Hi Teufelchen
In meinem Romanprojekt ist es wichtig, dass die 17-jährige Protagonistin auch mal in die etwas angesagteren Clubs kommt. Die sind aber idR erst ab 18.
Dem organisieren eines entsprechenden Dokuments widmete ich genau einen Satz. Das hab ich jetzt geändert und würde gern wissen, wo noch Stolperfallen und Ungereimtheiten stecken.
Noch nicht ganz zufrieden bin ich mit der Sprachmelodie von Großtante Irmgard. Sie soll aus einer „besseren“ Familie stammen und sich auch so ausdrücken. Vielleicht hat jemand ein paar Vorschläge für ihren Dialogteil.
LG Mondstern
Neuerdings wurden sie alle blöd. Die Kasper vom Gemeinderat hatten nichts Besseres zu tun, als die Minderjährigen zu schikanieren. Das Ordnungsamt kontrollierte knallhart die Ausgangssperren und verhängte teure Geldstrafen bei Nichteinhaltung. Das hatte zur Folge, dass man so gut wie nirgends mehr ohne Ausweis rein kam.
Das war ein echtes Dilemma. Selbstbewusst zu versichern, dass man natürlich schon volljährig war, konnte man knicken.
Und einen gut gefälschten Ausweis bekam man auch nicht grad so um die Ecke. Mal von den rechtlichen Konsequenzen abgesehen, waren die Dinger auch jenseits meiner Gehaltsklasse. Es gab aber eine Alternative. Ein Studentenausweis. Für meine Zwecke würde der ausreichen, schließlich wollte ich kein Auto auf Raten kaufen, oder einen Kredit aufnehmen.
Die Shadows hatten ausgezeichnete Kontakte, aber die brauchten wirklich nicht alles zu wissen, zumindest nicht, solange ich noch eine andere Option hatte. Ich erinnerte mich an den Strippenzieher, der damals Claudias Schulbücher wieder eingebucht hatte. Zusammen mit den Puzzleteilen, die ich hier und da über ihn aufgeschnappt hatte, war das mein Mann.
Er war ziemlich überrascht, als ich mich mit ihm nachmittags am Stadtbrunnen treffen wollte.
„Woher weißt du das über mich?“, war seine erste Frage.
„Ich weiß viel, kommen wir ins Geschäft?“
„An mir liegt es nicht.“ Er kramte in seinem Geldbeutel, zeigte mir einen Studentenausweis. Seinen Ausweis.
„Sieht ziemlich echt aus, soweit ich das beurteilen kann.“
„Der ist es auch.“
„Cool. Wie kommst da dran?“
„Betriebsgeheimnis.“
„Ich brauche zwei. Hier die Daten.“ Ich reichte ihm einen Zettel und zwei Passbilder.
„Gut. Das wird aber nicht billig.“
„Okay, wie viel?“
„Eine Hand wäscht die andere“, sagte er.
„Was du dafür willst, Mann?“
„Sagte ich doch. Ich tue dir einen Gefallen, du mir“, begann er, und trug mir seinen Wunsch vor.
Ich war einen Moment sprachlos. „Ist das dein Ernst? Zu einer Familienfeier bei deiner Großtante?“
„Korrekt. Am Freitagabend. Und Mitte der Woche sind die Ausweise fertig.“
„Vergiss es, Mann.“
„Freies Essen, freie Getränke.“
„Nein.“
„Plus 50 … 100 Mark.“
Ich schaute ihn skeptisch an. „Von wann bis wann geht diese Feier?“
„Wir fahren gegen 17 Uhr los, sind dann um 22 Uhr wieder hier. Spätestens.“
„Und was sind da für Leute?“
„Nur Verwandtschaft und Bekannte meiner Tante.“
„Ein Hunnie und die Ausweise?“
„Korrekt. Abgemacht?“
„Langsam, Wolle. Kommt auf deine Antwort an. Wieso?“
„Ich will es mal meinen arroganten Cousins zeigen.“
„Was zeigen?“
„Was wohl? Ich will da mit meiner heißen Freundin angeben. Die werden grün vor Neid.“
„Was sind das für Gestalten?“
„Totale Kotzbrocken. Gegen die bin ich cool. Und bedenke, es gibt jede Menge zu essen.“
Ob er mich grad mit einem Nilpferd verwechselt hatte? Oder einfach nur ein hoffnungsloser Fall war? „Super, kann ich meine Tubaschüsseln mitbringen?“
Wieder dieses seltsame hohe Lachen.
