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Lyrik: Übergang

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Ruglud:
Bevor ich mich hier verzettle: Gibt es eine neue Version? Neue Fragen? Hab Input, will aber nicht vielleicht schon antiquierte Verse analysieren.

merin:
Die neue Version der letzten Strophe steht ja hier im Thread. Da mir die Inspiration gefehlt hat, hab ich aber nichts weiter damit gemacht. Und freu mich über deine Gedanken dazu.

Viskey:
Hach schön, mal wieder Liedtext!  :cheer:


--- Zitat von: merin am 13 February 2020, 13:48:11 ---Schwester ich hab dich schon atmen gesehen
bevor noch die Sonne zerschmolz
ein Windhauch nur
weiß aus deinem Mund
und so viel Nähe, die ich hinter mir ließ.
Nun bist du verschollen hinter dem Horizont
und ich gehe ins Weite.

Bruder ich hab deine Tränen geschmeckt
als der Mond schon wieder versank.
Ein Schatten bist du
ein leeres Versprechen
ein Mund voll Sehnsuchtsblüte.
Nun bist du verschollen hinter dem Horizont
und ich gehe ins Weite.

--- Ende Zitat ---

Für mich holpert's da schon. Die zweite Strophe kann in meinen Augen nicht mit der ersten mithalten in Sachen "Traumbild". Die zerschmelzende Sonne ist so ein starkes Bild. Bevor ich noch sonst etwas lese, weiß ich: Hier geht's um Verlust, Wehmut, Traurigkeit ...
Dagegen ist ein versinkender Mond geradezu profan und bedeutungslos. Mei, der Mond geht halt unter und sinkt dabei dem Horizont entgtegen, das ist rein astronomisch gegeben. Wenn es für sich allein stünde, wär das noch eins, aber die zerschmelzende Sonne ... die stellt halt alles andere in den Schatten (:hehe:)

Das gleiche gilt für die nächsten Zeilen; der weiße Windhauch ist sehr viel lyrischer als ein Schatten und ein leeres Versprechen. Die Sehnsuchtsblüte reißt da viel wieder raus, aber da stört mich, dass der Mund wiederverwendet wird. - Wobei dagegen ja eigentlich gar nichts einzuwenden ist. Keine Ahnung, wieso ich mich daran jetzt störe. :dontknow:

Tja, und die letzte Strophe ist dann ... geradezu ein Holzhammer für mich, so gewöhnlich kommt die Sprache darin daher. Die Idee dahinter ist edel, auch traurig. Aber für beides braucht es mindestens einen zweiten Blick, wenn nicht einen dritten. Was in der ersten Strophe leicht wie Feentanz daherkommt, wirkt am Ende bemüht und schwerfällig ... vor allem im Vergleich zu dieser grandiosen ersten Strophe. (Merkt man, dass ich die erste Strophe so ganz minimal toll finde ...?) In der dritten Strophe sind keine außergewöhnlichen Bilder mehr, was das ganze etwas platt wirken lässt.
- Diese Röstung gilt für beide Versionen der dritten Strophe, und ich könnte da jetzt weder die eine noch die andere als bessere nennen.

Und der Balance wegen hätte ich eigentlich noch eine Strophe über einen Sohn erwartet. :dontknow: Aber das ist rein persönliche Symmetrieliebe, die muss dich nicht kümmern. ;)

LG Viskey

Ruglud:
Dann mal offiziell Hi!

Ich hab schon lang kein Gedicht mehr auf Herz und Nieren überprüft und vielleicht hilfts ja deiner lyrischen Stimme, wenn ich alles mal zerdenke. Vielleicht nicht. Finden wir es raus!

Text
Kurz zur Symmetrie: Cooles Fundament. Sonne sinkt, Mond sinkt. Aufbau fühlt sich sehr intuitiv an, wobei das Ende dem Ganzen nicht gerecht wird. Dazu später mehr.

