28 March 2024, 22:35:11

Autor Thema: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?  (Gelesen 2846 mal)

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merin

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Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« am: 30 October 2022, 11:11:22 »
Hi Ihr!

ich lese ja in den letzten zwei Jahren sehr viel zeitgenössische deutsche Science Fiction und tausche mich mit Leuten darüber aus. Dabei fällt mir immer mehr auf, wie verschieden Texte aufgenommen werden. Wo ich sage "genial!" zuckt eine andere Person nur mit den Schultern, und was ich grottenschlecht finde, lobt jemand in den Himmel. Daher würde ich mich gern mit euch austauschen, wie ihr das seht: Was macht eine richtig gute Geschichte aus? Ich würde mich hier gern auf Kurzgeschichten fokussieren, wir können, wenn wir Lust haben,  auch noch überlegen, ob das sich beim Roman unterscheidet oder nicht.

Für mich ist der Hauptpunkt tatsächlich der, ob mich der Text berührt. Texte, die mich unterhalten, sind gut und die lese ich gern. Aber damit ein Text so richtig, richtig gut ist, muss er Emotionen bei mir auslösen (und damit meine ich jetzt nicht den Ärger über schlechten Schreibstil  :diablo:). Und, wie ich bei mir beobachtet habe, Emotionen entstehen bei mir an zwei Stellen:
- durch Charaktere, mit denen ich mich identifiziere (oder auch gerade nicht)
- durch gelungen geschilderte Stimmung oder Atmosphäre.

Dagegen ist mir ein guter Plot nicht so wichtig und auch Spannung ist zwar für den Unterhaltungswert gut und wird genossen, aber zum perfekten Text trägt sie für mich relativ wenig bei.

Und dann muss ein guter Text für mich noch sprachlich schön sein. So richtig schön schön, mit Sätzen, die ich gern mehrfach lese, weil sie so schööön. Sind.

Wie ist das bei euch?

LG
merin
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Cimglett

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #1 am: 31 October 2022, 18:15:39 »
Hey merin!

Das finde ich eine schöne Idee. Und muss deshalb gleich meinen Senf dazugeben.

Thema Emotionen: Ja, auf jeden Fall, aber bei mir ist das tatsächlich nicht das Hauptkriterium. Denn ich habe auch schon bei Texten regelrecht mitgefiebert, die nur mittelmäßig geschrieben waren. (Und Ärger über schlechte Texte: Manchmal habe ich schon Textstellen abfotografiert, weil ich es nicht fassen konnte, WIE schlecht die waren. Und sowas wird veröffentlicht!  :devgrin:).

Bei mir steht und fällt Vieles mit den Charakteren, was aber nicht notwendigerweise mit Emotionen zusammenhängen muss. Ich liebe es, wenn Charaktere
- präzise geschildert sind, wenn also auf unaufdringliche Weise so wahnsinnig treffende Details erwähnt werden, durch die die Person lebendig wird
- irgendwie ungewöhnlich sind, und damit meine ich nicht ungewöhnlich im Vergleich mit echten Menschen, sondern im Vergleich mit anderen Buchcharakteren.

Und der Plot ist mir gar nicht so unwichtig. Neulich habe ich Herr aller Dinge gelesen, da fand ich die Grundidee einfach genial. Wenn eine Geschichte neu ist, wenn sie mich inspiriert, das macht für mich auch eine gute Geschichte aus.

Sprachlich schön ... da kann ich dir nur zustimmen: JA, JA, JA! :)

Viskey

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #2 am: 31 October 2022, 18:52:57 »
Oi, du fragst Sachen ...

Ein Text, der berührt ... da fängt's ja eigentlich schon an, weil wir alle von verschiedenen Dingen berührt werden. Etwas, das mich berührt, bemerkst du vielleicht nicht einmal. Etwas, das dich berührt, lässt mich vielleicht völlig kalt.

Spannung und schöne Sprache - sehe ich ähnlich.

Es gibt Autoren, die werden über den Klee gelobt, weil die Sprache so schön wäre, und ich finde sie einfach nur übertrieben und schwülstig.
Was wir schön finden, ist ja individuell verschieden, sonst gäbe es nicht so viele Varianten von allen möglichen Dingen, angefangen vom Kaffeegeschirr bis hin zu Ölgemälden. Ich mag's schlicht und klar. Ich kann bei anderen Stilen die handwerkliche Leistung würdigen, ich kann akzeptieren, dass andere den Stil schön finden. Aber mich wird er halt eher kalt lassen.

