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  • #1 von LaHallia am 20 Dec 2021
  • Hallo ihr Lieben,

    zwei Dinge vorweg.
    1. bitte nicht öffentlich stellen
    2. der untenstehende Text handelt von einer Totgeburt, also nicht weiterlesen, wenn ihr euch damit nicht wohlfühlt.

    Zum Hintergrund... schwer zu sagen was ihr da brauchen könntet. Untenstehende Szene spielt 392BC und im historischen Kontext; es ist der erste Band einer Romanreihe und historische Fantasy.
    Artemisia ist die Tochter des Königs und hat bei ihrer politischen Ehe so ziemlich alles aufgegeben, das sie jemals erreichen wollte. Sie hatte sich schon fast damit abgefunden völlig unbedeutend zu sein, als ihr Mann (der nächste König) ihr verspricht ihr gewisse (politische und soziale) Privilegien einzuräumen, die Frauen damals nicht hatten. (Hab ich übrigens nicht erfunden, hat der historische Maussollos auch tatsächlich getan). Vor dieser Szene kam es zu einem Aufstand im Land und Artemisias Mann wäre fast gestorben, was ihr jede Aussicht auf Bedeutsamkeit geraubt hätte.
    Ich hoffe im Roman habe ich ihre Motivationen besser darstellen könne als jetzt in der Zusammenfassung, aber Artemisia reitet im vorangehenden Kapitel zu einem Heiligtum und da der Priester auf Opfergaben besteht flutscht ihr in ihrer Verzweiflung ein Gedanke durch den Kopf, den sie bewusst eigentlich gar nicht haben wollte: die Götter sollen ihr das Kind nehmen, wenn nur ihr Mann lebt. Sie kann weitere Kinder haben wenn er lebt, aber wenn er stirbt wird sie alles verlieren was er ihr zugesichert hat.
    Das Ungeheuer am Ende ist die Erfüllung der Vision aus dem ersten Kapitel. Und es ist mir sehr wichtig, dass dieses Bild noch mit drinnen ist in der Szene.

    Der Textausschnitt ist die letzte Szene des ersten Bandes. Die Rohfassung ist also komplett. Ich weiß dass sprachlich noch zu feilen ist, grundsätzlich würde mich Folgendes interessieren:
    - kann ich das so bringen?
    - ist es nachvollziehbar, wie schrecklich die Situation ist?
    - worauf sollte ich beim Überarbeiten besonders achten?
    - ich weiß, dass es wahrscheinlich eher nicht möglich ist kurz nach einer Geburt herumzugehen, aber ich wollte ihren Mann mit einbauen, weil er definitiv der herzlichere Mensch von beiden ist und irgendwas Nettes sollte doch passieren, habe ich mir gedacht; Lösung für dieses Problem ist mir aber noch keine eingefallen.

    Desma ist Artemisias Dienerin und Vertraute;
    Maussollos ist Artemisias Mann;
    Aba ist die Mutter von Artemisia und Maussollos und somit die Frau des Königs.
    Lyxes ist der Priester, der auf Opfergaben bestanden hat anstatt ihr einfach zu helfen.
    Labraunda ist eine Ortschaft in der heutigen Türkei, in der das Heiligtum stand.

    Achja und ich bin kinderlos und habe mir leider alles zusammenreimen müssen, daher mag da recht viel falsch dargestellt sein. Wäre ebenfalls dankbar für dahingehende Hinweise.

