28 March 2024, 15:57:27

Autor Thema: LM Steinhuder Meer  (Gelesen 3490 mal)

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Paradieseule

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LM Steinhuder Meer
« am: 08 May 2019, 17:50:04 »
Folgendes möchte ich vorausschicken:

Ich beginne mit einer Szene (siehe Teufelsrost) und versuche dem Leser erstmals nur ein Bild zu übermitteln. (Bild ist - denke ich - klar) Von dieser Situation aus, schreibe ich die Geschichte weiter und beginne dann ab dem 3. Kapitel in die Vergangenheit zu gehen: Was geschah davor. Abwechselnd verfolge ich Gegenwart (aktuelles Geschehen) und Vergangenheit.

… um den Faden zu finden.
LM macht mit ihren Freunden einen Wochen-Endausflug inkl. Camping zum Steinhuder Meer. Mona und LM waren baden und fahren jetzt zurück.

(...) Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstatt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück. Fahrradklingeln geboten uns Platz zu machen für die, die es eilig hatten oder dem sportlichen Eifer frönten. Einige Meter vor mir tauchte eine Entenfamilie auf. Mutter Ente mit ihren Kindern. Fünf niedliche Entenkinder watschelten Mama hinterher! Ich hörte, wie von hinten schnell rollende Fahrräder herannahten. Ich bremste ab und stellte, wie ein Schutzengel für Enten, mein Fahrrad quer zur Fahrtrichtung. Bevor ich mir über die Konsequenzen meiner spontanen Reaktion überhaupt klar wurde, hörte ich Bremsen quietschen und Ausrufe, die nicht gerade schmeichelhaft waren. Meine Wahrnehmung konzentrierte sich auf ein durch die Luft fliegendes Fahrrad, dem der zuvor darauf sitzende Radfahrer unmittelbar folgte. Ein „Ach, du liebe Scheiße“, durchfuhr mich. Vielleicht beruhigte mich der Anblick des Fahrradhelmes oder des perfekten Outfits. Vielleicht war es auch das sanfte Schulterklopfen des fliegenden Radlers angehörigen Schutzengels, denn als der Mann schließlich in einem weichen, moorigen Tümpel landete, musste ich lauthals lachen. Entgeistert blickten mich alle Beteiligten an, nicht zuletzt auch der Mann im Tümpel, der sich schwarzen Schlamm aus dem Gesicht wischte.
„Oh“, stammelte ich, während ich mich weiter vor Lachen schütteln musste. Außer meinem Lachen herrschte Stille am Radweg. Die beiden anderen Radler hatten rechtzeitig ihr Bremsmanöver unbeschadet eingeleitet und starrten, wie Kinder, die zum ersten Mal den Weihnachtsmann sahen, auf das Geschehen.
Schnurstracks watete ich in den Ententümpel.
„Ich bin Lisa-Maria“, sagte ich und streckte dem im Morast sitzenden Mann meine Hand entgegen. Er sah mich mit großen ungläubigen Augen an. Auch wenn ich mich nicht umdrehte, spürte ich die Spannung seiner Begleiter knistern. Er nahm seinen Helm und seine Fahrradbrille ab und fixierte mich, während ich mich vor Lachen schüttelte. Schließlich stand er auf und ergriff meine Hand.
„Freut mich dich kennenzulernen. Ich bin Karl-Heinz“, sagte er tonlos und mit ausdrucksleerer Mimik.
Er hielt meine Hand fest, während schlammiges Moor zwischen unseren Fingern klebte und nach unten tropfte. Er löste den Händedruck und sah auf seine Hand.
„Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung.“
Mit einem süffisanten Gesichtsausdruck warf er mir ein Lächeln zu. Wie nach einem glücklich verlaufenden Lawinenabgang brach sämtliche Anspannung und ein Chor aus schallendem Gelächter stürzte über uns alle herein.
Auch wenn ich noch die ganze Zeit über lachen musste, tat mir die Sache leid.
„Es …, es tut mir leid“, stammelte ich, während wir beide aus dem Ententümpel wateten. Es tat mir auch leid, was er als Neugeborener verbrochen hatte, um so einen Namen zu bekommen zu haben. Ich zog vom Gepäckträger mein festgeklemmtes gelbes Badehandtuch hervor und reichte es Karl-Heinz.
„Entschuldigung. Ich wollte das nicht. Ist alles in Ordnung?“
Vom größten Schlamm befreit, sah er jetzt wesentlich manierlicher aus.
„Danke. Alles bestens. Es geht nichts über ein erfrischendes Bad“, meinte er trocken und verzog keine Miene. Ein Volltreffer: Sein Name war Programm. Tonlos, nüchtern und wenig aufregend.
„Nein“, wehrte ich ab, während er mir das Handtuch zurückreichen wollte.
„Ich darf es behalten?“
Er und sah mich von oben bis unten musternd an.
„Nein! Doch … aber …“
Ich nahm einen Zipfel des Tuches und wischte damit über sein Ohr, indem noch Moor klebte. Noch immer scannten mich seinen Augen, als ob ich von einem anderen Stern wäre.
„Ich …“, stammelte ich, während mich erneut ein Lachanfall schüttelte, „… es tut mir leid.“
„Keine Ursache!“
Karl-Heinz nahm das Handtuch und legte es über seine Schulter.
„Na, dann. Es hat mich gefreut dich kennenzulernen, Lisa-Marie“, sagte er, setze sich seinen Fahrradhelm wieder auf und schwang sich auf sein Fahrrad.
„Ich werde das Handtuch in Ehren halten. Wenn du es allerdings wiederhaben möchtest, solltest du mir verraten, wo ich dich finde.“
Während ich, nach Worten suchend, sprachlos da stand und diesen eigentümlichen Mann ansah, antwortete Mona: „Am Campingplatz.“
„Na, dann!“
Er tippte zum Gruß an seine Stirn und die drei Männer radelten davon. Zur Erinnerung ließ das Fahrrad von Karl-Heinz eine Schlammspur am Fahrradweg zurück.
"In jedem Buch begegne ich meiner Seele" Isabel Allende

