28 March 2024, 23:41:02

Autor Thema: Eine halbe Ewigkeit  (Gelesen 3197 mal)

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tlt

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Re: Eine halbe Ewigkeit
« Antwort #15 am: 22 March 2021, 07:02:52 »
Hallo alle,

danke nochmal für die Rückmeldungen. Irgendwie scheint die Zerrissenheit der einen Person, die mich sich selbst redet, diskutiert, streitet … nicht rüberzukommen. Dass die Auflösung erst zum Schluss kommt, ist mit ein Kern der Geschichte. Ist wohl nicht so einfach nur durch die Endszene umzusetzen.
Interessant ist, dass die Namen hier gleich in eine Richtung auf das „Problem“ deuten, obwohl da ja kein Detail genannt wird. Da wären wir dann wieder bei der Sprache, die uns umgibt und lenkt … Aber aus dem Thema bin ich ja raus.

Ich leg das mal auf Eis und geh irgendwann mal mit etwas Abstand wieder dran. 
Ich bin zu alt für das alles.

Lionel Eschenbach

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Re: Eine halbe Ewigkeit
« Antwort #16 am: 28 April 2021, 17:27:14 »
Ist die Sprache zu schnoddrig? Nein
Zu Stakkato? Nein
Entsteht für euch ein Bild, was für eine Person da spricht? Ja, aber....
Wird klar, wie viele Personen da reden? Ja, aber....

Sehr schön zu lesen, wenn klar für mich ist, ich muss mich nur darauf konzentrieren.

Aber....... und jetzt weiß ich gar nicht, ob ich es mögen mag oder nicht.

Einerseits finde ich den letzten Satz cool, weil er hat mich zum Nachdenken gebracht. Und wenn das deine Absicht war, dann Glückwunsch.

Denn hey, der alte Mann muss doch Umuku und Franzi gesehen habe, aber wenn da nur Umuku und der alte Mann ist, wo ist dann Franzi. Cool, eine schizophrene Persönlichkeit. Wenn das die Intention ist, nochmals Glückwunsch. Und ich habe lange gerätselt, was bedeutet nur der letzte Satz.

hehe, mache doch aus Umuku, Umukumu, fände ich noch witziger.


P.S. Jetzt erst habe ich die anderen und auch deinen Kommentar gelesen. Also ich mag, so etwas!!! Ich mag verwirrt zu werden. Und ich mag über eben den letzten Satz nachdenken, der eben nur Sinn ergibt, wenn Umuku mit sich geredet hat, aber warum dann Franzi? Der Dialog würde auch ohne eine zweite Namenserwähnung funktionieren. Zwar würde sich der Leser fragen, mit wem redet er da, aber eben der letzte Satz, wenn man lange darüber nachdenkt, erhellt das Ganze. Aber mMn funktioniert so etwas nur in einer experimentellen Kurzgeschichte, nicht in einem Roman.

Wie die anderen schon geschrieben habe, lasse einfach Franzi weg, die Zigaretten weg, alles was zu real ist. Sehr schöne Idee.


« Letzte Änderung: 28 April 2021, 17:32:43 von Lionel Eschenbach »

tlt

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Re: Eine halbe Ewigkeit
« Antwort #17 am: 29 April 2021, 19:51:05 »
Hallo Lionel,

vielen Dank für die Rückmeldung. Und schön, dass es Dir gefällt. Ja, ich vermute, das wäre wohl wirklich die beste Lösung, auf den zweiten Namen zu verzichten. Ob es eine Schizophrenie ist, die da angedeutet wurde, weiß ich selbst nicht. Das hört sich zu sehr nach Krankheit an. Mir ging es eher um einen Moment der Hilflosigkeit, die die Person nur mit sich selbst ausmachen kann. Auch, weil sie niemanden anderen hat, der sie (in dem Fall) vertraut.

Bei meinen Texten muss man sich (hoffe ich) immer konzentrieren. So ganz leicht und seicht mag ich das nicht. Und irgendwie ist es mir da nach R. Dahl, dass ein wenig Verwirrung, auch bei den agierenden Personen mit ihm Spiel sein muss.