    ----

    Mit zusammengekniffenen Augen sah Artemisia im strömenden Regen Aba auf sie zulaufen. Jeder Regentropfen fühlte sich an wie ein brennender Pfeil, der ihre Haut durchbohrte.
    Sie brannte, wie die Platanen in Labraunda; wie das Feuer, von dem Maussollos gesprochen hatte.
    Maussollos.
    Er lebte. Sie wusste es. Sie hatte ihm das Leben des Kindes zurückgegeben.
    Sie griff nach dem Hals des Pferdes, als Lyxes hinter ihr absprang. Ihre Hand schien sich langsamer zu bewegen als sie es wirklich tat, der Regen nässte sie nicht. Aber warum glänzte dann der Ring an ihrem Finger? Es musste eine fremde Hand sein.
    Die Umgebung verschwamm vor Artemisias Augen.
    Sie hob ihren Blick hinauf in den Himmel und der Regen verbrannte sie nicht mehr.
    Das Kind war tot. Vielleicht war sie es auch. War das der Weg in die andere Welt?
    Steh mir bei, Hekate.
    Dann griffen Hände nach ihr. Der Mund ihrer Mutter bewegte sich und sie konnte nicht stehen, als die Sklaven sie vom Pferd hoben.
    Hatte sie noch Beine?
    Brauchte man nicht Beine um in die andere Welt zu kommen?
    Sie sah an sich hinunter. Ihre Beine waren noch da. Ihre Füße auch. Eingewickelt in Stiefel.
    Dann erzitterte die Welt.
    Etwas hatte sie getroffen.
    Ein Schlag?
    Ein Blitz?
    Sie fiel auf die Knie.
    Kalte Tropfen prasselten auf sie nieder. Das Gewicht des durchnässten Himation zog sie nach unten.
    Es war kalt. So kalt.
    „Sag ihr was du getan hast!“, schrie der Priester. Seine Finger gruben sich in ihre Oberarme und er zerrte sie hoch.
    „Maussollos lebt“, sagte sie zu Aba.
    „Woher-“
    „Sag es ihr!“
    Ein schwerer, drückender Schmerz zog durch ihr Becken.
    Aber Maussollos lebte. War das nicht alles, was zählte?
    „Bist du gefallen?“, fragte Aba. „Was ist geschehen? Was ist los mit dir?“
    „Aba, bete wie du nie zuvor gebetet hast“, sagte Lyxes.
    Aber wozu sollte ihre Mutter noch beten?
    Irgendjemand beugte sich an Artemisias Ohr und murmelte Worte, die sie nicht verstand.
    Es war tot und Maussollos lebte.
    Die Umrisse des Innenhofs schienen sich zu bewegen, fortzuspringen vor ihr, näherzukommen, als starrten sie sie an, als verurteilten sie sie.
    Sie würgte, würgte an der Schuld die sie auf sich geladen hatte, am Schmerz und der Erleichterung.
    Aba schrie und Lyxes betete. Desma half ihr in ihr Zimmer und die Hebammen versammelten sich um sie.
    Sie sah es wie die Mosaike auf den Fußböden des Palasts und den Malereien an den Wänden.
    Da war ein sehr dünnes Mädchen, das die Künstler nicht gut getroffen hatten. Es wanderte im Raum auf und ab, gestützt von zwei alten Frauen.
    Auf und ab. Auf und ab.
    Manchmal blieben die Drei stehen und das Mädchen krümmte und wand sich ganz unwürdig.
    Sie war die Tochter des Königs.
    Die Tochter des Königs.
    Es war kein Mosaik, das sie da sah. Kein Wandbild. Die Bilder bewegten sich.
    Es war unmöglich.
    Warum bewegten sich die Bilder?
    Warum sagte niemand dem dünnen Mädchen, das es sich umsonst quälte?
    Das Kind war tot.
    Sie umklammerte die Unterarme der Hebammen.
    Die Bilder waren fort.
    Sie spürte die Knochen der Frauen. Ihre warme Haut.
    Das Kind war tot.
    Sie hatte es getötet.
    Artemisia schnappte nach Luft.
    Es war still im Raum. Die Luft drückend. Es roch nach Traurigkeit.
    „Wir müssen noch gehen“, sagte eine der alten Frauen und zog sie leicht.
    Und so gingen sie.
    Auf und Ab. Auf und ab.
    Und wenn sie nicht mehr wusste wie sie den Druck in ihrem Rücken aushalten sollte blieb sie stehen und dachte daran, wofür sie es getan hatte.
    Ein Leben für ein Leben.
    „Wie geht es Maussollos?“ Sie suchte mit ihren AUgen nach Desma.
    „Gut. Es geht ihm… gut.“
    Sie hatte gezögert.
    Der Druck in ihrem Rücken wich einem scharfen, schneidenden Schmerz.
    „Warum zögerst du?“, keuchte sie. „Es kann doch nicht umsonst gewesen sein!“
    Sie versuchte sich aus den Griffen der alten Frauen zu befreien, doch es gelang ihr nicht.
    „Kümmer dich nicht um Maussollos. Um ihn kümmern sich andere. Dein Kind-“
    „Es ist tot!“, schrie sie. „Glaubst du ich bin dumm? Glaubst du ich weiß es nicht?“
    Sie wollte dieses tote Kind nicht in sich haben. Noch einmal zerrte sie an den Griffen der Hebammen und dieses Mal ließen sie sie in die Hocke gehen.
    Sie machte sich bereit aufzugeben, sich der Nacht und der Stille anzuvertrauen die sie umgab.
    Aber die Götter erlaubten ihr nicht zu gehen.
    Der Schmerz traf sie mit voller Härte. Der Ekel, die Verachtung, die Schuld.
    Ah, die Schuld.
    Sie schrie die Schuld hinaus, den Ekel und die Verachtung. Sie schrie bis sie keine Stimme mehr hatte und wandte sich ab als die Hebammen das Kind hochhoben.
    Ihr Herz schlug laut in der Stille, das Tosen ihres Blutes dröhnte in ihren Ohren.
    „Ein Mädchen“, sagte Desma.
    Sie war weiß. Ihre Adern zogen sich als blaue und violette Zeichnungen über ihren winzigen schlaffen Körper.
    Die Hebamme schüttelte das Kind. Schlug ihm auf den Rücken, ließ es kopfüber hängen und schlug es wieder.
    Aber es war doch schon lange tot. Wozu tat sie das alles noch?
    Artemisia sah das Mädchen an.
    Ihr Herz brannte, kalt und langsam, wie das Feuer von dem Maussollos gesprochen hatte, in das man alles warf, damit es nur noch ein bisschen weiter brannte.
    Sie wollte wegsehen, wollte es wirklich, aber sie konnte die Augen nicht von dem kleinen, schlaffen Körper wenden.
    Du hast das getan.
    Du wolltest es so.
    Ihr Haar war schwarz und lockig und sie hatte die winzigste, kleine Stupsnase. Artemisia hob ihre Hand. Sie wollte die kleine Nase fühlen, ihre Finger durch die Löckchen gleiten lassen. Aber sie hielt inne.
    Das Mädchen hätte leben können.
    Sie hatte ihr Recht das Kind zu berühren verloren als sie sein Leben im Tausch für Maussollos‘ anbot.
    Abas Schluchzen drang an ihre Ohren.
    „Wärest du nur nicht nach Labraunda geritten. Jeder weiß, dass man nicht reiten soll. Du hast den Tod des Kindes leichtsinnig hervorgerufen.“
    Leichtsinnig?
    Nein. Wissentlich und willentlich.
    „Säubert sie beide“, befahl Aba bevor sie den Raum verließ.
    Desma half ihr auf.
    Ihre Knie zitterten, ihr ganzer Körper zitterte.
    Es war vorbei.
    Maussollos lebte.
    Das Mädchen war tot.
    Sie konnte jeden Gedanken daran fortschieben, auslöschen. Für immer weit hinten in ihren Gedanken fortsperren.
    Als Desma sie gewaschen und ihr ein frisches Kleid angezogen hatte stand sie auf.
    „Folge mir“, sagte sie zur Hebamme, die das kleine Mädchen noch immer hielt. Und dann machten sie sich auf den langen Weg zu Maussollos‘ Zimmer.
    Sein Gesicht war noch immer grau, aber seine Lippen hatten wieder eine normale Farbe.
    Ihr Herz hüpfte nicht.
    Der Preis für sein Leben war zu hoch gewesen.
    Er richtete sich auf, als sie näher trat. Hielt ihr seine Hand entgegen und senkte dann seinen Blick, als er die Hebamme sah.
    Ich habe dein Kind getötet, flüsterte sie stumm.
    „Ein Mädchen, tot geboren“, sagte die Hebamme und hielt das Kind so, dass er es sehen konnte.
    Artemisia folgte seinem Blick, presste ihre Lippen aufeinander um jeden Laut zu unterdrücken und riss ihre Augen auf um den Tränen Platz zu geben.
    Maussollos ließ Artemisias Hand los und winkte die Hebamme näher.
    Artemisias Herz brannte wieder, heiß dieses Mal, heiß und mit schwerem Druck, als er das Kind aus den Händen der Hebamme nahm. Er sah es an, als wäre es das Schönste, das er jemals gesehen hatte. Mit seinem Zeigefinger fuhr er ganz leicht über ihre Nase.
    „Fast hättest du es geschafft, meine Kleine.“
    Artemisia erstarrte. Der Druck in ihrem Herzen raubte ihr den Atem. Der Raum wankte vor ihren Augen und sie stolperte zum Fenster, riss die Balken auf und rang nach Luft.
    Ihre Augen hoben sich verzweifelt hinauf in den Himmel.
    Über den Bergen kreiste ein riesiges, echsenartiges Ungeheuer.