„Okay. Aber wenn du mich antatschst, brech ich dir die Nase.“
„Einverstanden.“
„Was gibt’s da so dumm zu grinsen?“
„Gebrochene Nase wär’s schon wert.“
Ich verdrehte die Augen.
„Hast du was Heißes zum Anziehen?“
„Nein Wolle, ich trag bei offiziellen Anlässen immer einen Kartoffelsack.“
Er lachte blöd. „Dann abgemacht?“
***
Dank meiner auf großem Fuß lebenden Schwester hatte ich einige infrage kommende Outfits in petto. Mir war auch gleich klar, welches ich davon anziehen würde. Trotzdem probierte ich alle anderen vorsichtshalber auch mal an. Nicht wirklich rational zu erklären, wohl eine Frage der Chromosomenverbindungen.
Wolfram holte mich am Freitagnachmittag pünktlich zu Hause ab. Im Prinzip. Eigentlich holten mich seine Eltern ab, und er hockte auf der Rückbank des Opels.
„Doch“, flüsterte er mir zu. „Ich bin mir sicher, dass ich es gesagt habe. Ich hab ja auch noch keinen Führerschein.“
Es waren immer die Details, in denen der Teufel steckte.
„Sie sind bei Wolfram in der Klasse?“, fragte seine Mutter.
„Äh .. ja.“
„Wusstest du das, Wolfram?“
„Nein“, grummelte der Fahrer.
„Ihr Mann heißt auch Wolfram?“, fragte ich nach.
„Ja, nach seinem Vater.“
„Wie traditionell.“
Ich beantwortete brav die weiteren 64 Fragen seiner Mutter. Sein Vater motzte die ganze Zeit nur über die anderen Verkehrsteilnehmer. ’Hornochse’ wechselte sich regelmäßig mit ’Führerschein im Lotto gewonnen’ ab. Nach einer guten Stunde waren wir endlich am Ziel.
Ein zweigeschossiges Anwesen aus der Jahrhundertwende. Mit viel Liebe und noch mehr Geld in den damaligen Neuzustand zurückgebaut worden, ließ ich mir erzählen. Überall parkten Autos der gehobenen Mittelklasse und höher.
Auf dem Rasen vor dem Haus standen Pavillons, Dutzende Tische, Stühle und Sonnenschirme. Alles in Weiß.
Ein Cateringservice kümmerte sich um die zahlreichen Gäste. So viele stocksteife Mumien hatte ich nicht einmal im Altersheim gesehen.
Wolfram bestand darauf, mir jeden Baum und Busch zu zeigen, so, dass uns auch ja jeder Anwesende dabei sehen musste.
„Gefällt’s dir hier?“
„Ja, geil. Ich spiele mit dem Gedanken, mir auch so eine Bleibe zuzulegen.“
„Das ist einer meiner Cousins.“ Wolfram zeige durch ein kurzes Kopfnicken zu einem Typen, der schnurstracks auf uns zukam. Der etwa 20-jährige Rotschopf, in feinsten Zwirn gehüllt, winkte.
„Wolfram, alter Cowboy. Kommst du direkt vom Rodeo, oder bist du auf einem Esel hergeritten.“
„Ha Ha Ha.“
So ganz unrecht hatte der Cousin ja nicht. Das dunkelgrüne, mit Fransen besetzte Westernhemd, spottete jeder Beschreibung.
„Wer ist denn deine zauberhafte Begleitung?“
Jetzt blühte mein Begleiter richtig auf, stellte uns vor, erwähnte etwa 16-mal, dass es zwischen uns gefunkt hätte und ich seine neue Freundin war.
Ich kam mir vor, wie in einer schlechten TV-Soap. Der Rothaarige blieb skeptisch, hörte jedoch weiter zu und musterte mich nebenbei von oben bis unten. Das verbale Loblied auf meine Person endete dann abrupt, als Wolles Mutter ihn herrief, damit der Sohnemann einige Leute begrüßen könnte.