Und Spannung bedeutet doch eigentlich nur, dass man bei der Stange bleibt, dass man erfahren will, wie's weiter geht, dass man auf eine Lösung hinfiebert. Das kann aber auch auf vielen Ebenen stattfinden. Spannung ist nicht gleich Action, und unter dem Gesichtspunkt, dass im Grunde alles spannend sein kann, möchte ich behaupten, dass es ohne Spannung nicht geht.
Spannung kann auch auf Beziehungsebene stattfinden, etwas platt ausgedrückt das klassische "kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht?".

Im Grunde stimme ich dir in allen Punkten zu (bis auf den Plot, der ist bei mir wichtig), und trotzdem schätze ich deinen und meinen Geschmack sehr verschieden ein, also das, was wir als richtig gutes Buch empfinden.

LG Viskey
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merin

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #3 am: 01 November 2022, 10:25:38 »
Hach, spannend. Ich stimme dir absolut zu, Viskey: Menschen sind enorm verschieden und was mich berührt, lässt dich kalt und umgekehrt. Und auch beim Stil: Ich habe gerade einen SF-Text gelesen (eine Novelle in der Nova 31) und ich fand
1. das ist keine Novelle
2. der Stil ist anstrengend
3. der Prota ist so eklig, dem mag ich nicht folgen.

Und ich habe mich mit Leuten darüber ausgetauscht und die finden den Text alle suuuuper. Ich brauchte zwei Anläufe, um mich auch nur bis zum Ende durchzuquälen.

Insofern finde ich es enorm spannend, sich darüber auszutauschen, was uns jeweils gefällt oder bewegt. Einfach um diese Vielfalt mal aufzublättern.

Spannung - ja, du hast recht. Da gibt es das klassische suspense, aber Spannung entsteht auch auf ganz vielen anderen Ebenen. Bei Becky Chambers beispielsweise geht es oft viel mehr um Beziehungen und ich finde es sehr spannend. 
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The_Reptilian

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #4 am: 01 November 2022, 23:11:05 »
Eine gute Geschichte sollte die Leser unaufdringlich in eine andere Welt beamen, wo sie trotz allem Exotismus sich selbst mit der Hauptfigur wiedererkennen können.
- sup -

Oflinitrium

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #5 am: 02 November 2022, 10:44:09 »
Das ganze Thema und jede Untergruppe davon ist komplett individuell.
-Spannung:
Dem Einen reicht ein Beziehungsdrama, dem anderen muss mindestens die Existens der Welt auf dem Spiel stehen der dritte braucht zwingend Thrillerähnliche Spannung um sich gehooked zu fühlen. Aber jeder davon braucht Spannung in einer richtig richtig guten Geschichte.

- Schöner Schreibstil:
Der Eine empfindet lyrische texte als schön der nächste findet sie einfach nur schwülstig. Ein anderer mag kurze klare Sätze ohne viele Adjektive den nächsten macht es das schwerer sich die Dinge vorzustellen.

-Setting
Das wäre z.B. ein Punkt für mich. Es gibt kaum einen Text den ich zu meinen Lieblingstexten zähle wo nicht irgendwas übernatürliches passiert oder historisch in der Vergangenheit passiert. Ich brauche Phantasie im Schreiben weil ich nichts davon habe in die gegenwärtige Welt abzutauchen.

Und ich könnte jetzt ewig weiterschreiben zu Plot, Charakteren, Klischees etc. etc.


Für mich ist wichtig, dass ich eine Welt habe die mir anfangs fremd ist und in die ich mich einleben muss. Umso schöner ist es dann auch eine Fortsetzung zu lesen und die Welt empfängt mich dann schon wie einen alten Freund. (Ein sachlich korreckter Text aus den 1920ern oder über die Kriegszeiten zählt da für mich auch, weil die Uhren damals so extrem anders getickt haben als heute)
Dann brauche ich einen Charakter an dem mir irgendwas sympathisch ist und der in sich schlüssig ist. Identifikation spielt dabei nur eine schwache Rolle. Ich genieße auch Texte über einen Serienkiller aus Sicht des Mörders der von außen betrachtet vollkommen irrational und unlogisch handelt solange er dabei für sich selbst schlüssig bleibt und konstant seiner wirren Logik folgt. Würze das mit einem kleinen Twist in seiner backstory der nichtmal großartig versteckt sein muss und meist reicht das schon.