Aure

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #1 am: 08 May 2019, 18:31:23 »
Wirkt auf mich recht ... weltfremd. (Die LM.)
Nicht mal unbedingt unglaubhaft, es wird sicher auch Leute geben, die für einen armen Igel auf der Autobahn eine Vollbremsung hinlegen und eine Massenkarambolage verursachen.
Aber LM liest sich in der Szene für mich nicht irgendwie "angekommener" als die Menschen, von denen du sie abgrenzen willst (bzw. sie sich selbst abgrenzt). Mehr so nach Marie Antoinette.

Irgendwas scheint sie ja an sich zu haben, dass der Karl-Heinz sie wiedersehen will.
Aber wenn ich mir den Hals hätte brechen können, und dann steht derjenige da und lacht sich minutenlang schlapp - ich fände das sicher "irgendwie anders", aber nicht auf die gute Art.
Ignorant, im schlimmsten Fall. Egozentrisch vielleicht. Gedankenlos.
Aber ich sehe da keine junge Frau, die vor Lebensfreude strahlt oder in sich ruht oder sonst irgendwie auf eine positive Art besonders ist. Niemanden, bei dem ich denke: Hey, davon würde ich mich gerne anstecken lassen ... davon hätte ich auch gerne was in meinem Leben.

Mag sein, dass das für manche Männer und Frauen irgendwie anziehend ist, aber ich werde nicht warm mit solchen Menschen. Ich bin deshalb jetzt gerade auch unschlüssig, in wie weit ich überhaupt hilfreich für deinen Text sein kann.

Karl-Heinz trockenen Humor und seine extreme Gelassenheit finde ich schon eher bemerkenswert. Jemand, der nach so einer Aktion ganz ruhig und freundlich bleibt und dann auch noch einen Witz reißt - und das ohne den Verursacher in irgendeiner Form abzuwerten ...
Da finde ich eher das wieder, das ich in einem vorherigen Beitrag über meine Vermutung geschrieben habe, was für eine Figur LM sein soll.


