Teufelsrost > Höllenfenster

Minimalia I

<< < (2/2)

Naleesha:
Und, es war nicht die Frage nach der Ästhetik weshalb ich so meine Probleme mit dem "Abseits" hatte. Es war eher die Assoziation und die Bedeutungsgebung, die ich problematisch fand, wie ich ja auch dargelegt hatte.
klar kennt man den Begriff "ins Abseits stellen" um zu beschreiben wie etwas aus dem Weg geräumt wird. Aber das Abseits ist eben aus dem Fußball heraus am bekanntesten, und diejenigen, die zwar die Redewendung kennen, die Abseitsregel im Fußball aber nicht (zur Gänze) verstehen weil sie sich - wie ich - nicht mit Fußball beschäftigen, könnten daher andere Assoziationen entwickeln als du sie beabsichtigt hast. so hatte ich das in meinem Post ja auch ausgeführt als ich von (ungewolltem) Comeback bzw auch der Tatsache gesprochen hatte, dass ein Abseits nicht gleich bedeutet, dass man aus dem Spiel selbst raus ist. ein Abseits ist eben kein Platzverweis und bedeutet meines Wissens nach "nur" dass der Spielzug ungültig war. (oder das geschossene Tor. je nachdem...)

Aus diesem einzigen Grund würde ich einen Begriff wählen, der mehr und deutlicher in die Richtung geht, dass ungewollte Assoziationen und Bedeutungen nicht auftreten können.

merin:
Hallo Fabian,

oh, wieder mal Lyrik! Na dann mal ran:



--- Zitat ---Die Taube auf dem Dach haben wir ins Abseits gestellt.
Beliebt ist der Spatz.

Wir tragen die Hände offen.
--- Ende Zitat ---

Der Text spricht mich an. Inhaltlich scheint es für mich darum zu gehen, dass man sich (um bestimmte Dinge?) nicht mehr bemüht, sich mit einem Status Quo zufrieden gibt. Das könnte ich sowohl auf solche Dinge wie den Klimawandel oder Sozialpolitik, als auch auf dieses Forum beziehen.

Trotz meiner Faszination für den Text habe ich im Konkreten dann doch Schwierigkeiten. Besonders mit dem ersten und dem letzten Satz. Mir gefällt, dass die Taube nicht im Abseits ist, sondern dorthin gestellt wurde. Aber der Spatz ist ja nicht in der Hand, denn die Hände sind offen. Es bleibt somit auch offen, wo der Spatz eigentlich ist. Ich persönlich mag die Fußballassoziation nicht, weil ich die Regel nicht kenne, aber auch, weil sie für mich unlyrisch ist. Daher weiß ich nicht genau, was es bedeutet, dass die Taube im Abseits ist. Das mag aber bei anderen anders sein. Dann kommt die Aussage, der Spatz sei beliebt. Diese Aussage wirkt etwas beliebig (was ich wegen beliebt und beliebig gewollt finde und daher passend): Es bleibt unklar, wer den Spatz warum liebt, dadurch nehme ich an, es handele sich um eine generalisierte Aussage zur aktuellen Gesellschaft.
Und dann: Wir tragen die Hände offen. Nicht wir halten sie offen, sondern wir tragen sie offen. Wie eine Mode. Ich dachte erst, dass das für mich nicht passt, aber je öfter ich es lese, desto besser finde ich es. Da geht es um Attitüde, um Schein, nicht um Einstellung oder Sein. Das hat was. Somit merke ich, dass sich meine kritischen Punkte entweder bei näherer Betrachtung des Textes auflösen oder ich sie auf meine Unwissenheit zurückführen kann. Somit finde ich sie dann nicht mehr haltbar.

Verbesserungsvorschläge habe ich somit nicht, lese nun aber mal, was die Anderen meinen. Mhm. Für mich ist das "ins Abseits stellen" schon aggressiv. Das hätte "ignorieren" auch (klingt aber für mich zu technisch und ist auch in abgeschwächter Form aggressiv), aber "hinter uns lassen" fehlt diese Bedeutungsebene fast ganz. Ich nehme an, dass sie wichtig ist. Vielleicht wäre "haben wir ins Abseits gedrängt" noch eine Variante.

Viele Grüße
merin

Fabian:
@ Nalee

Du hast du ja völlig recht damit, dass zum Text unterschiedlich assoziiert werden kann, das hast du schon im ersten Post gut dargelegt.

Aber – unabhängig davon, dass die Suche nach treffenderen Formulierungen nie schaden kann – eine widerspruchfreie Rezeption kann ich nicht erwarten, will ich auch gar nicht auslösen, wenn ich eine Spruchweisheit (Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach) verballhorne.
Auch wenn dich die Verwendung des Begriffs Abseits in diesem Kontext verunsichert hat – du bist damit auf eine Weise umgegangen, die mir bestätigt, dass der Text funktioniert.

[EDIT:] Shit, ich hab gar nicht gesehen, dass du 2 x nacheinander gepostet hast.

Fabian:
@ merin

Das der Text so gut funktioniert, hätte ich nicht gedacht.

Ich überlass euch mal das Feld, denn:
"In jeder Kunst ... obliegt (es) der Praxis, die Schwierigkeiten zu zeigen und die Erscheinungen anzugeben, und der Spekulation, die Erscheinungen zu erklären und die Schwierigkeiten zu beseitigen. Daraus folgt, daß es kaum einen vernünftig denkenden Künstler gibt, der über seine Kunst gut sprechen kann." – Denis Diderot
(aus:
Jan Philipp Reemtsma – Was heißt: einen literarischen Text interpretieren. Dem Kapitel Es lassen vorangestellt).

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln
Mobile View