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Perspektive

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Momo:

--- Zitat ---das alles leuchtet mir nicht ein. Ich habe den Eindruck, dass hier Dinge vermischt werden, die so nichts miteinander zu tun haben.

Zitat

    Also, das Handelnde-Ich ist identisch mit dem Vergangenheits-Ich und das Erzählende-Ich mit dem Gegenwarts-Ich.


Diese Aussage halte ich für irreführend.
--- Ende Zitat ---

Um vielleicht etwas mehr Klarheit in die Geschichte mit dem Vergangenheits-Ich und dem Gegenwarts-Ich von Gesing zu bringen, versuche ich es noch mal zu erläutern, auch wenn es hier gerade nicht um die zeitliche Distanz geht.
Man stelle sich eine Zeitachse vor. Darauf gibt es eine Zeitspanne  x und eine Zeitspanne y.  x ist die Zeit, in der die Geschichte handelt. y hingegen ist die Gegenwart,  in der die Geschichte erzählt wird. 
Jetzt haben wir den neunzigjährigen Knut, der im Zeitraum y eine Kriegsgeschichte aufschreibt, die er im Zeitraum x als Kind erlebt hat. Damit ist der neunzigjährige Knut das Gegenwarts-Ich/Erzählende-Ich, während das Kind Knut das Vergangenheits-Ich/Handelnde-Ich ist. Man kann sich ja gut vorstellen, dass der altersweise Knut seine Geschichte im Zeitraum y völlig anders wiedergibt, als er es damals im Zeitraum x getan hätte. Damals waren die Erlebnisse ganz frisch und er war noch ein anderer, in diesem Fall sogar ein Kind. Die Sprache wäre anders, die Bewertung, die Emotionen, sein Wissen usw.
Das Beispiel ist nun sehr extrem. Aber man kann sich ja auch den Abstand zwischen x und y geringer vorstellen. Der Abstand zwischen x und y könnte nur ein Jahr oder einen Monat betragen und dennoch würde die Geschichte logischerweise etwas anders geschrieben werden, als wenn x und y identisch wären, was ja dann eine Geschichte im Präsens wäre.
Ich denke aber auch, dass derart theoretische Überlegungen für die meisten Geschichten irrelevant sind, da viele Autoren heutzutage gar nicht wollen, dass die Geschichte so rüberkommt, als würde sie nach langer Zeit erzählt werden. Sie möchten vielmehr, dass der Leser sie richtig miterleben kann, sie ihm nicht nur berichtet wird. Das heißt y rückt sehr nah an x heran oder ist sogar mit x identisch.

Was eine Mischung aus auktorialer und personaler Perspektive betrifft, so scheint das tatsächlich nicht unüblich zu sein. Und zwar nicht nur in Kinderbüchern.
Aktuell ist es mir bei „Der Gesang der Flusskrebse“ aufgefallen.
Dennoch kann die Distanz ja auch innerhalb der personalen Perspektive stark variieren. Wie schon erwähnt durch die Szenenauswahl, darüber hinaus aber auch bspw. durch die Sprache. Zwar habe ich gelesen, dass eine Variation eine gewisse Dynamik in den Text bringt, während die Extremfälle von maximaler Nähe und maximaler Distanz für Leser anstrengend und frustrierend seien. Dennoch scheint aber der Deep POV gerade modern zu sein, und der ist darauf ausgelegt maximale Nähe zu erzeugen. Ob man den Deep POV allerdings die ganze Geschichte durchhalten kann/sollte oder eben nur in bestimmten Szenen, ist mir noch nicht ganz klar. Scheint aber vielleicht auch einfach eine Geschmacksfrage zu sein.
Zudem wüßte ich auch gern, ob der Deep POVvielleicht identisch ist mit dem "Aus der Figur heraus erzählen." Voran wird das "Aus der Figur heraus erzählen" festgemacht? Hat vielleicht jemand ein Beispiel?

Liebe Grüße
von
Momo

merin:
Zum Copyright weiß ich leider nicht, wie das in diesem Fall ist. Und ich weiß auch nicht, wie ich es rausfinden könnte. Eine Notvariante wäre, die Sache in einen internen Forenbereich zu verlegen, dann veröffentlichen wir das Zitat ja nicht, sondern nutzen es zur Arbeit in einer geschlossenen Gruppe. Ich würde mal hoffen, dass das dann legal wäre. Meinem Rechtsempfinden entspricht es aber ohnehin, dass man einen Absatz zur Textarbeit nutzen kann, aber leider ist mein Rechtsempfinden nicht maßgeblich. Mich würde wenn, dann Zitat B am meisten interessieren.