Dann Spannung... das schwierigste Thema weil manchmal lese ich Texte wo ich schon absehen kann worauf es hinausläuft und trotzdem finde ich es spannend und unterhaltend und ein anderes Mal ist die Vorhersehbarkeit ein komplettes NoGo und wirft mich raus. Das schwierige an Spannung ist, dass in dieser Schublade alles zusammenkommt. Schreibstil kann spannung erzeugen, Setting, Charaktere, Plot, das Worldbuilding... alles spielt zusammen beim Thema Spannung. Deswegen ist es auch so schwer den Finger hier auf die Wunde zu legen. Mal reicht eine Liebesgeschichte von "kommen sie zusammen oder nicht" völlig aus. Ein anderes Mal ist es vollkommen langweilig. Selbst die objektiv 'spannendste' Verfolgungsjagd in der es um Leben und tod geht kann langweilig sein, wenn eines der Überthemen nicht gut genug geschrieben ist... Man muss sich um den Chatakter sorgen, man muss klar wissen was die konsequenzen sind (und die gehn meist weit darüber hinaus ob Charakter A stirbt oder eben nicht) es muss nachvollziehbar in die Welt passen, die Atmosphäre muss stimmen UND die Sätze müssen "gut" beziehungsweise unterhaltend geschrieben sein. Es geht soviel Vorarbeit in eine Verfolgungsjagd um die ganzen Dominosteine in die richte Formation zu setzen damit dann in der spannenden Szene alles flutscht. Deswegen finde ich auch Actionszenen am Anfang einer Story nie spannend sondern maximal unterhaltend und oft eher verwirrend/hinderlich oder die Action selbst lässt mich kalt weil ich eben erstmal mich zurecht finden muss.

Dann für mich is es wichtig, das der Author am Ende all In geht. Damit meine ich All-In in entweder in Richtung alles wird aufgelöst oder alles bleibt ein mysterium.
Ich hasse es wenn alles aufgelöst wird aber ein teil (meist die angehende Lovestory) bleibt in der Schwebe. Dieses halb halb regt mich immer auf. Gib mir ein aufgelöstes Ende für all deine Storystränge oder gib mir mehr Fragen als am Anfang auf denen ich noch in 10 Jahren rumkaue. 
« Letzte Änderung: 02 November 2022, 10:46:30 von Oflinitrium »
Die Werke die ich am meisten liebe, sind gleichzeitig die, die ich am meisten kritisiere. Im Grunde ist es so, dass eine ausführliche Kritik meinerseits auch eine Anerkennung und ein Glückwunsch ist, denn wenn es einfach nur schlecht wäre, würde ich mir gar keine Gedanken darüber machen.

merin

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #6 am: 02 November 2022, 18:24:17 »
Spannend. Ich finde es ja gerade erhellend, dass hier so viele unterschiedliche Vorlieben nebeneinander stehen. Bei mir ist es auch so, dass ich es nicht mag, wenn man Ende eines längeren Textes alle Fäden in der Luft hängen. Bei einer Kurzgeschichte macht mir das viel weniger aus.
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tlt

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #7 am: 04 November 2022, 17:42:58 »
Super Thema - und ich muss sagen, ich steh dem ein wenig ratlos gegenüber. Weil ich mir noch nie Gedanken gemacht habe. Oder, weil ich noch nie analytisch an einen Text herangegangen bin, um ihn in der Form und gut oder schlecht zu beurteilen.
Für mich muss eigentlich das Gesamtbild passen.
Das fängt an mit einer gut lesbaren Sprache. Wenn ich dauernd Sätze zweimal lesen muss, weil sie umständlich formuliert sind, dann macht es keinen Spaß. Und dann frage ich mich: Warum macht der Autor das? Will er mit solch komplizierten Dingen beeindrucken (arrogantes A...)? Oder kann er es einfach nicht besser?
Der Plot und die Logik spielen eine ebenso wichtige Rolle. Ich ärgere mich (kein Witz) noch heute über Geschichten, die ich in der Schulzeit lesen musste und die auf einer völlig falschen Logik aufgebaut haben. Sprich: Die Geschichte hätte es gar nicht geben dürfen.
Die Charaktere spielen auch eine Rolle, wenn auch eine wesentlich kleinere. Vielleicht, weil ich selbst mir den Rest schnell dazudenke.
Spannung? Das kommt auf die Geschichte an. Nicht jede braucht oder verträgt Spannung. Bei manchen ist es eher hinderlich, wenn zu viel verschwiegen wird, weil der Autor denkt, er müsse es künstlich spannend machen.
Und schließlich Kurzgeschichte. Da bin ich dann doch wieder bei Spannung, oder besser bei Überraschung. Wenn da im letzten Absatz nicht etwas passiert, mit dem man (also ich) nicht gerechnet hat, dann fehlt was.
Ich bin zu alt für das alles.

merin

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #8 am: 04 November 2022, 17:59:13 »
Echt? Eine Kurzgeschichte muss für dich am Ende immer eine überraschende Wendung haben? Dann fallen wahrscheinlich doch recht viele von meinen raus. Mir ist die Wendung aber auch nicht so wichtig. Aber es kommt da sehr auf die Art der Geschichte an.