„Wie viel bezahlt Wolfram dir?“, fragte der Cousin, kaum war mein Begleiter ein paar Meter weg.
„Bitte?“
„Komm schon, ich bin nicht blöd. Der Loser und so ein Gerät wie du. Also, wie viel?“
„Wenn du nicht wirklich blöd bist, wüsstest du, dass man nicht über Klienten redet.“
Er lachte abfällig. „Klienten? Interessante Bezeichnung. Ich will dich … buchen. Jetzt.“
Ich schaute ihn verdutzt an, stand voll auf der Leitung.
„Du bist eine Professionelle und ich … ein Klient. Und ich will dich.“
Für diese Art Konversation fehlten mir eindeutig männliche Schaltkreise im Kopf. Ich vermied es aber immerhin, ihm einfach die Handkante auf sein spitzes Kinn zu donnern. Alle würden nur blöd gucken und ich wäre wieder die Böse.
„Wie viel drückt Wolfram ab, sag schon.“
„Lass es mich so sagen, verschwind du kleiner Wichser.“
An meiner Schlagfertigkeit musste ich noch feilen. Eventuell auch auf zusätzlichen Kosenamen verzichten, oder zumindest andere verwenden. Aber damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.
„Der hatte es aber eilig“, meinte Wolfram und sah seinem Cousin hinterher.
„Du hattest Recht, der Typ ist ein arroganter Arsch.“
„Sagte ich doch. Da, auf der Veranda, das ist meine Großtante. Lass sie uns begrüßen.“
Wir schlenderten rüber, schüttelten etliche Hände, tauschten Höflichkeiten aus und alte Männer machten mir Komplimente, wenn die bessere Hälfte gerade nicht hinhörte. Ich war froh, als es Essen gab und sich alle aufs Buffet stürzten.
Ich zündete mir eine Zigarette an und beobachte den Kampf um die besten Stücke.
„Ich verrate Ihnen ein kleines Familiengeheimnis, wir tun nur so, als ob wir uns leiden können.“
„Okay. Das ist ja richtig nett.“
Sie schmunzelte. „Allerdings. Was hat Ihnen Wolfram Junior denn für das Arrangement bezahlt?“
Ich verdrehte die Augen. Eindeutig eine Familienkrankheit. „Am Nettsein müssen sie aber noch arbeiten.“
Großtante schmunzelte immer noch. „Ach Schätzchen, Sie sind so goldig naiv.“
„Vielen Dank.“
Jetzt lachte sie. „Diese ganzen Heuchler hier lieben mich über alles. Ich erspare Ihnen die langweiligen Verwandtschaftskonstellationen, aber wenn Sie Geld haben, brauchen Sie nicht nett zu sein. Das ist so, solange ich lebe.“
„Das wird dann bestimmt eine fröhliche Beerdigung.“
Sie schaute mit entgeistert an, ich zwinkerte, und sie lachte los.
„Sie gefallen mir, Schätzchen. Ich würde die Hälfte meines Vermögens dafür geben, wenn ich das sehen könnte.“
„Glaub ich, aber Geld ist halt doch nicht alles.“
„Natürlich nicht. Ich bin alt, nicht senil. Wollen Sie mir einen Dienst erweisen?“
„Wieso sollte ich?“
„Weil ich Sie dafür bezahlen werde.“
„Wie sie ja schon scharfsinnig angedeutet haben, arbeite ich schon für jemanden.“
„Jetzt aber. Sie sind doch multitaskingfähig. Und ein wenig zusätzliches Taschengeld ist nie zu verachten. Es ist moralisch nicht ganz einwandfrei, aber ich versichere Ihnen, die Delinquenten haben es redlich verdient.“
Ich hatte keine Ahnung, was die alte Frau im Schilde führte, aber meine Neugier war geweckt.
„Nur mal angenommen, ich spiele mit. Was für ein Spiel?“
„Eine kleine List, die ich Ihnen absolut zutraue. Ein Spaß für mich, und eine Demütigung für meine gierigen und inkompetenten Neffen.“
„Okay. Weiter.“
Sie zeigte in die Lobby. „Sehen Sie die Zwei dort hinten am Flügel? Wie sie den teuren Champagner trinken, den sie nicht von Essig unterscheiden können?“
„Die beiden gestriegelten Affen?“
„Genau die. Ich stelle mir Folgendes vor …“
Großtante flüsterte mir ihren perfiden Plan ins Ohr und grinste dann übers ganze Gesicht.
