelzucken, aber die Balance findet sich dann nach und nach.

Wichtig an diesem Prozess ist den Gedanken abzulegen einen Charakter zu "erschaffen". Er ist schon da und schlummert irgendwo in dir, du musst ihn nur noch treffen und auf ihn eingehen. Weg mit Fragen wie "was passt zu ihm" und stattdessen her mit Fragen wie "wer bist du? Was magst du? Beschreibe dich selbst in 5 Sätzen." und die Reaktion abwarten.

Ein guter Freund von mir macht es ähnlich, nur dass er sich selbst nicht integriert sondern einfach seine Figur in extreme oder alltägliche Situationen versetzt und schaut was passiert. Wenn er mit einer solchen Szene zufrieden ist, wird sie im Nachhinein auch oft in die Geschichte integriert.
Die Werke die ich am meisten liebe, sind gleichzeitig die, die ich am meisten kritisiere. Im Grunde ist es so, dass eine ausführliche Kritik meinerseits auch eine Anerkennung und ein Glückwunsch ist, denn wenn es einfach nur schlecht wäre, würde ich mir gar keine Gedanken darüber machen.