     :daaanke:
  • #2 von merin am 21 Dec 2021
  • Huhu,

    na dann mal ran an die Buletten:

    Zitat
    Mit zusammengekniffenen Augen sah Artemisia im strömenden Regen Aba auf sie zulaufen. Jeder Regentropfen fühlte sich an wie ein brennender Pfeil, der ihre Haut durchbohrte.
    Sie brannte, wie die Platanen in Labraunda; wie das Feuer, von dem Maussollos gesprochen hatte.
    Maussollos.
    Er lebte. Sie wusste es. Sie hatte ihm das Leben des Kindes zurückgegeben.

    Den ersten Satz würde ich umstellen und den ersten Absatz rausnehmen. Und ich denke, da ist ein Komma zu viel, da bin ich mir aber nicht ganz sicher:

    Zitat
    Mit zusammengekniffenen Augen sah Artemisia Aba im strömenden Regen auf sie zulaufen. Jeder Regentropfen fühlte sich an wie ein brennender Pfeil, der ihre Haut durchbohrte. Sie brannte wie die Platanen in Labraunda; wie das Feuer, von dem Maussollos gesprochen hatte.
    Maussollos.
    Er lebte. Sie wusste es. Sie hatte ihm das Leben des Kindes zurückgegeben.

    Inhaltlich ist das an vielen Stellen nicht ganz perfekt, aber ich kaufe es trotzdem. Ist halt assoziativ und ein etwas kitschiger Stil, der aber in sich stimmig ist.

    Zitat
    Sie griff nach dem Hals des Pferdes, als Lyxes hinter ihr absprang. Ihre Hand schien sich langsamer zu bewegen als sie es wirklich tat, der Regen nässte sie nicht. Aber warum glänzte dann der Ring an ihrem Finger? Es musste eine fremde Hand sein.
    Die Umgebung verschwamm vor Artemisias Augen.

    Da hängst du mich allerdings ab. Bislang habe ich Artemisia im Regen stehen sehen und Aba rennt auf sie zu. Nun sitzt Artemisia plötzlich auf einem Pferd und es regnet doch nicht. Das mit der fremden Hand ergibt keinen Sinn, denn wenn es regnet, werden alle Hände nass.

    Zitat
    Sie würgte, würgte an der Schuld die sie auf sich geladen hatte, am Schmerz und der Erleichterung.

    Komma nach Schuld.

    Ansonsten sehe ich zwar nicht ganz durch, wer wer ist, aber ansonsten komme ich ganz gut mit. Nur frage ich mich, wieso der Priester sie hier anprangert und wieso der überhaupt dort ist. Ich würde das einfach weglassen.

    Zitat
    Sie sah es wie die Mosaike auf den Fußböden des Palasts und den Malereien an den Wänden.
    Da war ein sehr dünnes Mädchen, das die Künstler nicht gut getroffen hatten. Es wanderte im Raum auf und ab, gestützt von zwei alten Frauen.
    Auf und ab. Auf und ab.
    Manchmal blieben die Drei stehen und das Mädchen krümmte und wand sich ganz unwürdig.

    Das verstehe ich nicht ganz. Meinst du das hier?

    Zitat
    Sie sah sich, als wäre sie ein Mosaik auf den Fußboden des Palasts oder eine Malereien an der Wand.
    Ein sehr dünnes Mädchen, das die Künstler nicht gut getroffen hatten. Es wanderte im Raum auf und ab, gestützt von zwei alten Frauen.
    Auf und ab. Auf und ab.
    Manchmal blieben die drei stehen und das Mädchen krümmte und wand sich unwürdig.

    Hab mal auch ein paar Fehler rausgemacht.
    Ansonsten: Wenn sie geboren hat, ist sie eine Frau. Und sie wird sich wohl nun doch mal hinlegen oder dazu genötigt werden.
    Oder soll das die Geburt sein? Dann ergibt es Sinn, dass sie geht. Aber du merkst, dass ich inhaltlich durcheinander bin und nicht verstehe, was passiert. Wenn hier eine Geburt geschildert wird (was ja nachher deutlich wird, dass es das sein soll), dann musst du Wehen zeigen. Ich würde ihr auch einen Gedanken unterschieben, wie "so, jetzt kannst du raus" an das Kind. Auf dem Pferd wäre ja blöd gewesen.

    Zitat
    Und wenn sie nicht mehr wusste wie sie den Druck in ihrem Rücken aushalten sollte blieb sie stehen und dachte daran, wofür sie es getan hatte.
    Komma nach wusste

    Zitat
    Sie machte sich bereit aufzugeben, sich der Nacht und der Stille anzuvertrauen die sie umgab.

    Komma nach anzuvertrauen

    Zitat
    Sie wollte dieses tote Kind nicht in sich haben. Noch einmal zerrte sie an den Griffen der Hebammen und dieses Mal ließen sie sie in die Hocke gehen.
    Sie machte sich bereit aufzugeben, sich der Nacht und der Stille anzuvertrauen die sie umgab.
    Aber die Götter erlaubten ihr nicht zu gehen.
    Der Schmerz traf sie mit voller Härte. Der Ekel, die Verachtung, die Schuld.

    Inhaltlich verstehe ich das nicht. Wir müssen davon ausgehen, dass wir hier in einer Zeit sind, in der Totgeburten nicht selten waren. Müsste sie dann nicht, wenn sie einen Deal gemacht hat, denken: "Bring es hinter dich und schweig!" ?
    Und wohin will sie denn gehen?
    Und wofür hat sie Ekel, Verachtung oder Schuld? Für sich selbst? Wieso? In ihrer Welt hat sie doch einen guten Deal gemacht?
    Nicht zuletzt ist die Formulierung "Griffe der Hebammen" merkwürdig, denn die haben ja keine Henkel, sondern Arme. An denen zerrt sie. Und ich würde annehmen, dass die Hebammen nicht alle alt sind.
    Rein vom Satz her würde ich ihre direkten Gedanken kursiv setzen und mit den Absätzen etwas sparsamer sein.