„Echt jetzt? Sie sind schon ein kleines Biest.“
„Also, Schätzchen?“
„Wie wenig soll ein wenig Taschengeld sein?“
„Hundert Mark. Steuerfrei.“
Ich lachte. „Jetzt sind Sie aber naiv, Großtante Irmgard.“ Ich wollte schon weiterziehen.
„Warten Sie. Geben Sie immer so schnell auf? Ich biete hundertfünfzig.“
„Fünfhundert.“
„Zweihundert.“
„Vierhundert und drei Flaschen von der Luxusbrause.“
Sie schaute mich argwöhnisch an. „Meine Möbel darf ich aber behalten.“
„Was ist denn der Flügel wert?“
„Mein Schimmel? Keine Ahnung. Ich glaube, ich habe 60 Tausend dafür bezahlt.“
„Wow. Man gönnt sich ja sonst nichts. Den würde ich nehmen.“
„Können Sie spielen?“
„Ich kann ihn verkaufen.“
Sie schmunzelte wieder. „Ich denke, meinen Schimmel werde ich behalten.“
„Ein weißer Schimmel, ein Pleonasmus.“
„Sie sind gebildet.“
„Und ich seh gut aus.“ Ich zwinkerte.
Tantchen musterte mich. „Ja, das tun Sie. Sie erinnern mich an meine Jugendzeit. Ich war 18 Jahre alt und wollte unbedingt reich werden. Ich hatte zwei Jobs und kellnerte zusätzlich jeden Abend.“
„Hat ja geklappt.“
„Ja, die härtesten sechs Monate meines Lebens.“
„Und dann haben Sie einen Millionär kennengelernt und geheiratet.“
„Jetzt haben Sie mir die Pointe verdorben.“
„Sorry.“
Sie grinste, ich lächelte zurück.
„Unterhaltet ihr euch gut, Tante?“ Wolfram erschien aus dem off.
„Junge, dieses Hemd ist fürchterlich.“
„Sagt Anja auch. Ich finde es toll.“
Wir schauten uns an und schüttelten nur den Kopf.
„Mein Gutester, hole mir doch noch einen Cocktail und für deine süße kleine Freundin …?“
„Ein Cola, mit Eiswürfeln.“
Er huschte los.
„Meine Neffen starren Sie an“, flüsterte Großtante. „Nicht hinschauen.“
„Die stellen sich grad vor, wie ich nackt aussehe.“
Sie prustete los. „Wie in aller Welt kommen Sie denn darauf?“
„Ich bin mit zwei älteren Brüdern und ihren Kumpels aufgewachsen.“
„Das blieb mir, Gott sei gedankt, erspart.“
„Was ist jetzt mit dem Deal?“, erinnerte ich sie. „Oder muss ich Ihr Tafelsilber einstecken?“
„Das liegt sicher verschlossen im Schrank.“
„Clever.“
„Ich sagte doch, ich kenne meine Pappenheimer. Zum Geschäftlichen: Ich bezahle Ihnen zweihundert Mark, verdoppele die Summe bei Erfolg. Und – um Gottes willen – diese drei Flaschen Champagner.“
Ich wiegte den Kopf leicht hin und her. Ein unerwarteter Geldsegen würde meinem Sparstrumpf sicherlich ganz gut tun.
„Okay, akzeptiert. Allerdings will ich die Zwei erst abchecken.“
„Sie wollen was?“
„Ich verschaffe mir ein Bild, ob die das verdienen oder nicht.“ Bei einem hatte ich mir ja schon ein Urteil bilden können.
„Einverstanden.“ Sie winkte zum Flügel, die beiden kamen näher und das Spiel begann.
Im selben Moment kam Wolle mit den Getränken zurück.
„Was soll das denn?“, fragte er mich leise.
„Wir wollen die doch eifersüchtig machen, oder?“ Ich hakte bei ihm ein, er grinste zufrieden.