We are not nouns, we are verbs. I am not a thing – an actor, a writer – I am a person who does things – I write, I act – and I never know what I am going to do next. I think you can be imprisoned if you think of yourself as a noun.
(S. Fry)

Naleesha

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #2 am: 08 May 2019, 18:32:42 »
Mir fällt in letzter Zeit verstärkt auf, wie sehr sich viele Menschen auf Ärgernisse konzentrieren, wie sie viel Energie dafür aufbringen, sich über vermeintliche Kleinigkeiten aufzuregen, wie sie missgünstig über andere denken ... oft liegt dahinter, glaube ich, eine Unzufriedenheit mit sich selbst, nicht erfüllte Bedürfnisse, Stress, ein Leben, das einem "keine Zeit, zum Atmen lässt".

hmmm - ich muss bei der Art, wie Eule ihre LM darstellt ständig an Neelix denken. Den Talaxianer aus dem Star-Trek ableger Voyager. Der selbsternannte "Moraloffizier", der immer nur wollte, dass alle an Bord glücklich sind und (fast) jeden automatisch als einen Freund ansah. Er wollte sogar die Vulkanier zum Lachen und Tanzen bringen... ein solches Gemüt soll LM wohl haben.
Ich bin mir nicht sicher, ob bei Neelix da jemals das Thema behandelt wurde, warum er das tut.

Ich bemühe mich selbst zunehmend darum, eine gelassene, achtsame Haltung mir selbst und anderen gegenüber zu entwickeln und glücklich zu sein, und meistens klappt das auch ganz gut.

Das finde ich gut! ist auch gesünder :) viel Spaß dabei.

LG, Nalee
"was du mit deinem Körper verstanden hast, wirst du im Leben nie wieder vergessen." (Gichin Funakoshi)
„Ein Hacker ist jemand, der versucht einen Weg zu finden, wie man mit einer Kaffeemaschine Toast zubereiten kann“ (Wau Holland)

aktuelle Projekte:
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Aure

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #3 am: 08 May 2019, 19:31:28 »
Hihi, danke Nalee.

Zitat
Ich bin mir nicht sicher, ob bei Neelix da jemals das Thema behandelt wurde, warum er das tut.
Ich glaube nicht. Neelix war aber ein in sich stimmiger Charakter, er war "rund" und alles andere als konfliktfrei. Er hatte durchaus Selbstzweifel, hat auch mal moralisch fragwürdige Entscheidungen getroffen und seine Reaktionen waren nicht immer nur nett. Und genau wegen dieses Kontrastes wurde die Figur interessant. Beziehungsweise wegen der Entwicklung, die er während der Serie durchlaufen hat, kann durchaus sein, dass er immer "glatter" wurde. Ist lange her.
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merin

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #4 am: 09 May 2019, 10:14:29 »
Ich hab mal abgetrennt und einen neuen Titel vergeben, wenn der unpassend ist, bitte einfach ändern, Eule. Dass es nun (vielleicht? Ich hab nicht nachgezählt) zu einem zu schnell eingestellten neuen Text kommt, verknuse ich mal, wir haben ja auch sehr drauf gedrängt. Das nächste Mal aber bitte die sieben Tage abwarten.

Ich habe mit diesem Abschnitt auch meine Probleme. Es gibt eine Menge sprachlicher Ungereimtheiten darin, die beispielsweise dazu führten, dass ich dachte, die Entenfamilie sei nur übertragen gemeint und es handele sich um eine Familie auf dem Fahrrad. Einfach weil die Kameraführung so wackelt: vor, zurück, vor zurück. Erst als KH im Teich war, war mir klar, dass es wohl um echte Enten geht. Aber was passiert nach dem Sturz mit denen?

Dann fehlen mir die anderen Leute: Wie reagiert Mona? Mit wem ist KH unterwegs?