    Zitat
    Sie schrie die Schuld hinaus, den Ekel und die Verachtung. Sie schrie bis sie keine Stimme mehr hatte und wandte sich ab als die Hebammen das Kind hochhoben.
    Ihr Herz schlug laut in der Stille, das Tosen ihres Blutes dröhnte in ihren Ohren.
    „Ein Mädchen“, sagte Desma.
    Sie war weiß. Ihre Adern zogen sich als blaue und violette Zeichnungen über ihren winzigen schlaffen Körper.

    Komma nach ab.
    Und in den letzten beiden Sätzen muss es "Es" heißen: Es war weiß. Seine Adern ... Aber vielleicht formulierst du das um und verzichtest auf Pronomen.

    Zitat
    Ihr Haar war schwarz und lockig und sie hatte die winzigste, kleine Stupsnase. Artemisia hob ihre Hand. Sie wollte die kleine Nase fühlen, ihre Finger durch die Löckchen gleiten lassen. Aber sie hielt inne.

    Hier hast du auch das Problem mit den zwei "ihrs". Aber wenn es ein Mädchen ist, muss es grammatikalisch sein sein. (seinseinseinseinsein). Das klingt dann aber auch meist unschön. Ich würde es wohl umformulieren:

    Zitat
    Schwarzes, lockiges Haar, eine winzige, kleine Stupsnase. Artemisia hob ihre Hand. Sie wollte die kleine Nase fühlen, die Finger durch die Löckchen gleiten lassen. Aber sie hielt inne.

    Dann ist auch klarer, was wohin gehört.

    Zitat
    Der Preis für sein Leben war zu hoch gewesen.

    Ich würde das "zu" streichen. Denn noch kann sie das nicht wissen. Und es lässt sie auch etwas weniger weinerlich scheinen, wenn sie einfach denkt: Der Preis war hoch (aber so ist das Leben).

    Zitat
    Ihre Augen hoben sich verzweifelt hinauf in den Himmel.

    "zum Himmel". Bei "in den" müsste sie ja fliegen.

    Nun zu deinen Fragen. Mhm. Das finde ich nicht ganz leicht. Erstmal ist es so, dass die allermeisten Frauen direkt nach der Geburt so voll Endorphin sind, dass sie gehen können. Das geht dann einen Tag später eher schwerer. Das haut also hin.
    Eine Schwierigkeit habe ich mit der Charakterisierung von Artemisia. Die wirkt hier ein bissel luschig und weinerlich. Das passt aber nicht recht zu dem, was ich von ihr bereits weiß. Daher würde ich dir raten, sie etwas zäher zu machen. Ihr Schmerz ist ja auch ziemlich redundant, da kannst du ohne Weiteres etwas herausstreichen.
    Und dann würde ich die Anfangsszene gleich beim Einstieg verorten: Wer ist wo? Was passiert?
    Insgesamt wird für mich auch zu wenig deutlich, dass sie ein Kind bekommt und mitten in den Wehen ist. Wann haben die eingesetzt? Wie häufig sind sie? Das würde ich deutlicher machen.
    Und dann die Frage des Schrecklichen: Was genau ist denn so schrecklich? Was ich mir jetzt zusammenreime ist: Artemisia hat einen kranken Mann. Der muss aber leben, damit sie und ihr Kind eine Chance haben. Also reitet sie zum Tempel, wo sie einen von beiden opfern muss. Sie opfert das Kind, auch, weil es halt "nur" ein Kind ist, aber auch, weil sie weiß, dass es ohne den Mann keine Chance hat. Armut kann sie für ihr Kind und sich nicht wollen.
    Dann ist es zwar immer noch schrecklich, sich umsonst durch eine Geburt kämpfen zu müssen, ich gehe aber davon aus, dass das damals recht normal war.
    Ich würde ihr wohl auch nicht das Verbot auferlegen, das Kind anzufassen. Warum es sie nicht einmal halten lassen, denken lassen "du musstest gehen, aber du wirst sehen, es hatte einen Grund"? Sie also aufrecht stehen lassen, vor dem, was sie ja auch selbst gewählt hat? Das würde deine Figur stärker und auch konsistenter machen. Wenn ich denn richtig kapiert habe, worum es geht.

    Ich hoffe, damit kannst du etwas anfangen.

    LG
    merin
  • #3 von LaHallia am 21 Dec 2021
  • Hi merin,

    danke für deine Anmerkungen.

    Bei einer Geburt zu liegen und dann noch in so einer sinnlosen Position wie am Rücken ist eine eher moderne Erfindung. Wenn ich nicht ganz irre hat das irgendein französischer König heraufbeschworen, weil er einer Geburt beiwohnen wollte und nichts gesehen hätte, wäre die Frau gestanden/gehockt/gesessen, wie das davor üblich war.
    Daher habe ich Artemisia auch nicht liegen lassen. Keine Ahnung ob es irgendwann während des Geburtsprozesses notwendig ist zu liegen.

    Zitat
    Eine Schwierigkeit habe ich mit der Charakterisierung von Artemisia. Die wirkt hier ein bissel luschig und weinerlich.
    Ich fürchte, das ist ein Problem, das sich durch den ganzen Text zieht. Artemisia kommt mir recht trotzig und weinerlich vor. Was mir auch überhaupt nicht gefällt. Ob ich es komplett aus dem Text rauskriege weiß ich nicht, weil ich dann keine Charakterentwicklung mehr habe, aber ich habe vor es ganz drastisch zu reduzieren.
    Ich schätze mal ein guter Mittelweg wäre, den Trotz drinnen zu lassen und das Gejammer rauszunehmen.

    Zitat
    Und dann würde ich die Anfangsszene gleich beim Einstieg verorten: Wer ist wo? Was passiert?
    Wird gemacht.