Der andere Neffe überzeugte mich auch in kürzester Zeit. Zwei überhebliche, dummschwätzende Misanthropen in teuren Anzügen, die Mama und Papa bezahlt hatten. Kleider machen noch lange keine Leute, sofern diese den Mund aufmachen. Entfernt erinnerten die Zwei mich an die Lausbuben von Wilhelm Busch, also nannte ich sie insgeheim auch so. Der mit den hochtoupierten schwarzen Haaren war Max, der Rotschopf mit dem spitzen Kinn sein Kumpel Moritz.
Ich rückte Wolfram ins richtige Licht und machte nebenher den Neffen schöne Augen. Allerdings so, dass es keiner der anderen mitkriegte. Ich ließ durchsickern, dass Wolfram lediglich ein Freund war … nicht mehr. Max war ein unangenehmer Grapscher und schon im roten Bereich. Moritz ließ ich wissen, dass ich voll auf Rothaarige abfuhr.
Die Saat ging schnell auf. Dieser langweilige Empfang könnte doch noch ganz lustig werden. Zumindest für ein paar von uns.
„Streuen Sie besser Salz auf den Boden, sonst rutscht jemand auf den Schleimspuren ihrer Neffen aus. Und … ich finde ihren bösen Plan jetzt gar nicht mehr so fies.“
„Dann legen Sie los, Schätzchen. So aufgeregt war ich seit Ostern 74 nicht mehr.“
Tantchen sorgte dafür, dass Wolle Junior bei Verwandten fest hing, und lenkte Moritz ab. Jetzt wurde es ernst.
„Ich kenne ein leer stehendes Zimmer, da sind wir ungestört“, flüsterte ich zu Mondgesicht Max. Das vom vielen Schampus schon vernebelte Gehirn regierte wie erwartet. Brav folgte er mir wie ein Lamm zur Schlachtbank. Dank Tante Irmgards Beschreibung fand ich die ehemaligen Dienstmädchenzimmer im ersten Stock auf Anhieb.
„Ich ließ den Rollladen runter. „Wir müssen uns beeilen. Zieh dich aus. Alles.“
Völlig willenlos folgte er meinem Wunsch. Ich stopfte seine Klamotten in einen rumliegenden Kopfkissenbezug. Max sah zu, registrierte es aber nicht wirklich. Nackt stand er mitten im Raum und freute sich, mich zu sehen.
„Ich bin gleich zurück, nicht ohne mich anfangen.“
Das war der erste Streich, und der zweite folgt zugleich.
Ich bunkerte die Sachen, wie vereinbart, in einer kleinen Besenkammer und eilte zur Lobby zurück. Auf der Treppe blieb ich stehen. Moritz wartete schon ungeduldig und kam sofort hergelaufen. Er streckte mir Geld entgegen.
„Nicht zu auffällig, Mann.“ Ich steckte den Schein ein. „Ich dachte, du willst das volle Programm?“
„Oh ja, will ich.“
Ich rieb mit dem Zeigefinger am Daumen. Immerhin verstand er ohne weitere Erklärung das Zeichen und besserte deutlich nach.
„Wo willst du hin?“
„Ich hab einen guten Platz entdeckt“. Ich lief los, er hinterher. Kurz vor dem Ziel fasste er an meine Schulter.
„Ich will es lieber in meinem Auto machen.“
„Geile Idee. Das machen wir später, wenn es schön dunkel ist.“ So ganz angetan war er von meinem Vorschlag aber nicht. „Ich verstehe“, säuselte ich. „Du stehst auf Risiko. Es ist geil im Auto …, stimmt’s?“
Er grinste, und mir war klar, das „Böseste“ was er bisher im Auto gemacht hatte, war loszufahren und sich erst nach zehn Metern anzuschnallen.
„Wir poppen erst im Zimmer und nachher noch mal in deinem Auto. Wenn du gut bist … gratis.“ Das Schnäppchenangebot überzeugte ihn. „Zieh dich aus.“
„Und du?“
„Ich schau dir dabei zu, das macht mich heiß.“
Auch seine Klamotten sammelte ich auf.
„Was machst du?“
„Lass dich überraschen, das hier ist ein ehemaliges Dienstmädchenzimmer. Du bist der gnädige Herr und ich werde gleich an die Tür klopfen.“
Max freute sich wie sein Namensvetter beim Ansägen der Holzbrücke vor Schneider Böcks Haus.