Und nicht zuletzt geht es mir wie Aure: Ich finde LM Reaktion unlogisch und nicht sehr sympathisch. Warum ruft sie nicht "Stop! Enten!" oder sowas? Und wieso denkt sie nicht einen Moment, dass es ganz schön blöd war, Menschen zu gefährden um Enten zu retten? Und worüber um Himmelswillen lacht sie sich so scheckig? Die Begegnung der beiden an sich ist sehr liebesromantauglich kitschig, das ist für das Genre okay, denke ich. Tatsächlich ist aber auch mein Gefühl, dass ich nicht die Richtige bin, um dich mit diesem Text zu begleiten, weil mich immer als kitschig stören wird, was ihn ausmacht.

Ginger wo bist du?


Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

tlt

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #5 am: 16 May 2019, 08:22:18 »
Mir geht es bei dem Text wie auf dem Trampolin. Ich springe auf und ab und habe nicht wirklich Kontrolle über das Geschehen. Dazu kommt eine Sprache, die so gar nicht zu dem passt, was beschrieben wird (ein banales, seichtes Jugenderlebnis). Ich nehm dazu mal nur ein Beispiel gleich zu Anfang. 

Zitat
Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstatt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück.

Nach der ersten Handlungserzählung (zurück zur „Heimatstatt“) kommt der Satz: „Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen.“ Aha! Bei was? Und während ich mich das frage, geht es mit radeln weiter. Damit sicher nicht. Und genau das, was mich da noch umtreibt, weil ich mir davon einen Einblick ins Innenleben der Prota erhoffe, wird nicht mehr erwähnt. Stattdessen eine eher unspannend erzählte Begegnungsgeschichte, die vor allem eines ist: unglaubwürdig. Im Ablauf und im Dialog.

Dazu, wie schon gesagt, die Wortwahl. „ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt“, „Heimatstatt“ (was immer das sein soll?), Wahrnehmung, Bremsmanöver … Das macht die Geschichte sehr sperrig und unglaubwürdig. Ist ein wenig so wie der alte Opel Admiral, den ich gestern gesehen habe: Hatte hinten drauf den Aufkleber „Ich bin Energiesparer“. Aber während es beim Opel noch als Satire oder Protest interpretiert werden kann, ist das in der Geschichte nicht zu finden (und wohl auch nicht so gedacht).

Wie gesagt, ich hopse auf der Geschichte ein wenig rum, aber Spaß macht es keine.
Ich bin zu alt für das alles.

Paradieseule

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #6 am: 17 May 2019, 08:46:34 »

Zitat
Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstatt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück.

Nach der ersten Handlungserzählung (zurück zur „Heimatstatt“)  ... Ein Tippfehler: Heimatstadt  :stirn:

Zitat
kommt der Satz: „Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen.“ Aha! Bei was?   
... das bezieht sich auf den vorherigen Text. Wie oben erwähnt, es ist ein Ausschnitt.

Paradieseule
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merin

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #7 am: 17 May 2019, 13:51:29 »
Ich greife das mal auf, weil ich, denke ich, Viskeys Einwurf des noch nicht ganz gefunden Stils hier gut belegen kann. Ich hatte das vorher nicht gesehen, aber nun springt es mir ins Auge:

Zitat
Als die Sonne ihren Verlauf am Himmel etwas abgesenkt hatte, beschlossen Mona und ich zurück zu unserer, für dieses Wochenende gewordene Heimatstadt zu kehren. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen. Langsam radelten wir zurück.

Sie fahren also in eine Stadt zurück. Eine Stadt, die für ein Wochenende, ihre Heimat geworden ist. (muss es nicht "gewordenen Heimatstadt" heißen?)  Und um das zu beschreiben, nutzt du einen schwülstigen, etwas antiquiert anmutenden Schreibstil. Das geht so weiter: Radler gebieten Einhalt, Menschen frönen sportlichem Eifer. Das ist ja keine Alltagssprache. Und es ist Ich-Perspektive. Und dann handelt die Prota, der wir da zusehen, aber gar nicht gesetzt, oder klassisch, sondern unüberlegt und wenig nachvollziebar. Das gipfelt in:

Zitat
Ach, du liebe Scheiße

Mhm. Wie geht das zusammen?