    Zitat
    Und dann die Frage des Schrecklichen: Was genau ist denn so schrecklich? Was ich mir jetzt zusammenreime ist: Artemisia hat einen kranken Mann. Der muss aber leben, damit sie und ihr Kind eine Chance haben. Also reitet sie zum Tempel, wo sie einen von beiden opfern muss. Sie opfert das Kind, auch, weil es halt "nur" ein Kind ist, aber auch, weil sie weiß, dass es ohne den Mann keine Chance hat. Armut kann sie für ihr Kind und sich nicht wollen.
    Dann ist es zwar immer noch schrecklich, sich umsonst durch eine Geburt kämpfen zu müssen, ich gehe aber davon aus, dass das damals recht normal war.
    Jap, hast du korrekt zusammengefasst. Ich meine... ich wage es kaum zu schreiben... wenn man mir das wirklich abkaufen würde, dass sie nicht völlig zerstört ist und ewig lang dem Kind nachtrauert, wäre das schon eine enorme Erleichterung für mich. Es wäre mich auch tatsächlich lieber wenn sie nicht den Rest ihres Lebens damit zu kämpfen hätte. Ich dachte nur, dass alles was ich jemals über Fehl/Totgeburten mitbekommen habe schwer traumatisch war und niemals überwunden wurde; woran Beziehungen gescheitert sind etc etc. Kann man so in der Form whsl nicht 2.500 Jahre zurücktransportieren, aber auch damals hatten Frauen sicherlich gewisse Hoffnungen für ihre Kinder, oder Hoffnungen für sich selbst, die Kinder ermöglichten. Falls du dich erinnerst ist Artemisia mit ihrem Bruder verheiratet und meine Folgerung daraus war: je eher sie ein paar Kinder hat die über 10 sind, umso eher hat sie ihre Ruhe. Aber du hast sicherlich recht, dass dieser Gedanke noch nicht beim ersten Kind aufkommt, weil eines damals sowieso nicht gereicht hätte. Gab ja eine hohe Kindersterblichkeit.
    Wie gesagt: wenn man mir mit gewisser Vorbereitung abkauft, dass sie nicht völlig traumatisiert und zerstört ist, sondern durchaus auch froh ist diese Entscheidung getroffen zu haben, dann könnte ich die Szene auch etwas aktiver gestalten und 90% von dem Gejammer rausschmeißen.

    Zitat
    Ich würde ihr wohl auch nicht das Verbot auferlegen, das Kind anzufassen. Warum es sie nicht einmal halten lassen, denken lassen "du musstest gehen, aber du wirst sehen, es hatte einen Grund"?

    Find ich gut, würde sich gut ergeben, wenn der obere Punkt so funktionieren kann, wie beschrieben.

    Zitat
    Sie also aufrecht stehen lassen, vor dem, was sie ja auch selbst gewählt hat? Das würde deine Figur stärker und auch konsistenter machen.
    Auch das finde ich gut. Das könnte nochmal der letzte Anstoß für sie sein, dass sie als Frau sehr wohl ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen kann.

     :daaanke:

    Liebe Grüße

  • #4 von merin am 21 Dec 2021
  • Hallo LaHallia,

    dass sie liegen muss, dachte ich nur, weil ich bis zu diesem Punkt dachte, sie steigt nach der Geburt vom Pferd. Es hat eine Weile gedauert, bis ich geschnallt hatte, dass sie die Geburt erst noch vor sich hat. Und dann ist es völlig korrekt, dass sie nicht liegt, sondern hockt oder im Vierfüßlerstand ist.

    Ansonsten würde ich davon ausgehen, dass der Verlust eines Kindes nicht in dem Maße als traumatisch erlebt wurde wie heute. Oder anders: Es war eine Art der Traumatisierung, für die wenig Raum war, weil sie als normal galt. Artemisia könnte also recht schnell darüber hinweg kommen, zumindest nach außen. Es gibt heute noch Kulturen, in denen es üblich ist, erst nach einer gewissen Zeit einem Kind überhaupt Leben zuzuschreiben - um sich davor zu schützen, sich zu früh zu binden und zu stark zu leiden. Ist natürlich doof, weil das dann auch die Kindersterblichkeit wieder erhöht, aber dieses Wissen darum ist ja noch recht jung.

    Soweit erstmal ...
    lg
    merin
  • #5 von Oldlady am 23 Dec 2021
  • Zuerst meine Gefühle beim Lesen:
    Huh, das ist alles gruselig und schrecklich. Und sehr nah an der Prota, toll geschrieben. Aber mir wird das in der Länge zuviel an Negativität. Das Ende mit Mausollos´ Reaktion ist bewegend.

    Doch nun zu Deinen Fragen:

    Zitat
    - kann ich das so bringen?
    Als Ende eines Bandes würde mir der Text nicht gefallen. Ich mag mich von Texten (und dieser ist berührend) nicht runterziehen lassen in meiner Stimmung. Daher lese ich vor dem Kauf eines Buches oft die letzte Seite und schaue, ob es halbwegs gut ausgeht.

    Zitat
    - ist es nachvollziehbar, wie schrecklich die Situation ist?
    Ja. Absolut.

    Zitat
    - worauf sollte ich beim Überarbeiten besonders achten?
    der Text ist stark. Doch all diese Negativität sollte nicht gar so lang andauern, also etwas kürzer wäre vielleicht besser. 

    Zitat
    - ich weiß, dass es wahrscheinlich eher nicht möglich ist kurz nach einer Geburt herumzugehen, aber ich wollte ihren Mann mit einbauen, weil er definitiv der herzlichere Mensch von beiden ist und irgendwas Nettes sollte doch passieren, habe ich mir gedacht;
    Man kann schon herumgehen (meine eigene Erfahrung), aber meistens eher nicht. Die einfachste Lösung wäre, dass Mausollos  zu Artemisia  getragen wird, die im Bett liegt.  Oder umgekehrt.

    Würde das Buch etwas erträglicher enden, würde ich es gerne lesen!

    Grüße von

    Oldlady
  • #6 von LaHallia am 23 Dec 2021
  • Hi merin,

    Zitat
    Ansonsten würde ich davon ausgehen, dass der Verlust eines Kindes nicht in dem Maße als traumatisch erlebt wurde wie heute. Oder anders: Es war eine Art der Traumatisierung, für die wenig Raum war, weil sie als normal galt.

    Danke für den Input, du hast sicher recht. Es fällt mir grundsätzlich recht schwer die Gefühlswelt an damals anzupassen. Wir hatten das Thema ja auch schon in einem anderen Thread, daher bin ich jedes Mal sehr dankbar, wenn du mich darauf hinweist.