Ansonsten finde ich es auch ganz schwer zu fassen, warum mir etwas gefällt.
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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #9 am: 04 November 2022, 21:09:00 »
Nein, keine Wendung. Aber eine Pointe. Einen Grund, warum die Geschichte erzählt wird.

Nachtrag. Das wäre für mich auch eine Unterscheidung zu einem Roman. Hier ist das nicht nötig.
« Letzte Änderung: 05 November 2022, 09:40:10 von tlt »
Ich bin zu alt für das alles.

Viskey

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #10 am: 05 November 2022, 10:35:17 »
Dann versuche ich mal, konkreter zu werden. Theoretisieren ist ja einfach ...

Die erste Schwierigkeit, der ich da bgegegne, ist schon mal die Tatsache, dass ich, je älter ich werde, umso weniger Bücher wirklich gut finde. Früher hab ich alles gelesen, inklusive Heftchenromane, kein Buch wurde je abgebrochen. Bis ich auf Roald Dahl traf. Schullektüre, Kurzgeschichtensammlung, und ich fand es einfach nur schlecht und den angeblich so unterhaltsamen Roald einfach nur stinkend langweilig. Mein Eindruck war damals so mies, dass ich bis heute keinen Dahl mehr angerührt habe, und auch nicht sehe, dass das noch passieren wird. Ist vermutlich unfair, aber er wird halt auf ewig der erste Autor bleiben, den ich abgebrochen habe.

Das ist, denke ich, bei mir auch mit ein Grund, was ich von einem Buch oder einer Geschichte halte: Die Meinung anderer. Nichts hasse ich mehr als auf dem Cover 10 Lobeshymnen - und kein Wort darüber, um was es im Buch geht. Nur weil Celebrity XY das Buch toll fand, heißt das für mich ja gar nichts. Und leider finde ich tatsächlich vieles, was hoch gelobt wird, eher so Mittelmaß - also in Kenntnis dieser Dinge, nicht a priori abgelehnt.
Massenhaftes Lob für etwas regt meine trotzige Seite an und nimmt mich dann gegen die hochgelobte Sache ein. Game of Thrones ist zB so was. Die halbe Welt im Begeisterungstaumel, und ich bin über Folge 3 nicht drüber gekommen, weil ... ugh. Ich werde das an dieser Stelle nicht vertiefen. :hehe:


Aber zurück zu Geschichten. Ich mag es, wenn die Geschichte schlauer ist als ich. Deswegen lese und schaue ich zB gern Krimis. Weil ich in dieser Hinsicht echt unfähig bin. Ich könnte keinen anständigen Krimi schreiben, wenn mein Leben davon abhinge.
In einem benachbarten Fahrwasser wie "schlau" liegt bei mir auch die Sprache. Ich mag korrekte Sprache, ich mag es, wenn jemand die Möglichkeiten nutzt, die unsere Sprache bietet. Sprache kann so viel abseits der reinen Wörter. Grammatik enthält so viele Informationen. Ich mag die "nach 5 Sätzen zurück ins Präteritum wechseln"-Fraktion nicht. Wenn meine Erzählzeit das Imperfekt ist, und du etwas erzählst, was vor dieser Zeitebene liegt, dann ist die einzig richtige Zeitform das Plusquamperfekt. Ende-Gelände. Wem das zu umständlich ist, sollte andere Möglichkeiten finden, das zu erzählen. (Als eigenständige Szenen herausgestellte Rückblenden im Imperfekt finde ich zB absolut ok. Aber im Textfluss: Lieber umständlich und korrekt, als gefällig, dafür aber falsch.)
Ich wünschte mir auch mehr Konjunktive, und zwar nicht würde/hätte-Konjunktive, sondern "die schönen". Zum einen ist auch das ein Bedürfnis nach Korrektheit, zum anderen finde ich einfach wirklich, dass sie schön klingen. Und vielleicht liegt's auch an meinem Dialekt, wo der Konjunktiv noch relativ gut am Leben ist.
Und ja, ich sitze vor dem Fernseher und korrigiere laut jeden, der nach "ob" mit einem Indikativ daherkommt.  :nudelholz:
Ich mag aber auch, wenn nicht nur 08/15-Wörter verwendet werden, sondern auch mal ein paar ausgefallene dazukommen. Natürlich nicht dauernd, das wäre anstrengend, aber immer wieder mal eingestreut, das ist schön. Immer wieder schön sind auch neue Wendungen statt abgedroschener Phrasen.