„Hoffentlich steht er auch nachher noch so schön.“
Der kleine Frauenverächter war Opfer seiner Triebe geworden. Ich bat um fünf Minuten Geduld und verließ das Zimmer. Seine Kleider warf ich zu denen von Max. Schnell eilte ich zurück in die Lobby.
Das war der zweite Streich, und das Finale folgt zugleich. Aber das war Tantchens Part. Sie wartete schon startbereit mit einer Gruppe alter Ladys, um die versprochene Besichtigung der renovierten Dienstbotenzimmer vorzunehmen.
„Wo warst du denn? Ich hab dich überall gesucht.“ Wolfram war etwas zickig.
„Ich war hier“, zischte ich zurück. „Hab mich gelangweilt und gewartet, bis der gnädige Herr seine Tratschrunde endlich beendet.“
„Oh, entschuldige. Wollen wir was essen?“
„Gern.“ Ich hörte noch einen spitzen Schrei, dann lautes Gelächter.
Während Wolfram ein Steak reinzog, entschied ich mich für Merguez und Nudelsalat. Nach einer Viertelstunde erschien Irmgards Mädchengang – immer noch kichernd und kopfschüttelnd – auf der Veranda. Da standen sie auch noch eine ganze Weile beisammen und hatten wohl nur ein Thema.
Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit stellte ich mich unauffällig neben die Großtante. „Ich vermute, Sie hatten großen Spaß.“
Sie schmunzelte. „Besser, als ich es mir ausgemalt hatte, Schätzchen. Unseren … wie sagten Sie … Deal, haben Sie mit Bravour gemeistert.“
„Die Gesichter der beiden hätte ich gern gesehen.“
„Göttlich sag ich Ihnen, einfach göttlich. Die standen da wie die Ölgötzen, mit hochrotem Kopf und …“ Sie kam näher und flüsterte: „Beide sollen einen erigierten Penis gehabt haben.“
„Dann hatten ihre Freundinnen ja das volle Programm.“
Sie gluckste und nickte heftig. „Das wird das Hauptthema beim nächsten Bridgeabend, ach was sage ich, für alle Zeiten.“
Wolfram kam angedackelt. „Vater will jetzt fahren, Mutter lässt sich noch Kuchen einpacken. Willst du auch welchen mitnehmen?“
Ich lehnte dankend ab, bekam aber dennoch eine Pappendeckelschale für acht Personen gerichtet.
Ich verabschiedete mich von der Gastgeberin und erinnerte sie noch an eine Kleinigkeit.
Sie winkte ab. „Längst erledigt. Ich habe Ihnen einen Karton Champagner ins Auto stellen lassen. Dort finden Sie auch einen Scheck über das vereinbarte Honorar. Und da Sie ja gerne Sachen verkaufen, noch einen kleinen Extrabonus.“
Minuten später hockte ich in der Familienkutsche und war in Richtung Heimat unterwegs. Während sein Vater nahezu alles und jeden mit nervigen Kommentaren bedachte, erzählte seine Mutter pausenlos von der netten Verwandtschaft. Mir bluteten die Ohren, als wir dann endlich vor der Scheune standen. Ich verabschiedete mich schnell, Wolle trug noch den Schampus und die Plastiktüte ins Haus. Sein Vater hupte schon, und er machte sich schnell wieder in den Kombi.
Es war kurz vor 21 Uhr und herrlich ruhig. Ich sprang erst mal aus dem kurzen Schwarzen und unter die Dusche. Erfrischt gönnte ich mir einen Kaffee. In ein Frotteehandtuch gehüllt, fiel mein Blick auf die Plastiktüte an der Garderobe. Neugierig holte ich sie und musste lachen. Die Anzüge von Max und Moritz. Hat schon einen ziemlich schrägen Humor, das Großtantchen.
Das Telefon läutete. Petra war dran. „Ich wollte schauen, ob du schon daheim bist. Wie war’s?“
„Stinklangweilig“, sagte ich.
Sie lachte. „Wie erwartet. Wir wollen noch ins Jugendhaus. Da läuft Livemusik. Sollen wir dich abholen?“
„Klar, bis gleich.“