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Diskussionen zu "Beiträge Berlin-Workshop 2019"

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Viskey:
Vielleicht kannst du ein paar deiner Gedanken ja hier schriftlich teilen? Ich denke mal, dass nicht jeder weiß, was mit "Aufstellungsarbeit" gemeint ist. Klingt für mich jedenfalls spannend.

eska:

--- Zitat ---Das Ende habe ich klar vor Augen, aber die Figuren, die Personen, vor allem die wichtigen, bleiben blass und langweilig.

--- Ende Zitat ---
Hi Salamander.
Da du nach Tipps fragst, hier ein paar Gedanken dazu:
In einer Kurzgeschichte stellst du einen bestimmten entscheidenden Moment im Leben einer Figur dar, du zeigst keine langwierige Entwicklung, angestoßen durch immer neue, durchaus auch widersprüchliche Erfahrungen. Du hast also sozusagen einen per se spannenden, aussagekräftigen Moment gegen viele möglicherweise leise, an sich unauffällige Momente, die sich summieren, bis es knallt. Das kann sich ziehen.
Was ich spannend finde, ist deine Aussage, dass du das Ende kennst. Schreibst du action-basiert oder character-basiert? Denn wenn dein Ziel ein in einem bestimmten Punkt weiterentwickelter Charakter ist, kannst du doch den Spannungsbogen dahin mit den entscheidenden Schritten, die es dazu braucht und/oder den passenden Hindernissen, Fehlentscheidungen etc. füllen. (Bzw. einen Spannungsbogen pro Hauptfigur). Wenn du lieber die Handlung in den Vordergrund stellst, kannst du als Hilfskonstrukt deinen Figuren ein persönliches Problem mitgeben (nichts zu Dramatisches, auch sowas wie Angst vor Hunden, ewige Konkurrenz mit dem Geschwister, mangelndes Selbstvertrauen gegenüber XXX verhilft dir zu interessanten Szenen), das sie in Kombination mit ihren sonstigen Zügen einzigartig macht. Das kann dann so langsam rauskommen, dass der Leser gespannt ist, es kann zu peinlichen Klemmen führen, du kannst eine Backstory erfinden und irgendwann aufdecken, wie es dazu kommt...). Ich mag es, auch über meine Nebenfiguren ein bisschen mehr zu wissen. Manches davon enthülle ich, wenn es passt, anderes weiß eben nur ich, und es hilft mir, sie stimmig agieren zu lassen.

Ich habe vor kurzem ein interessantes Buch dazu gefunden: The Emotional Wound Thesaurus, A Writers Guide to Psychological Trauma von Angela Ackerman und Becca Puglisi. Schon die Leseprobe bei Amazon ist sehr aussagekräftig. Vielleicht nützt dir das.

Ansonsten: Wie steht es mit deinen Konflikten? Sind sie deutlich? Dient jede Szene dazu, sie zu verschärfen oder neue Nuancen zu zeigen? Steht genug auf dem Spiel (stakes)? Eine Dozentin hat mir beigebracht: Lass deine Figuren leiden, quäle sie!
Jede Figur verfolgt ein Ziel - und kriegt es bis zum Schluss nicht. Am besten arbeiten die Figuren (bewusst oder unbewusst) gegeneinander.
Also: Lass deine Leser mitfiebern und um sie bangen (nachdem sie sie kennen und lieben gelernt haben)!

 :hallo:
Gruß,
eska

merin:
Vereinfacht gesagt geht es um Improvisationstheater: Du spielst deinen Charakter, andere spielen andere wichtige Personen. Du gibst kurze Regieanweisungen. Und dann springen alle in eine Szene und spielen die nach. Danach schaut man, was die Spielenden und die Zuschauenden gefühlt und gedacht haben.

Salamander:
Vielen Dank Euch allen, vor allem eska, für die ausführliche Antwort.
Ja, es gibt sehr viele Methoden, den eigenen Figuren Leben einzuhauchen.
Mit der berühmten Interview-Methode habe ich es auch schon probiert. Ich denke, für mich ist sie nicht geeignet, weil sie mir so trocken erscheint, dass ich schnell damit aufhöre.
Stimmt, der Protagonist muss leiden, er muss gequält werden. Das ist auch ein wichtiger Punkt, den man nicht vergessen darf.
Eine Aufstellung der Figuren, analog der Familienaufstellung, wäre mal interessant. Vielleicht in einer kleineren Autorengruppe möglich.
Ach, ich habe gerade gesehen, du dachtest an Improvisationstheater, merin. Wie gesagt ich dachte an die Familienaufstellung aus der Psychotherapie
Mein Projekt ist weder nur action-orientiert noch nur charakter-orientiert, eska.
Beides ist mir wichtig, denn ohne Spannung, die aus Handlung entsteht, funktioniert ein Krimi nicht. Und Krimis bzw. überhaupt Romane, die flache Charaktere haben, sind zum Einschlafen.
Und jede Nebenfigur braucht ihre eigenen Konflikte, muss sie in den Hauptplot mit einbringen. Und jede Szene, jedes Kapitel braucht seinen eigenen Spannungsbogen und seine eigenen Geheimnisse. Das ist so wichtig, aber auch so schwierig.
Trotz all diesen abstrakten Wissens fällt es mir immer wieder schwer, es praktisch anzuwenden bei meinen Protagonisten.
Bei Kurzgeschichten mache ich mir keine Gedanken, die Figuren entwickeln sich von selbst. Das habe ich jetzt auch wieder bei der SGDZ-Übung hier im Forum bemerkt. Deshalb die Idee, Kurzgeschichten zu meinen Romanfiguren zu schreiben. Ich muss nur die Planungsinstanz im Hinterkopf abschalten, damit sie nicht dazwischenfunkt. Manchmal ist Denken destruktiv. :biggrin:

merin:

--- Zitat ---Ach, ich habe gerade gesehen, du dachtest an Improvisationstheater, merin. Wie gesagt ich dachte an die Familienaufstellung aus der Psychotherapie
--- Ende Zitat ---

Ja, das hat ja alles die selben Quellen.

Was mich interessiert: Wo ist denn dein Problem? Also was hindert dich deiner Meinung nach, deinen Protas nahezukommen?

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