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Woodrell, Daniel: Der Tod von Sweet Mister

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Fabian:
Ich habe gerade "Der Tod von Sweet Mister" von Daniel Woodrell beendet.

Was soll ich sagen? Gut wie immer.

Er geht sehr konsequent mit seinem Stoff um. Eine schnörkellos erzählte Coming-of-age-Geschichte, angesiedelt im Süden der USA, in den Ozarks im Milieu des White Trash. Keine zynische Distanz, ein unsentimentaler Blick auf eine Welt der brutalen Verlierer, Opfer und Täter in einem.
Und: keine Hoffnung, keine Rettung, nichts heldenhaftes. Die Brutalität zeugt sich fort und fort. Der Prota geht nicht unter, er zerbricht und steht wieder auf als Inkarnation dessen, was ihn zerbrochen hat.

Woodrell hat das Thema des versuchten Ausbruchs aus diesen Verhältnissen mehrfach erzählerisch variiert (z.B. in "Tomato Red" und in "Winters Knochen"). Solange sich seine Protagonisten unverschuldet im Inneren dieser Blase befinden (die sie als solche meist nicht einmal erkennen können), scheitern sie auf fast schicksalhafte, tragische Weise.
Woodrell erzählt konsequent aus der Perspektive der Protagonisten und macht so deren Scheitern auf schmerzhafte Weise plausibel.
Veränderung oder Entwicklung im positiven Sinne ist ohne Berührung mit alternativen Anstößen von außen nur schwer vorstellbar.

Erst in seinem Roman "In Alma's Augen" weitet er die Perspektive deutlich. Er behandelt immer noch den gleichen Stoff, erzählt aber von verschiedenen Standpunkten aus, wechselt die Zeitebenen und gibt so auch dem Leser die Möglichkeit, eine komplexere Vorstellung zu entwickeln.

In erster Linie sind das spannend erzählte Geschichten von einer erfrischenden Kürze, daneben aber auch  Beispiele dafür, wie durch den gekonnten (und konsequenten) Einsatz erzählerischer Mittel der Blick des Autors auf seinen Stoff beim Leser induziert wird.

merin:
Es ist also ein sehr düsterer Text? So ganz habe ich nicht verstanden, was daran dich fasziniert.

Fabian:

--- Zitat von: merin am 28 October 2017, 22:37:19 ---Es ist also ein sehr düsterer Text? So ganz habe ich nicht verstanden, was daran dich fasziniert.

--- Ende Zitat ---
Wie kommst du auf fasziniert?
Eigentlich ist es kein düsterer Text. Woodrell erzählt relativ kühl, er klatscht keine stilistische oder moralische Tünche über seinen Stoff, er dramatisiert nicht übermäßig. Das ist ein sehr kunstvoll bescheidenes Erzählen (im Sinne von zurückhaltend), dass sich nicht in den Vordergrund drängt und Raum lässt, Handlung und Stoff wirken zu lassen. Woodrell bereitet das Tableau, das Urteilen überlässt er dem Leser. Meiner Meinung nach erzählt er von düsteren Verhältnissen.
Woodrell bleibt dabei konsequent bei seinem Prota, dem heranwachsenden Jugendlichen, und in dessen eingeschränkt subjektive Perspektive zwingt er so auch den Leser. Der muss/kann zum Schluss die Metamorphose des Prota be- oder auch ver-urteilen, ganz wie er will, und ist genau deshalb durch den Text auch auf sich selbst, auf die Beurteilung der eigenen Maßstäbe verwiesen.

merin:
Ich nahm an, Du möchtest das Buch empfehlen, weil es dich irgendwie stark bewegt oder eben fasziniert hat. War vielleicht eine Fehlannahme.

Fabian:

--- Zitat von: merin am 29 October 2017, 13:28:23 ---Ich nahm an, Du möchtest das Buch empfehlen, weil es dich irgendwie stark bewegt oder eben fasziniert hat. War vielleicht eine Fehlannahme.

--- Ende Zitat ---
Ganz und gar keine Fehlannahme.
Ich müsste schon sehr wenig Empathie besitzen, wenn mich diese Geschichte nicht auch innerlich bewegt hätte. Aber wäre dieser Aufruhr, in den sie mich versetzt hat, ein wichtiger, mitteilenswerter Ansporn, das Buch zu lesen?
Wichtiger noch als die Aspekte, die ich versuchte, herauszustellen? War alles Erwähnte nichtssagend, unverständlich, demotivierend? Du verunsicherst mich.

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