Man kann diesen Widerspruch nutzen. Mir scheint es aber, das ist so passiert (wie es mir auch immer wieder passiert). Ich denke, es lohnt sich, einen Schritt zurückzutreten und einen analytischen Blick auf den Text und die Figur zu werfen. Warum hast du dich für diesen Sprachduktus entschieden? An welchen Stellen möchtest du ihn warum brechen?
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

kass

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #8 am: 02 June 2019, 10:26:36 »
Hi Paradieseule,

mir ist beim Lesen aufgefallen, dass du oft mittelbar und nicht unmittelbar erzählst, wie mit einer Kommentarfunktion versehen. Das macht das Lesen für mich eher mühsam, ich kann nicht in die Figur einsteigen.

Hier ein paar Beispiele, für das, was ich meine:

Zitat
Ich hörte, wie von hinten schnell rollende Fahrräder herannahten. Ich bremste ab und stellte, wie ein Schutzengel für Enten, mein Fahrrad quer zur Fahrtrichtung. Bevor ich mir über die Konsequenzen meiner spontanen Reaktion überhaupt klar wurde, hörte ich Bremsen quietschen und Ausrufe, die nicht gerade schmeichelhaft waren. Meine Wahrnehmung konzentrierte sich auf ein durch die Luft fliegendes Fahrrad, dem der zuvor darauf sitzende Radfahrer unmittelbar folgte. Ein „Ach, du liebe Scheiße“, durchfuhr mich. Vielleicht beruhigte mich der Anblick des Fahrradhelmes oder des perfekten Outfits. Vielleicht war es auch das sanfte Schulterklopfen des fliegenden Radlers angehörigen Schutzengels, denn als der Mann schließlich in einem weichen, moorigen Tümpel landete, musste ich lauthals lachen. Entgeistert blickten mich alle Beteiligten an, nicht zuletzt auch der Mann im Tümpel, der sich schwarzen Schlamm aus dem Gesicht wischte.

Ich hörte, wie ... statt ... Hinter uns klingelte es schon wieder. Schnell fahrende Räder wollten uns überholen.

Bevor ich mir über die Konsequenzen meiner spontanen Reaktion überhaupt klar wurde, hörte ich Bremsen quietschen und Ausrufe, die nicht gerade schmeichelhaft waren. ... statt ...
Bremsen quietschten. Jemand schrie: "Vorsicht!" Ein anderer Mann rief: "Aus dem Weg!"

Meine Wahrnehmung konzentrierte sich auf ein durch die Luft fliegendes Fahrrad, dem der zuvor darauf sitzende Radfahrer unmittelbar folgte. ... statt ... Ein Fahrrad flog durch die Luft / überschlug sich. Der Radfahrer flog durch die Luft, und ich hielt die Luft an. Ach, du Scheiße! Wenn ihm was passiert? Er sich das Genick bricht? Erstarrt stand ich machtlos da und Bilder rasten durch meinen Kopf von gebrochenen Knochen, Blut und Tod. Es platschte. Er landete in einem weichen, moorigen Tümpel, und ich kann wieder atmen.

Warum sollte sie in einer solchen Situation sich nach den anderen Typen umdrehen? Ich würde das nicht tun. Im Moment ist doch nur eins wichtig: hat der Radfahrer den Unfall schadlos überstanden, den ich verursacht habe?

Mir erschien es beim Lesen so, dass du über die Figur schreibst und nicht aus ihr heraus. Wenn du erreichen möchtest, dass der Leser sich mit der Figur identifiziert, dann ist es einfacher, das zu erreichen, wenn du in die Figur einsteigst und unmittelbar den Leser miterleben lässt, was gerade geschieht.

Meine Anregungen sind immer auch von meinen eigenen Vorlieben geprägt. Ich mag es halt, wenn ich eine Geschichte durch die Figur erleben darf. Welche Erzählform bevorzugst du beim Lesen? Kannst du definieren, wohin du deinen Schreibstil entwickeln möchtest?