Und: Ein Roman oder so ist das sicher nicht. Nein, das ist eine an und in sich geschlossene Geschichte. Die gibt nicht mehr her. Sollte aber auch nicht weniger "haben".
Ich bin zu alt für das alles.

tlt

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Re: Eine halbe Ewigkeit
« Antwort #18 am: 29 April 2021, 19:52:28 »
Ich glaub, hier kann man zumachen. Das werde ich nochmal durch die Waschmaschine lassen.
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Lionel Eschenbach

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Re: Eine halbe Ewigkeit
« Antwort #19 am: 29 April 2021, 20:24:44 »
P.S.

Noch eine kleine Anmerkung. Wann würden wir mit uns Selbstgespräche führen, in der Art, wie du es präsentiert hast. Darüber solltest du nachdenken.

Der Leser nimmt ja die Anführungszeichen zur Kenntnis und muss es zwangsläufig für einen Dialog halten. Zwei Menschen reden miteinander.

Also, hier solltest du nochmals drüber nachdenken, welche Situation rechtfertigt es, mit sich selbst so zu reden. Da fiel mir eben nur die Krankheit an.


So würde ich es - wie gesagt - als Experiment durchgehen lassen. Im Laufe deiner Geschichte könnte es aber hilfreich sein, dass der Leser immer mal wieder mit dieser Eigenart von Umuku konfrontiert wird. Der Leser lernt also, dass Umuku so mit sich selber spricht, es also eine Eigenart von ihm ist, Selbstgespräche zu führen.

Wie gesagt, habe mir mal die Mühe gemacht, alles rauszunehmen. Aber das ist dann wirklich sehr experimentell, obwohl ich so etwas durch aus mag, auch wenn es anstrengend zu lesen wäre.



Eine halbe Ewigkeit
„Und?“
„Was und?“, sagte er, lauter als er es gewollt hatte.
„Na ja, ich mein, was wirst Du jetzt machen?“
„Nichts werd ich machen.“
„Und was würdest Du gerne machen?“
Umuku zog die Nase hoch und zuckte mit den Schultern.
„Es war doch immerhin Dein Zuhause. Also, irgendwie so ein bisschen. Dachte ich.“
„Dachte ich auch. Isses nicht mehr.“
„Die können Dich doch nicht einfach rauswerfen.“
„Hamse ja nicht. Ich hau selber ab.“ Und das hatte sich Umuku geschworen, er würde nicht bleiben.
„Wann denn?“
„Bin praktisch schon weg.“
Er holte eine Zigarette heraus, zündete sie an und paffte genüsslich.
„Das ist unfair“
„Keine hat je gesagt, dass das Leben fair ist.“
„Scheiß Spruch.“
„Aber wahr.“ Dumme Sprüche hatte Umuku immer schon gehört, daran war er gewöhnt.
„Ach, fick Dich für wahr.“
„Fick Dich selber.“
Umuku drehte sich weg und schniefte erneut. Unten auf der Straße quälte sich ein alter Mann mit seinem Fahrrad den Hügel hinauf.
„Hör auf, jetzt reden wir schon wie alte Männer“
„Was ist so schlimm daran, wie sie zu reden?“
„Die Gerechtigkeit ist so schlimm. Gerechtigkeit, die sie sich nehmen, und die nichts ist, als die Macht des Moments.“ Die hatte er nie erfahren, wenn er so darüber nachdachte.
„Schon wieder so ein Spruch. Du kannst Dich doch nicht schwarzärgern, oder wie man da sagt.“
„Bei mir eher weiß.“
„Ärger Dich von mir aus bunt.“
„Selbst das würde nichts helfen. Sie verlangen Farben, die es nicht gibt.“
„Kapier ich nicht.“
„Macht nichts. Es ist auch nicht wichtig.“ Umuku seufzte.
 „Lüg nicht! Natürlich ist es wichtig. Ich weiß, dass es Dir wichtig ist.“
„Sie sind wichtig. Ich nicht.“
„Aber da findet sich doch sicher eine Lösung.“
„Nein. Und ich glaub, das will ich gar nicht.“
„Man kann einander entgegengehen. Du weißt genau, was ich meine.“
„Entgegengehen, ich bin ihnen so weit entgegengegangen, dass wir aneinander vorbeigelaufen sind. Natürlich war da eine Tür offen. Aber der Eintritt, der war einfach zu teuer.“
„Und wo willst Du jetzt hin? Du hast doch selbst gesagt, dass es nichts anderes für Dich gibt. Oder doch?“
„Keine Ahnung. Ich glaub nicht.“