Beim Thema Logik bin ich bei tlt: Logik MUSS. Es darf gerne blöde, hirnrissite Figuren geben (naja ... "gerne"), aber es muss aus dem restlichen Kontext heraus klar werden, dass das eben hirnrissig ist, und keinesfalls als normal oder akzeptabel betrachtet wird oder werden sollte. Es muss auf eine hirnrissige Tat eine logische Konsequenz erfolgen. Wenn jemand vom Eiffelturm springt, erwarte ich, dass er nicht heile unten landet - Magie und Zeugs mal ausgenommen, aber auch davon erwarte ich ein durchgehendes Regelwerk, wie sie funktionert, was damit möglich ist und was nicht.
Aber vielleicht erwarte ich da zu viel von der Fiktion. Ich meine ... wenn man sich so umsieht in der Welt, sind wir ja umgeben von Leuten, die gewisse Ähnlichkeiten mit Quallen*) aufweisen, und doch kommen sie unbeschadet durchs Leben, obwohl sie eigentlich schon hundert Mal gegen eine Wand fahren hätten müssen. :dontknow:


Bei Figuren sind für mich weniger die Figuren selbst interessant. Wenn sie mir sympathisch sind - oder wären, wenn es echte Menschen wären - ist mir das lieber, als wenn sie lästige Krätzen sind. Aber wirklich interessant finde ich, wie die Figuren miteinander interagieren. Die Beziehungen, die Wechselwirkungen, das ist für mich sehr viel interessanter als jede Figur für sich genommen je sein könnte. Was wäre Sherlock ohne Watson?
Welche Auswirkungen hat es, wenn A mit B redet? Was, wenn A stattdessen C ins Vertrauen zieht? Wie gehen B und C mit den Informationen um? Welche Seiten des Protagonisten A "bedienen" B und C? Was hat A von diesen Freundschaften? Welche Wendung könnte die Geschichte nehmen, wenn A auf C hört, statt auf B? Da liegen Aberwelten an Möglichkeiten und What-Ifs drinnen. Was wiederum der Spannung dient. Für welche Möglichkeit hat sich der/die Autor/in entschieden?



*) Netzfundstück: "Quallen leben seit Millionen von Jahren ohne Gehirn. Das gibt Hoffnung für manche Menschen."
"There is no such thing as bad work, just unfinished work." - Eric Idle

merin

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #11 am: 05 November 2022, 17:56:37 »
Oh ja, Viskey, mit deinen Gedanken kann ich ganz viel anfangen. Und sehe da einige Ähnlichkeiten. Ich hasse Phrasen in Texten abseits der wörtlichen Rede. Mal hie oder da eine - gut, gegessen. Aber bei brechenden Herzen, unbarmherziger Kälte und lauten Lüften bin ich raus. Dann doch bitte lieber eigene Bilder finden.

Und ich finde so vieles an Büchern und Filmen schlecht. Filme meide ich ja, ich habe 15 Jahre oder so nur einen oder zwei im Jahr gesehen, das ist jetzt etwas mehr geworden, weil ich gelegentlich mal das Meckern sein lassen kann. Aber es ist immer noch schwer. Und Bücher? Oh, was leide ich bei platter Sprache und platten Charakteren. Und bin dann immer wieder erstaunt, das andere Leute tiefsinnig finden, was ich für platt halte. Scheint wohl doch eher Geschmack zu sein.  ;) Ähnlich wie du liebe ich Konjunktive, das PQP (okay, nach 5 Sätzen ins Imperfekt finde ich okay) und seltene Wörter. Darüber hinaus plädiere ich für die Rettung des Semikolons! Jawolla! Und für lebendige Beziehungen zwischen den Charakteren. Unbedingt!
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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #12 am: 05 November 2022, 21:51:45 »
Die
Zitat
lauten Lüfte
solltest du auch gleich bei den Stilblüten ablegen  :devgrin:
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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #13 am: 06 November 2022, 21:13:43 »
Immer auf's Schlimme!  :schnief:
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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #14 am: 07 November 2022, 18:54:58 »
Die
Zitat
lauten Lüfte
solltest du auch gleich bei den Stilblüten ablegen  :devgrin:

Solang die lauten Lüfte nicht auch noch unangenehm riechen, geht's an sich noch ...
"There is no such thing as bad work, just unfinished work." - Eric Idle

Oflinitrium

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #15 am: 08 November 2022, 19:08:48 »
Das mit den abgenutzten Phrasen z.B. empfinde ich jetzt meist als nicht ganz so schlimm. Es gibt ja einen Grund, dass sie so abgenutzt sind und der ist nicht nur Faulheit sondern eben auch, dass sie gut beschreiben was man ausdrücken will. Da ich eher zu Romanen tendiere fällt sowas denke ich sowieso weniger ins Gewicht als bei Kurzgeschichten und sich da jedes einzelne Mal Gedanken zu machen nicht "lauer Wind" zu schreiben obwohl genau das gerade in der Szene passiert/stimmig ist würde ich keinem Autor zum Vorwurf machen. Klar fallen die kreativeren Geister etwas eher auf aber einzelne Sätze überlese ich eher und das Gesamtbild prägt sich ein.
Wichtiger sind mir da Wortwiederholungen... weil die können wirklich immer nerven egal wie groß der Text ist.
Und auf Subtilität lege ich auch sehr viel Wert. Es gibt nichts was mich mehr zum Augenrollen bringt als wenn ich bereits nach 10 Seiten die weiteren 100 Seiten erahnen kann. Klar bei Herr der Ringe, Harry Potter und jedem Krimi weiß man von Anfang an, dass es zum showdown zwischen Gut und Böse kommt. Das "wie" und "warum" sollte allerdings gut verborgen bleiben. Am meisten ärgert mich das bei zwischenmenschlichen Beziehungen. Wenn Charakter A auf Charackter B trifft und die beiden so gar nix miteinander zu tun haben oder sich nur oberflächlich kennen man aber an der Schreibweise merkt, dass hier ne Love Interest steht und nicht am Verhalten der Charaktere finde ich das grausig. Dann lieber direkt zeigen, dass Gefühle am Werk sind und nicht versuchen subtil zu sein obwohl mans nicht ist.
Selbiges wenn es um die Einführung des Antagonisten geht. Letztens habe ich eine Geschichte gelesen wo es in einem übernatürlichen Setting um Ritualmorde in einem Variete ging. Serienmörder und Pimp wurden sehr schnell ausgeschlossen aber eine ältere besorgte Tänzerin die sich um die Küken kümmerte hatte immer wieder spotlight und natürlich war sie am Ende die Schudige die sich durch die verschiedenen Ritualmorde ewige Schönheit holen wollte. Bei sowas lese ich hauptsächlich weiter um meine Theorie bestätigt zu sehen. Das Problem war, dass sie als Einzige ein gutes Motiv hatte und die besten Gelegenheiten, da die Opfer ihr vertrauten. Es gab keinen anderen Charakter auf den auch nur eines von Beidem zutraf. Davon abgesehen war die Geschichte unterhaltsam und gut geschrieben. Es hätte nur etwas Ablenkung von der einen Dame gebraucht oder ein besseres Motiv als "ewige Jugend/Schönheit"
« Letzte Änderung: 08 November 2022, 19:14:40 von Oflinitrium »
Die Werke die ich am meisten liebe, sind gleichzeitig die, die ich am meisten kritisiere. Im Grunde ist es so, dass eine ausführliche Kritik meinerseits auch eine Anerkennung und ein Glückwunsch ist, denn wenn es einfach nur schlecht wäre, würde ich mir gar keine Gedanken darüber machen.

Paul

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #16 am: 12 November 2022, 13:32:15 »
Ich komme etwas spät in die Diskussion, möchte aber noch meinen Senf dazu abgeben:

Von einem Roman erwarte ich tiefgründige Charaktere, eine verzwickte Story, die nicht gleich im ersten Kapitel wieder endet und eine überzeugende Hintergrundwelt, die ich entdecken kann.

Von einer Kurzgeschichte erwarte ich dagegen Charaktere, die mich in irgendeiner Art und Weise ansprechen, eine Story, die eine Pointe hat und eine Welt, die ich - trotz der Kürze der Geschichte - verstehe.