LG
Kass

Merkzettel für mich: Nicht ins Höllenfenster stellen!
(Experiment für Gedächtnistraining, Klappe 1)

Paradieseule

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #9 am: 03 June 2019, 09:33:28 »
Manches Mal mag ich es blumig, salopp, spassig oder nüchtern. Oft entscheidet die Tagesform.
Mir ist klar, dass ein Stilmix nicht unbedingt gut ist. Aber es kommt auch darauf an, um was es gerade geht.
Ich habe diesen Teil auf Wunsch anderer hier ins Forum gestellt, dann landete er auf dem Rost. Mir war auch klar, dass sich ein paar "Krüppel-Sätze" hier eingeschlichen haben, konnte mich aber noch nicht davon trennen ... weil ich noch unschlüssig deswegen bin.
Ich glaube nicht, dass ich von mir aus diesen Text gewählt hätte. Aber so ist es auch gut, denn ich bin nicht hier um Applaus zu haschen, sondern mich auch mit den Meinungen/Anmerkerungen anderer auseinanderzusetzen.


Danke für den Hinweis für mittelbar und unmittelbar. Ich werde mir die Stellen nochmals zu Gemüte führen.

Die Ich-Perspekte schränkt enorm ein, weil alles durch den "Filter" des erzählenden Protagonisten geht. Nebenschauplätze können kaum beschrieben werden.
Es kommt sehr auf den Inhalt an, was transportiert werden soll. Ich schreibe (anderes) auch in anderer Erzählform.

Meine Schreibstil Entwicklung?
Ich mag es nicht platt. Ich mag es doppelbödig, spitzzüngig, unterschwellig. Aktuell entdecke ich gerade, wie man mit wenigen Worten viel sagen und auch Übergänge bauen kann.
Ich möchte eine "saubere" Wortwahl. (wenig Anglizismen, ausdrucksreiche Sprache, Umgangssprachliches nur auf Bedarf, die Genialtät der deutschen Sprache)
Leider fehlen mir oft die entsprechenden Wörter und greife zu Redewendungen und Metaphern.
Selber lese ich gerne Martin Suter und mag Känguruh-Chroniken, auch Patrick Rothfuss hat mich mit seinem Stil sehr beeindruckt.

LG Paradieseule
"In jedem Buch begegne ich meiner Seele" Isabel Allende

kass

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #10 am: 03 June 2019, 18:59:04 »
oha! das ist ja eine ganze Menge! Find ich gut, dass du mir das mitteilst. Dann kann ich sehen, dass wir unterschiedliche Ansprüche an das Schreiben stellen. Das wird mir helfen, besser auf deine Texte einzugehen.

(Ich mag es zwar schon, wenn es das ein oder andere highlight an Formulierung gibt, an dem ich mich erfreuen kann, aber grundsätzlich möchte ich so schreiben, dass die Sprache in den Hintergrund und die Geschichte in den Vordergrund tritt, also möglichst neutral gehalten, eher sachlich, gerne aber auch mit Humor gewürzt)

Zitat
Die Ich-Perspekte schränkt enorm ein, weil alles durch den "Filter" des erzählenden Protagonisten geht. Nebenschauplätze können kaum beschrieben werden.

Ich denke, Nebenschauplätze gehen gar nicht, aber wahrscheinlich meinen wir beide ohnehin dasselbe. :)

LG
Kass
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merin

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Re: LM Steinhuder Meer
« Antwort #11 am: 12 June 2019, 10:34:53 »
Ich glaube, dass Kass' Hinweis auf die Unmittelbarkeit den Text sehr verbessern würde, weil dann deine Prota sichtbarer wird. Dass die sprachliche Schönheit darunter leidet, glaube ich nicht. Ich bin ja auch ein großer Fan davon, eigene Redewendungen zu finden. Aber meine Erfahrung ist, dass es enorm herausfordernd ist, das zu tun und dabei einen lesbaren Text zu erzeugen.
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