1. Strophe


--- Zitat ---Schwester ich hab dich schon atmen gesehen
bevor noch die Sonne zerschmolz
--- Ende Zitat ---

Einfach so versteh ich „schon atmen gesehen [~Anfang]“ mit „bevor die Sonne zerschmolz [~Ende]“ nicht; man sieht niemanden schon kurz vor dem Ende. Also muss man das Atmen wohl als Veränderung bzw. Vorzeichen des Beziehungsendes sehen. = Ich hab schon deine Zweifel gesehen, bevor alles kaputt ging. Aber dann wiederum, ist für mich Atmen = Leben. Und dann steht da: Ich hab schon gemerkt, dass du angefangen hast dein eigenes Leben zu leben, bevor es mit uns beiden nicht mehr funktioniert hat. Hört sich nicht nach einer gesunden Beziehung an, was nicht passt, weil man ja nicht um die schlechten Beziehungen trauert. Nicht, nicht, nicht. Weiter!


--- Zitat ---ein Windhauch nur
weiß aus deinem Mund
--- Ende Zitat ---

Schön.


--- Zitat ---und so viel Nähe, die ich hinter mir ließ.
--- Ende Zitat ---

Mit dem „und“ wird aus dem ganzen irgendwie eine Aufzählung. Ich lasse hinter mir: einen Windhauch, einen weißen Mund und viel Nähe.
 

--- Zitat ---und so viel Nähe, die ich hinter mir ließ.
Nun bist du verschollen hinter dem Horizont
und ich gehe ins Weite.
--- Ende Zitat ---

Ich tu mir schwer mit dem (Refrain?) (Refrain!) Refrain in der ersten Strophe. Es ist die Choreografie des Ganzen: Ich lasse etwas hinter mir, dann bist du verschollen, dann gehe ich ins Weite. Kann man etwas hinter sich lassen, dass verschollen ist? Ich weiß es nicht. Kann man ins Weite gehen, nachdem man schon alles hinter sich gelassen hat? Ich weiß es nicht. Mir scheint es zu viel. Wenn du verschollen bist, dann hast du mich zurückgelassen. Wenn ich ins Weite gehe, dann ich dich. Wenn ich dich hinter mir lasse, dann bin ich verschollen. Vielleicht ist es einfach das Wort verschollen.
Nein, hah! Ich habs, ich mag das doppelte „hinter“ nicht. Versteh es dann zwar immer noch nicht, aber damit ist es schöner. Ich sollte vielleicht mal pausieren und Lob aussprechen. Das mit dem Atmen ist etwas Besonderes, nur weiß ich noch nicht ganz wieso eigentlich. Vielleicht ist aber genau diese Ambivalenz der tragende Pfeiler. Vielleicht nicht. Das weiß ich nicht, das musst du rausfinden. Nicht, nicht, nicht, nicht, nicht. Weiter!

2. Strophe


--- Zitat ---Bruder ich hab deine Tränen geschmeckt
als der Mond schon wieder versank.
--- Ende Zitat ---

Erneut. Schön. Erneut versteh ich das „als“ nicht wirklich, aber das ist ok. Hier störts mich nicht so wie oben.


--- Zitat ---Ein Schatten bist du
ein leeres Versprechen
ein Mund voll Sehnsuchtsblüte.
--- Ende Zitat ---

Dafür ist das zu 2/3 nicht so schön. Außerdem versteh ich es nicht. Vorher hast du dem Bruder die Tränen wegschnabuliert und dann ist er dir zu wenig? Für mich ist Weinen und Traurigkeit nichts was einen Schatten ausmacht und finde es auch ein bisschen gemein den traurigen Menschen gegenüber. Ein leeres Versprechen weint nicht, es isst deine Spaghetti auf und ruft nicht zurück (wörtlich zu nehmen) und ein Schatten hat keine Gefühle, also auch keine Tränen. Sorry Schatten! (aber es ist wahr) (nicht, nicht, nicht, nicht, nicht)

3. Strophe


--- Zitat ---Tochter ich weiß nicht
was ich dir geben soll
--- Ende Zitat ---

Im Gegensatz zu Viskey find ich die Nur-Tochter-Strophe wichtig für den Text, weil sehr persönlich. Das lyrische Ich hat vielleicht nur eine Tochter und diese eine Beziehung gilt es abzulichten. So gibst du mehr Information preis, als wenn du mehr schreiben würdest.