Sie schauten auf den Weg hinab und folgten dem alten Radfahrer mit ihren Blicken, bis der endlich hinter den Bäumen verschwunden war. Er will sicher auch zur Kapelle hoch. Aber in dem Tempo würde das noch eine halbe Ewigkeit dauern.
„Wenn eine Ewigkeit ewig dauert“, sagte Umuku leise, „wie lange dauert dann eine halbe Ewigkeit?“
 „So langsam versteh ich, warum sie Dich rausgeschmissen haben.“
„Sie haben mich nicht rausgeschmissen“, wiederholte Umuku.
„Also gut, dann versteh ich`s nicht.“
„Ich versteh`s ja selbst nicht. Ich versteh eh gar nichts mehr. Ich versteh nicht, warum Menschen nicht Menschen sein dürfen. Ich versteh nicht, warum manche alles bestimmen müssen. Ich versteh nicht, warum Du keinen Wein mitgebracht hast.“
„Weil … ich … keine … Kohle … mehr … hab.“

Über dem Maisfeld lieferten sich ein Rabe und ein Habicht einen Luftkampf. Immer wieder flog der Schwarze auf den Habicht zu. Der Rabe war gewandter in der Luft, konnte kurze Wendungen ziehen und enge Kurven schlagen. Sein scharfer Schnabel stieß nach den Flügeln des Raubvogels, der wieder und wieder ausweichen musste. Zunächst versuchte der Habicht unbeeindruckt seine Kreise zu ziehen, aber schließlich flog er einfach zur Straße runter. Der Rabe hatte das Revier für sich allein, setzte sich auf den obersten Ast des toten Kirschbaums und krächzte lautstark.
„Ich find`s schade. Vielleicht redest Du noch mal mit ihnen …“
„Nö. Mach ich nicht. Kannst Du ja machen.“ Da war er sehr sicher.
„Ich kenn sie ja nicht.“
„Natürlich kennst Du sie nicht. Wer kennt schon einen anderen?“
„Wir kennen uns.“
„Ja, das ist aber auch schon alles.“
„Bin ich Dir nicht genug?“
„Genug ist nie genug.“ Sollte er mit sich selbst eingeschnappt sein?
„Du mit Deinen scheiß Sprüchen.“
„Ist nicht von mir, ist von Konstantin Wecker.“
„Noch so ein Wortverdreher.“
„Ein Wortgewaltiger, würde ich eher sagen“, sagte Umuku und zog die Nase wieder hoch.
„Gib zu, Du heulst.“
„Wenn schon. Geht Dich gar nichts an.“

Der alte Mann lehnte sein Fahrrad an die Kirchenwand und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Mit wem redest Du denn da?“
„Mit niemand“, sagte Umuku, stand auf und ging weg.


Wie gesagt nur Umuku erwähnen. Hier müsste man insoweit feilen, als dass dem Leser immer klar ist, wer gerade redet, bis am Ende klar wird, er redet mit sich selbst.

Der Leser sollte schon an die Hand genommen werden, nicht zu verwirrt zu sein. Der Leser sollte sich nur fragen, wer ist die andere Person, bis dann am Ende die Auflösung kommt.


merin

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Re: Eine halbe Ewigkeit
« Antwort #20 am: 30 April 2021, 11:59:00 »
Dann mache ich hier mal wunschgemäß zu. Aber vorher kann ich noch verraten, dass ich die Anführungsstriche auch bei einem Selbstgespräch kein Problem finde. Nur eben die Handlungen der nicht vorhandenen Person, die finde ich schwierig.

 :closed:
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.