Und ich muss ja zugeben, dass ich weder weiß, was "Deep POV" ist, noch den Terminus "Aus der Figur heraus erzählen" kenne. Mir ist nur aufgefallen, dass es da zwischen Literatur und Genre durchaus Unetrschiede zu geben scheint: ich habe grad F von Kehlmann gelesen und das empfinde ich in weiten Strecken als auktorial erzählt.

Naleesha:
Es kommt vermutlich auch auf die Zeit an, in der ein Buch entstanden ist. Zu Zeiten von (z.B. Krieg und Frieden) schrieb man Bücher sicher noch anders als zu Zeiten von Harry Potter, was zwar schon etwas älter ist, aber dennoch eher zur heutigen Zeit gehört als Hohlbein, Tolstoi und co. Ich würde mich daher lieber auf Literatur von "Heutzutage" (also in den letzten 30 Jahren) beschränken wollen.

Ich starte mal ne kleine Umfrage in einem internen Bereich (Praxis ist soviel ich weiß nicht öffentlich einsehbar), welches der obigen Zitate das meiste Interesse findet, dann werde ich die entsprechende Szene kurz darauf posten.
Die Umfrage würde ich 2 Wochen offen stehen lassen.

LG, Nalee


EDIT: aaah, mir fällt gerade auf, dass ich bei Option B den falschen Kurzgeschichtenband gepostet hab... gemeint war "der letzte Wunsch" - also den ersten Kurzgeschichtenband. nicht "das Schwert der Vorsehung". den besitze ich nämlich noch nicht. ^^
sorry.
Es ist und bleibt aber ein Vorschlag bzgl. der Hexer-Kurzgeschichten.

Momo:
Vielleicht macht es auch Sinn, als Beispiele Leseproben zu nutzen. Bei Amazon gibt es ja den „Blick ins Buch“. Da kann jeder die ca. ersten zehn Seiten eines Buchs lesen. Damit hat man ja schon jede Menge Textmaterial, das allen zugänglich ist, das man völlig legal nutzen kann und das nicht extra abgetippt werden muss. Wer auf eine bestimmte Textstelle hinweisen will, kann die Seitenzahl und die Zeile angeben. Kleinere Stellen dürfen aber sicher auch zitiert werden.

Zum Deep POV: Es wird zwar in der ER-Perspektive geschrieben, aber so, dass der Erzähler nahezu vollständig hinter der Perspektivfigur verschwindet bzw. mit ihr verschmilzt. Das geht soweit, dass auch mit der Stimme der Figur erzählt wird. Also eine Art Ich-Erzählung, aber eben in der 3. Person.

Ich würde übrigens sagen, dass Harry Potter auktorial geschrieben ist.

Liebe Grüße
von
Momo

Juni:
@ Momo:

--- Zitat --- Vielleicht macht es auch Sinn, als Beispiele Leseproben zu nutzen. Bei Amazon gibt es ja den „Blick ins Buch“.
--- Ende Zitat ---
Wollte ich auch vorschlagen. Zur Analyse der Perspektive sollte es auch ausreichen.

--- Zitat ---Ich würde übrigens sagen, dass Harry Potter auktorial geschrieben ist.
--- Ende Zitat ---
Guter Punkt... kann es nicht einschätzen, aber wüsste es wirklich gerne!


@ kass:

--- Zitat ---Auch hier verstehe ich nicht, was das mit der Perspektive zu tun hat. ... Dazu wieder eine Ausnahme: die Kamera-Perspektive (ich hab vergessen, wie die noch benannt wird). In dieser Perspektive ist es nicht möglich, in den Kopf der handelnden Figuren einzusteigen, so dass die Gedanken entfallen.
--- Ende Zitat ---
Ich meine die 'extrem' Umsetzung von "Deep POV" / "Aus der Figur heraus erzählen", und bin mir sicher, das beides ein und dasselbe ist.

Diese Anmerkung von Momo trifft es sehr gut:

--- Zitat ---Zwar habe ich gelesen, dass eine Variation eine gewisse Dynamik in den Text bringt, während die Extremfälle von maximaler Nähe und maximaler Distanz für Leser anstrengend und frustrierend seien.
--- Ende Zitat ---


@ Naleesha: Vielen lieben Dank, dass du bereit wärst, dir die Mühe mit dem Abtippen der Texte zu machen. Aber ich bin mir sehr sicher, dass wir dieses Thema mit den längeren Textstellen zwecks Analyse hier vor einigen Jahren schon einmal hatten. Die Argumente für das 'Nein' bezogen sich eventuell hauptsächlich auf eine Verletzung der Veröffentlichungslizenz. Vielleicht erinnert sich hier noch jemand...?

Liebe Grüße,
Juni

EDIT: Satzbaufehler korrigieren...

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