    Zitat
    Es gibt heute noch Kulturen, in denen es üblich ist, erst nach einer gewissen Zeit einem Kind überhaupt Leben zuzuschreiben - um sich davor zu schützen, sich zu früh zu binden und zu stark zu leiden.
    Ja, war tatsächlich in der Region und der Zeit in der ich schreibe auch so. Ist mir gerade eingfallen als du es erwähnt hast: Kinder haben erst mit 10 Tagen ihren Namen bekommen und wurden dem Haushalt/Familie bei einem Fest vorgestellt. Und es gab den Ratschlag sich nicht emotional an ein Kind zu binden bis es acht Jahre war. Was halt nur Theorie war und in der Praxis sicher schwer. Es gibt auch aus der damaligen Zeit Gräber von sehr jungen Kindern, bei deren Inschriften man merkt, dass die emotionale Bindung sehr wohl (auch) schon viel früher da war.

    Liebe Grüße
  • #7 von LaHallia am 23 Dec 2021
  • Hi Oldlady,

    freut mich, dass es dir grundsätzlich gefallen hat. Ich weiß leider überhaupt nicht, wie ich das Ende "schöner" machen könnte. Ich werde etwas von dem Trauma rausnehmen, es abschwächen, aber inhaltlich verändert sich dadurch ja nichts. Vielleicht kommt ein kleiner Hoffnungsschimmer dazu, dass Artemisia weiß, dass sie das richtige getan hat, aber ob das das Ende erfreulicher macht weiß ich nicht.

     :daaanke:

    Liebe Grüße
  • #8 von merin am 23 Dec 2021
  • Naja, wenn Artemisia da etwas aufrechter rausgeht, mehr nach dem Motto: Es ist ein großes Opfer, es sollte sich besser lohnen! Dann ist das Ende schon etwas weniger düster. Genauso, wenn sie an die Kinder denkt, die noch kommen werden.
    Du könntest auch überlegen, ob sie diesem Kind zugewandter ist. Sie kann ihm danken, ein Ritual für es planen. Es kann etwas geben, was über den Tod des Kindes hinausweist.
  • #9 von eska am 25 Dec 2021
  • Hi.
    Interessanter Text und interessante Fragen, La Hallia!

    Zunächst: Ich habe die bisherigen Kommentare schon gelesen, steige also in die Diskussion ein.

    1. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass eine Frau in ähnlicher Situation viel für das Leben ihres Mannes opfert, von dem alles abhängt. Ich frage mich allerdings, wie ganz konkret sie ihr Kind geopfert hat, außer durch ihre Bereitschaft, es hinzugeben. Gab es eine Art Austreibekult? Gift? Wie gefährlich war das für sie und wusste sie das vorher? Vielleicht durchlebt sie hier auch noch den Schock des Fast-selber-draufgegangen-Seins.

    2. Wie sehr hing sie denn an diesem Kind? Sie scheint noch sehr jung (ein sehr dünnes Mädchen), also nicht unbedingt körperlich optimal entwickelt für Schwangerschaften, emotional dann oft auch nicht so reif, das eigene Leben aufs Spiel setzen zu wollen für ein Kind. Behielten Königinnen ihre Kinder überhaupt bei sich? Liebt sie ihren Mann? Wäre ein Junge das ersehnte Ergebnis?
    Es ist nicht ganz leicht, sich emotional von dem Wesen fernzuhalten, das sich in einem bewegt, aber zwiespältig könnte sie schon sein, vorher meine ich. Das Baby dann zu sehen und sich zu verlieben (passiert, wenn sie einen angucken, aber auch, weil das Kindchenschema greift), kann ja ihr persönliches Verlusterlebnis sein. Die Berührung der kleinen Nase doppelt sich, Artemisia will das, Maussolos tut es. Besser wäre, sie würde etwas anderes besonders wahrnehmen. Den zarten Geruch, die Wimpern, die kleinen Finger und Zehen, die durchscheinenden Ohren... Das hängt davon ab, wie weit die Schwangerschaft war.

    3. Wahrscheinlich ist das Kind ja noch nicht voll ausgetragen, also deutlich kleiner und leichter (im letzten Monat nehmen die Babys am meisten zu). Eine solche Geburt geht schneller und "einfacher", der Körper erholt sich schneller. Ob Endorphine (Glückshormone) ausgeschüttet würden, wage ich hier zu bezweifeln. Aber nach einer halben Stunde Pause oder so (mit Waschen etc.) könnte sie wohl ein Stück gehen. Du kannst sie ja wackelig sein lassen oder das Gefühl haben lassen, sie müsse eine Blutspur hinterlassen wegen starker Nachblutungen (das kennt sie ja nicht beim ersten Kind).
    Andererseits ist es ein tolles Gefühl, seinen Körper wieder für sich zu haben, tief Luft holen zu können etc., da wieder Platz in der Mitte ist, und vor allem die Wehen los zu sein. Überlebt zu haben -  je nachdem, wie schlimm es war.


    So weit für heute Nacht.

    Frohe Weihnachten!

    eska
  • #10 von LaHallia am 25 Dec 2021
  • Hi merin,

    Zitat
    Naja, wenn Artemisia da etwas aufrechter rausgeht, mehr nach dem Motto: Es ist ein großes Opfer, es sollte sich besser lohnen! Dann ist das Ende schon etwas weniger düster. Genauso, wenn sie an die Kinder denkt, die noch kommen werden.
    Ja, das ist eine gute Idee, das werde ich so machen.


    Hi eska,

    Zitat
    Ich frage mich allerdings, wie ganz konkret sie ihr Kind geopfert hat, außer durch ihre Bereitschaft, es hinzugeben. Gab es eine Art Austreibekult? Gift? Wie gefährlich war das für sie und wusste sie das vorher? Vielleicht durchlebt sie hier auch noch den Schock des Fast-selber-draufgegangen-Seins.
    Sie hat das Kind nicht selbst getötet. Sie war im Tempel und hat zum konkreten Gott gesagt sie gibt alles wenn ihr Mann nur lebt, er soll das Kind nehmen, statt ihn. In dem Moment schlägt ein Blitz in die heilige Platane ein und sie brennt im Regen. Aus dem Kontext heraus macht das mehr Sinn, als hier in zwei Sätzen zusammengefasst^^ SIe sieht es so, dass die Götter das Opfer angenommen haben und das Kind in diesem Moment gestorben ist.