Damit mich eine Kurzgeschichte fasziniert, muss sie "gut geschrieben" sein. Dazu gehört neben einer Sprache, der ich gern folge, vor allem ein Plot, der mich mit in die Geschichte hineinnimmt. Richtig gut sind für mich die Geschichten, die am Ende eine überraschende Wendung haben. Und dies nicht, weil es ein Schreibratgeber so fordert, sondern weil es die Geschichte aus sich heraus hergibt. Erzwungene Pointen sind peinlich.

Manche Kurzgeschichten berühren mich, weil sie "archetypische" Erfahrungen aufnehmen. Diese Erfahrungen gespiegelt zu bekommen, mit Gefühlen vermengt, die ich nachvollziehen kann, machen für mich auch eine Kurzgeschichte spannend. Es ist ein kurzes Eintauchen in eine Szene, die jeder kennt, und die doch immer wieder anders ausgehen kann.

Spannend ist es, wenn mit bekannten Bildern gespielt wird und diese dann gebrochen werden. Ich erinnere mich an eine Kurzgeschichte von Terry Pratchett, in der Cohen der Barbar auf einen Brückentroll trifft, der die Brücke bewacht. Doch anstatt dass es zu einem Kampf kommt, endet die Geschichte völlig anders. Dieses Spiel mit den Klischees machte für mich (neben der Sprache und dem Humor) die Kurzgeschichte so wertvoll - die, da sie eine "archetyptische" Szene ausmalte (jemand will weiter, wird aber daran gehindert), mich zugleich auch auf einer emotionalen Ebene ansprach (In meiner Geschichte von Enguin dem Elf und seiner Schatzhöhle habe ich versucht, etwas Ähnliches zu erschaffen).

 8) Paul





"Es ist besser, einige der Fragen zu kennen, als alle Antworten." (James Thurber)

merin

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #17 am: 12 November 2022, 15:13:52 »
Du beschreibst Gedanken, in denen ich mich gut wiederfinde. Ich mag es auch besonders, wenn mir Geschichten im Hirn bleiben. Wenn ich darüber noch einmal nachdenke. In "Der Tod kommt auf Zahnrädern" gab es zwei solche Geschichten, wobei die eine für mich ein enorm unbefriedigendes Ende hatte. Aber der Anfang war so gut, dass er mir trotzdem haften geblieben ist.
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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #18 am: 12 November 2022, 17:59:54 »
Hallo ihr Lieben,

soooo ein spannendes Thema und ich bin ausgerechnet in urlaubaler Auszeit. *gnarf*

Aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, denn ein paar Punkte sind ja schon herausgearbeitet oder abgehakt worden.

DAS Rezept für DIE perfekte Geschichte gibt es nicht.
Der Weg und das Bild einer Top-Story sind so mannigfaltig, die die Geschmäcker.
Dazu kommt noch, dass ein und dasselbe von uns unterschiedlich wahrgenommen wird, wenn wir den Text aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten.

@Merin , ich habe das gerade gestern im Geflecht gehabt, als ich eine Stelle gelesen habe, wo der Federteufel in mir wach wurde. Und ich habe exakt einen kritischen Satz im Kopf formuliert, denn du in der Rezi zu meinem Debüt geschrieben hast (ich werde PN-mäßig da noch konkreter). Ich wusste nicht, ob ich amüsierte oder sauer sein sollte.    ;)
Was ich sagen will: Was uns an dem einen Text stört, lassen wir bei einem anderen Text problemlos durchgehen.
Schon das macht es schwer konkrete Kriterien festzulegen.

Ich habe hier auch viele genannte Punkte gelesen, die ich spontan abgenickt habe.
Nur um dann festzustellen, dass ich tolle Storys und Bücher kenne, wie genau das nicht zu finden ist.

@Paul , du schreibst, dir sind tiefgründige Charaktere bei einem Roman enorm wichtig. Da bin ich sofort bei dir. Dann kommst du auf eine KG von Terry Pratchett zu sprechen und ich stelle fest, dass Pratchett ganz grossartige Romane geschrieben hat, aber tiefgründige Charaktere war nie wirklich seine Domäne.

Und da muss ich auch an das erste Buch denken, dass ich in einem Rutsch, an einem Tag durchgelesen habe. Ein SF-Action-Thriller mit platten Charakteren, aber massig Tempo, Knalleffekten und gigantischen Bildern: K.H. Scheers ZBV-Roman, "Zonta - Norm regelwidrig". Das ist vielleicht 40 Jahre her. Den Titel kann ich bennen, alskäme er aus der Pistole geschossen. Sollte ich die 10 besten, unterhaltsamsten Bücher benennen, DER wäre zweifellos dabei. In meiner Liste der beeindruckensten literarischen weke, da käme der nicht vor.
Es ist die Quadratur des Kreise, hier auf einen Punkt und Nenner zu kommen.