--- Zitat ---aber ich geb es so gut ich's vermag.
--- Ende Zitat ---

Ich glaub es gibt eine bessere Kombination an „es“‘s.


--- Zitat ---Ich halt deine Hand, so lange du willst
so lange ich mitgehen kann.
--- Ende Zitat ---

Lieb.


--- Zitat ---Und ich weiß, der Wald wächst
und du mit ihm
--- Ende Zitat ---

Ich weiß zwar nicht wo der Wald jetzt hergekommen ist, aber trotzdem schönes Bild und definitiv besser als die erste Version. Ich hätt nichts gegen ein „und du mit ihm mit“. Rollt gut von der Zunge.


--- Zitat ---bis du eines Tages gehst,
bis die Welt dich aufnimmt und mich zurücklässt.
Dann gehst du lächelnd ins Weite.
--- Ende Zitat ---

Das Ende ist der Teil vom Gedicht, der mir wirklich nicht gefällt. 1stens: gehst und gehst. Pfui! Pardon. Aber es ist praktisch nur die letzte Zeile. Sie funktioniert einfach nicht. Es passt mit keinem Rhythmus, mit dem ich es lese. Und von der Struktur erinnert es an die Horizontfragen von oben. Die Tochter geht, wird aufgenommen, lässt dich zurück und geht erneut? Die letzte Zeile übermittelt einfach keine neue Information. Bin gespannt darauf, wie du meinen Input verwurstest und beende

Abschließend
Inhaltlich ist es randvoll. Es geht um Freunde, Liebe, Trennung, Erwachsen werden, Eltern sein. Und es ist sehr kurz. Da bleibt nicht viel Platz für etwaige Unklarheiten, deswegen schau ich auch so genau auf das gelegentliche Adverb. Nach dem Korrekturlesen sehe ich jetzt, dass ich wohl die Hälfte nicht gecheckt hab, kann aber definitiv sagen, dass Teile davon sehr schön sind.

Ich würde mich freuen, wenn mir entweder meine Blasphemie mit einer messerscharfen Antwort aus dem Leib operiert wird oder eine neue Version des Gedichtes das Licht der Welt erblickt.

Also Handlungsempfehlung: Das Gedicht braucht Inspiration für die 2te, sowie Textbau für die 3te Strophe.

Viel Glück damit!


PS: Röst-Ratschläge sind willkommen!
PPS: Röstung hat 29 authentische "nicht"'s. Literat durch und durch. :devgrin:

merin:
Vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich finde es interessant, wie verschieden sie ausfallen. Tatsächlich finde ich nach Viskeys Röstung die dritte Strophe sprachlich auch schwach. Da muss ich nochmal ran.

Auch mit deinen, Ruglud, Anregungen kann ich viel anfangen. Ich bin mir selbst noch nicht so sicher, ob es wirklich möglich sein sollte, den Text so Zeile für Zeile nachzuvollziehen. Für mich war er viel assoziativer gedacht. Es könnte aber natürlich gut sein, dass er sehr viel gewinnt, wenn ich ihn als Gedicht wirklich ernst nehme und alle Bedeutungen so bearbeite, dass sie wirklich für sich stehen können. :gruebel: Darüber muss ich mal nachdenken. Es scheint ja so zu sein, als würde die von mir intendierten Themen auch so enthalten sein. Die Zweifel an den letzten drei Zeilen kann ich nachvollziehen. Auch darüber denke ich nochmal nach!

Liebe Grüße und vielen Dank
merin

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