    Zitat
    Wie sehr hing sie denn an diesem Kind? Sie scheint noch sehr jung (ein sehr dünnes Mädchen), also nicht unbedingt körperlich optimal entwickelt für Schwangerschaften, emotional dann oft auch nicht so reif, das eigene Leben aufs Spiel setzen zu wollen für ein Kind. Behielten Königinnen ihre Kinder überhaupt bei sich? Liebt sie ihren Mann? Wäre ein Junge das ersehnte Ergebnis?
    Sie hing kein bisschen an dem Kind, das habe ich im Text auch behandelt. Sie sieht es als etwas, das ihren Status festigen und etwas heben würde, aber emotionale Bindung hat sie keine zu dem Kind. Und das Kind hat auch erheblich weniger Wert als ihr Mann. Weil die Wahrscheinlichkeit, dass dieses eine Kind so oder so gestorben wäre recht hoch war und dann wäre sie ohne Mann und Kind dagestanden, das wäre natürlich ziemlich blöd gewesen. Übertrieben jung habe ich sie nicht gemacht. Sie ist zu diesem Zeitpunkt 16 oder 17. Und das Kind hätte eine Amme gehabt. Ihren Mann liebt sie nicht, aber sie weiß, dass ihr Leben als Witwe sich ganz erheblich verschlechtern würde.

    Zitat
    Die Berührung der kleinen Nase doppelt sich, Artemisia will das, Maussolos tut es.
    Das habe ich mit Absicht gemacht, dachte das würde ein stärkeres Bild sein :D

    Zitat
    Wahrscheinlich ist das Kind ja noch nicht voll ausgetragen, also deutlich kleiner und leichter

    Jap, war eine Frühgeburt im 6. oder 7. Monat.

    Danke für deinen Input  :daaanke:

    Liebe Grüße
  • #11 von Paul am 29 Dec 2021
  • Hallo LaHallia

    Ich versuchs mal mit der Röstung, obwohl ich für Geburten nicht unbedingt der Fachmann bin. Doch war ich immerhin bei der Geburt meiner Tochter dabei (bei der Geburt meines Sohnes lag ich dagegen mit Fieber im Bett).

    Nun denn:

    Der Erstleseeindruck

    Der Text ist ein einziger Gedankenstrom, der sich schnell und flüssig liest. Einzig die vielen Namen verwirren mich und ich frage mich, ob es sie wirklich alle in dieser Häufung braucht. Insgesamt bleibt aber alles auch leicht diffus. Wer befindet sich wo? Da ist ein Pferd. Da sind danach die Hebammen. Zuerst denke ich, sie hat ihr Kind schon verloren, dann erfahre ich, sie verliert es erst später bei den Hebammen. Kurzum: es bleibt ein wenig verwirrend im Ablauf, was auf der einen Seite zu ihren panischen Gedanken passt, in denen sich alles ineinander verschränkt, auf der anderen Seite aber natürlich auch das Lesen erschwert.

    Was mir fehlt

    Neben einer eindeutigeren räumlichen und zeitlichen Zuordnung der unterschiedlichen Szenen in deinem Text vor allem zwei Dinge:

    1) Der Moment, an dem sie begreift, dass ihr Kind tot ist.

    Ich könnte mir vorstellen, dass ich die Relevanz besser begreifen würde (außer du hast es in den Szenen davor schon ausführlich erzählt), welche Hoffnung sie mit ihrem Kind verbindet. Doch auch wenn du es schon erzählt hast, braucht es in dem Moment, in dem sie spürt, dass sich in ihrem Bauch etwas verändert hat, mehr Gedanken und Emotionen dazu. Bei dir weiß ich nicht, woher die Prota ihre Ahnung hat. Ist es nur, weil sie es den Göttern das Angebot dazu gemacht hat? Dann müssten bei dir mehr Ängste kommen, aber noch keine Gewissheit. Oder weiß sie es? Dann würde ich gern wissen, woher. Was fühlt sich in ihrem Bauch anders an. Zieht er sich zusammen? Ist plötzlich alles schwer? Fehlt die Bewegung des Kindes, weil es schon so groß ist? Oder ist es ein langsames Anwachsen ihrer Ängste, das sich nach und nach in eine Sicherheit verwandelt? Gib mir hier mehr.

    2) Die Beschreibung der Tot-Geburt selbst (die bei dir so gut wie entfällt)

    Ich glaube, hier brauchst du noch mehr Recherche, um eine genauere Vorstellung davon zu bekommen. Wie alt ist das Kind? Am Anfang (erste Monate) merken es viele Frauen oft kaum, wenn ihr Kind abgeht. Da ist nur ein Blutfluss. Und danach kommen Krämpfe. Und die Nachgeburt.

    Wenn das Kind im Bauch schon älter ist, sieht eine Geburt ganz anders aus. Sie dauert auf jeden Fall länger. Sie ist blutiger. Und mit mehr Schmerzen verbunden. Und dort, wo sonst das Glück kommen könnte, ein lebendiges Kind in den Händen zu halten, kommt der Abgrund, dass es tot ist. Will sie es sehen? Kann sie es sehen? Verstecken es die Hebammen?

    Wie es auch ist, auch hier wünschte ich mir mehr. So bleibt die Geburt mehr eine Behauptung, als dass ich sie als Leser miterlebe.

    Nun zu deinen Fragen:

    - kann ich das so bringen?

    Mir ist die Geschichte - angesichts der Tragik einer Totgeburt - deutlich zu flach erzählt. Du beschreibst für mich das Gerüst. Aber es fehlen mir noch wesentliche Punkte.

    - ist es nachvollziehbar, wie schrecklich die Situation ist?

    Nicht so richtig. Neben der Schilderung der Geburt und ihrer Schrecken könnten auch noch mehr innerer Schrecken der Protagonistin dazukommen. Schuldgefühle (Was habe ich nur getan?), Hoffnungen (Zumindest lebt mein Mann!), Zweifel (Und wenn auch er tot ist?) Das ganze Auf und ab. Für mich holst du aus der Szene noch nicht das heraus, was in ihr steckt.

