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Salamander:
Habe gerade "Metropol" von Eugen Ruge beendet und bin so beeindruckt, dass ich es auch hier lassen muss.
Es geht um die Geschichte seiner Großmutter (Ruges), die um 1936 einige Jahre freiwillig in Moskau lebte, um das Erleben der Säuberungen unter Stalin.
Das klingt jetzt eher abschreckend, aber die Erzählgewalt Ruges ist echt enorm.
Es gibt drei Erzählperspektiven, die der Großmutter, die einer Freundin/Bekannten und die des obersten Richters. Er geht ganz tief in das Leben Einzelner (Ruge :biggrin:, aber der Richter auch, vor allem in das der Frauen!). Das Verweben privater und öffentlicher Probleme. Auch die Schilderung der Örtlichkeiten. Wow, sag ich nur.

merin:
Ich habe "Hannahs Töchter" von Marianne Fredriksson gelesen. Das fand ich unterhaltsam und anregend, aber stellenweise kitschig. Der Roman schildert das Leben von drei Frauen (Oma, Mutter, Tochter) in Schweden. Was gut gelingt ist, das Alltagsleben und das Funktionieren der Gesellschaft in den verschiedenen Zeiten lebendig werden zu lassen. Was mir zu wenig ist, sind Einblicke darin, wie die Frauen gedacht haben. Die Oma bleibt einem immer irgendwie fremd und das ist schade. Bei der gibt es auch am meisten Kitsch, für mich ist das einerseits sprachlicher Kitsch, vor allem aber Kitsch, der entsteht, wenn nicht genau beschrieben wird, was empfunden wird. Was ich sehr mochte ist, dass es Fredriksson gelingt, die teilweise bedrückende Geschichte mit Leichtigkeit und Spannung zu erzählen. Und sie schaut mit einem freundlichen Blick auf ihre Protagonistinnen.

Spannend an diesem Buch ist für mich auch, wie oft die Autorin eben nicht zeigt, sondern einfach behauptet. Und dass es aber trotzdem gut zu lesen ist. Da stehen dann so Sachen wie "Lovisa war bigott." Oder "Sie wurde rot, hörte aber, daß Scherzhaftigkeit in den Worten lag." Und man kauft das einfach ab. Würde mich mal interessieren, wieso das auch gut funktioniert.

Meine nächste Lektüre war "Der Vorleser" von Bernhard Schlink. Das ist ein ganz anderer Text, schwer, sehr mit inneren Prozessen des Protas beschäftigt, teilweise lyrisch in der Sprache. Inhaltlich geht es um einen Jungen, der in den 1950ern mit 15 zur Geliebten einer Frau wird, der er später wiederbegegnet und die sich als ehemalige KZ-Wärterin erweist. Es geht um die Frage von Schuld, aber auch um Beziehung. Dabei wird für mich die Hauptfrage, nämlich inwiefern sie an ihm schuldig geworden ist, ihn benutzt hat, nie gestellt - zieht sich aber durch das gesamte Buch. Dieses Buch ist wesentlich schwerere Kost als "Hannahs Töchter" eignete sich für mich aber auch gut als Urlaubslektüre. Stellenweise waren es mir zu viele Beschreibungen, aber ich mochte die Art, wie der Erzähler um Wahrheit ringt, sich sich selbst und der Handlung annähert. Das hat viel Tiefe und ist stellenweise sehr dicht. Und es sind viele Kleinigkeiten wahnsinnig gut beobachtet und beschrieben.

Trippelschritt:
Ich lese im Augenblick zum zweiten Mal die Krimis von Harry Bingham über Fiona Griffith, eine kleine Kriminalbeamtin aus und in Wales. Sie hat allergrößte Schwierigkeiten, ein normales Leben zu führen, aber kommt mit Toten hervorragend aus.
Ich lese ja selten Krimis oder Thriller. Damit sie mich begeistern können, brauchen sie interessante Figuren, denen ich selbst dann emotional nicht von der Pelle weiche. Und auch dieser Autor benutzt die Ich-Perspektive.

Liebe Grüße
Trippelschritt

merin:
Erinnert mich an Mops, diese Beschreibung.  :cheer:

eska:
Ich habe in letzter Zeit mehrere interessante Bücher gelesen, die ich euch empfehlen kann:

1.Yasmina Khadra, Die Sirenen von Bagdad.
Erzählt die Entwicklung eines jungen Beduinen vom Literaturstudenten zum Selbstmordattentäter. Viel Trauriges, viel Menschenliebe, viele eindringliche Bilder.

2.Die Wölfe-Trilogie von Hilary Mantel.
Über Thomas Cromwell, den obersten Berater Heinrichs VIII., der aus einfachsten Verhältnissen kommt, aber als einer von wenigen seinen wankelmütigen König zu leiten versteht, möglichst zum Wohle des gesamten Volkes, wie er (Cromwell) es sieht. Sehr spannend, sehr dicht, historisch überzeugend (für mich als Laiin).

3.Das geraubte Leben des Waisenjungen Jun Do, von Adam Johnson
Bin noch mittendrin, fasziniert, entsetzt (über die geschilderten Zustände, spielt in Nordkorea) und hilflos auf das bleibende Positive wartend, das der Einband-Text verspricht, aber bis spätnachts gefangen in der Geschichte. Nicht Menschliches ist ihr fremd, aber scheinbar auch nichts Unmenschliches. Ein bedauernswerter, erschreckender und dazwischen doch immer wieder liebenswerter Protagonist. Wie ihr merkt, bin ich etwas durcheinander. Aber das ist gewollt.

4.Navid Kermani: Sozusagen Paris. Habe ich sehr genossen. Ein Autor trifft bei einer Lesung seines neuesten Romans über seine Jugendliebe eben diese wieder - und erkennt sie nicht. In der darauffolgenden Nacht erfährt er eine ganze Menge über sie. Besonders seine dazwischengestreuten Reflexionen über sein Schreiben (z.B. die aufblitzenden Ideen, wie er das, was sie gerade erleben, wohl später darstellen wird) gefielen mir, auch viele Reminiszenzen an die französische Romanliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

5.Amos Oz: Judas. Langsames, eindringliches Buch über einen jungen Mann in Jerusalem, der einen neuen Weg für sein weiteres Leben sucht, als seine Freundin ihn verlässt und er seine Studien aus Geldmangel abbrechen muss, der sich dabei in eine deutlich ältere faszinierende Frau verliebt.

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