    - worauf sollte ich beim Überarbeiten besonders achten?

    vgl. ganz oben:
    Ort und Zeit besser zuordnen
    Frage klären: woher weiß sie, dass ihr Kind tot ist
    Die Geburt selbst detaillierter schildern

    - ich weiß, dass es wahrscheinlich eher nicht möglich ist kurz nach einer Geburt herumzugehen, aber ich wollte ihren Mann mit einbauen, weil er definitiv der herzlichere Mensch von beiden ist und irgendwas Nettes sollte doch passieren, habe ich mir gedacht; Lösung für dieses Problem ist mir aber noch keine eingefallen.

    Im Krankenhaus wird man in einen Rollstuhl gesetzt oder gleich im Bett hin und her gefahren. Was hältst du von einer Sänfte, in der sie getragen wird, weil sie so schwach ist (immerhin ist die die zukünftige Königin)?

    Ich hoffe, du kannst mit meinen Gedanken etwas anfangen. Viel Glück beim Bearbeiten.

    Paul ::)
  • #12 von Paul am 29 Dec 2021
  • PS: (Ich habe die Röstungen der anderen jetzt gelesen)

    Dass sie mit ihrem Kind keine großen Hoffnungen verbindet, kann ja sein. Trotzdem hat sie Gefühle zu ihm. Entweder negative, weil sie die Schwangerschaft einfach nur nervt. Oder weil sie Angst hat, hinterher in eine passive Mutterrolle gedrängt zu werden? Oder positive Gefühle, dass sie sich trotzdem irgendwie auf das Kind freut, weil es spannend ist, dass da ein neues Leben in ihr heranwächst. Auf jeden Fall ohne Gefühle geht das kaum.

    Und: auch wenn sie durch den Blitzeinschlag innerlich weiß, dass ihr Opfer angenommen wurde, muss sie dies erst einmal "verarbeiten". Was heißt es für sie, wenn das Kind tot ist? Dann muss sie es tot auf die Welt bringen. Hatte sie dazu die Kraft? Würde sie es durchstehen, wenn sie schon im vorhinein wusste, dass das Kind am Ende tot sein würde?... Auch hier könnte ich mir mehr Gedanken zum Kind vorstellen, als ich sie bei dir bis jetzt finden konnte.

    Paul  ::)
  • #13 von LaHallia am 02 Jan 2021
  • Hallo Paul,

    vielen Dank für deine Röstung.

    Zitat
    Einzig die vielen Namen verwirren mich und ich frage mich, ob es sie wirklich alle in dieser Häufung braucht. Insgesamt bleibt aber alles auch leicht diffus. Wer befindet sich wo?
    Nachdem es das letzte Kapitel des Romans ist sind alle Namen sehr bekannt. Dass das aus dem Kontext heraus verwirrend ist verstehe ich natürlich.
    Ja, an der Orientierung muss ich arbeiten (wer, wo, was), damit hatten alle Probleme.

    Zitat
    1) Der Moment, an dem sie begreift, dass ihr Kind tot ist.
    Das begreift sie zwei Szenen davor. Nachdem ich eure Röstungen gelesen habe, habe ich aber auch diesem Moment sicher nicht genug Zeit gegeben.

    Zitat
    Wie es auch ist, auch hier wünschte ich mir mehr. So bleibt die Geburt mehr eine Behauptung, als dass ich sie als Leser miterlebe.
    Ich werde mich bemühen. Hatte die allergrößten Hemmungen die Geburt an sich zu beschreiben, weil ich selbst kinderlos bin und wahrscheinlich keine Recherche der Welt mir ein angemessenes Bild davon geben könnte.
    Das Kind ist auf alle Fälle eine Frühgeburt im 6. oder 7. Monat (das weiß sie selbst nicht so genau, ich habe mich in der Mitte eingependelt). Und was ich noch einbauen werde ist, dass eine Geburt in der Antike ja eine ziemlich gefährliche Sache war und nachdem ich den gesamten Text über Wert darauf gelegt habe Artemisia keinem klassischen Schönheitsideal zu unterwerden, sondern sie klapperdürr und recht androgyn gebaut ist, hat sie ziemliche Angst vor der Geburt. Die Gefahren sind ihr bekannt, und ich denke sie könnte eine Art Erleichterung empfinden, dass eine Frühgeburt sie einem geringeren Risiko aussetzt, dass das Kind zB zu groß ist.

    Zitat
    Was hältst du von einer Sänfte, in der sie getragen wird, weil sie so schwach ist (immerhin ist die die zukünftige Königin)?
    Ich denke mittlerweile, dass ich diesen Teil komplett ändern werde. Den habe ich rein aus dramaturgischen Gründen so geschrieben und das war nicht richtig. Ich denke nicht, dass vor 2500 Jahren einem Vater eine tote Frühgeburt und dann auch noch ein Mädchen gezeigt worden wäre. Man hätte es ihm wohl eher einfach nur gesagt. Nicht einmal Artemisia persönlich.

    Zitat
    ss sie mit ihrem Kind keine großen Hoffnungen verbindet, kann ja sein. Trotzdem hat sie Gefühle zu ihm.
    Ich muss gestehen, die Schwangerschaft wird recht wenig behandelt. Sowohl auf körperlicher, als auch auf emotionaler Ebene. Das einzige das ich drinnen habe ist, dass Kinder ihren Status verbessern. Erziehen würde Artemisia sie ja nicht selbst. Das ist sicherlich ein Punkt den ich im gesamten Text noch überarbeiten muss. Denn du hast natürlich absolut Recht: sie schleppt das Kind 24/7 mit sich herum, selbst wenn sie es nicht liebt und nicht mit ihm redet oder es auch nicht hasst, muss sie sich trotzdem in irgendeiner Art und Weise damit auseinandersetzen.

     :daaanke:
    Liebe Grüße

  • #14 von merin am 03 Jan 2022
  • Paul hat eine wichtige Frage aufgebracht: Wie weiß sie, dass das Kind tot ist, und wie reagiert sie darauf? Sie ahnt es vielleicht, aber wissen kann sie es eigentlich nicht. Sie kann noch hoffen. Vielleicht würde es die Dramatik der Szene wirklich noch etwas erhöhen, wenn du zeigst, wie sie hofft - und dann sehen muss, dass es wirklich so ist, wie befürchtet. Das sollte sie erschüttern - und dann kannst du ja noch ein paar Tage später zeigen, wie sie aufrecht annimmt, was passieren musste.
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