So geht mir das mit so ziemlich allen Kommentaren und Argumenten hier:
Ich denke, ja, genau!
Und dann, ja, aber...

Dagegen ist mir ein guter Plot nicht so wichtig und auch Spannung ist zwar für den Unterhaltungswert gut und wird genossen, aber zum perfekten Text trägt sie für mich relativ wenig bei.

Da möchte ich tatsächlich klar widersprechen:
Ein Roman, eine KG, deren Plot mäßig ist, wird mich immer unbefriedigt zurück lassen. Auch, wenn der Text toll zu lesen ist, wird immer eine fader Beigeschmack bleiben. Niemals wäre er perfekt, stets mit diesem einen Makel.
Insofern finde ich, ein gelungener Plot und Spannung gehören immer essentiel zu einem perfekten Text dazu.

Ich möchte sogar sagen: ohne Spannung keine Unterhaltung.
Denn ich setze Spannung keineswegs mit Action gleich.
Eine gute, wie eine perfekte Story braucht einen Konflikt. In jedweder Form. Habe ich einen Konflikt, dann habe ich zwangsläufig einen Spannungsbogen im Text.
Über die Gewichtung kann man dann natürlich trefflich streiten, Aber das ist, wie eingangs schon erwähnt, so mannigfaltig, wie die Geschmäcker.

Ein spannendes Thema, das sich zu diskutieren lohnt.
Das immer auch für eine gewisse Frustration sorgt, weil der Diskurs zu keinem echten Konsenz führen wird.

Liebe Grüße - Frank
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Paul

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #19 am: 12 November 2022, 18:05:25 »
Hi Frank

Du hast Recht. Terry Pratchett - dessen Romane ich liebe - hat nicht sehr tiefgründige Charaktere. Wobei? Hauptmann Mumm? Der Tod? Auch Oma Wetterwachs ist sofort als Person greifbar. Das heißt, er hat Charaktere, die leben. Auf ihre ganz eigene Art. Ansonsten schreibt er gute Unterhaltung. Da muss es nicht immer so tief gehen. Wobei er manchmal durchaus "tiefe" Gedanken mit großer Humanität in seinen Romanen unterbekommt.

  ::) Paul
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merin

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #20 am: 12 November 2022, 19:31:37 »
Zitat
@Merin , ich habe das gerade gestern im Geflecht gehabt, als ich eine Stelle gelesen habe, wo der Federteufel in mir wach wurde. Und ich habe exakt einen kritischen Satz im Kopf formuliert, denn du in der Rezi zu meinem Debüt geschrieben hast (ich werde PN-mäßig da noch konkreter). Ich wusste nicht, ob ich amüsierte oder sauer sein sollte.

Na, da bin ich gespannt. Aber mir geht es auch so, dass ich deutlich sehe, dass dieser Text fast sechs Jahre alt ist. Heute würde ich Vieles anders schreiben. Und dann sehe ich jetzt im Buch Dinge, wo ich die Verlegerin anrufen mag, um ihr zu sagen: "Zieh es zurück, da ist eine Wortdoppelung auf Seite 27!" :devgrin:

Terry Pratchett - Ich liebe viele Texte von ihm. Aber tiefgründig ist er nicht wirklich. Aber eben auch nicht platt. Dass die Charaktere leben, da kann ich nur zustimmen!
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #21 am: 12 November 2022, 19:44:10 »
wo ich die Verlegerin anrufen mag, um ihr zu sagen: "Zieh es zurück, da ist eine Wortdoppelung auf Seite 27!" :devgrin:

Eine?!    :devgrin:
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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #22 am: 12 November 2022, 19:55:39 »
Naja, ich ruf sie natürlich für jede extra an.
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #23 am: 12 November 2022, 20:14:27 »
So ein spannendes Thema, und ich gebe auch meinen Senf dazu 😊

Mein persönlicher Geschmack geht querbeet. Egal ob bei Kunst, Musik, Architektur, Literatur … es gibt dann zwar immer Aspekte, die ich bevorzuge, wie Science Fiktion, Surrealismus, Holzbau, was aber nicht bedeutet, dass mich nicht auch Expressionismus oder pures Alltagsdrama begeistern kann.

Mich begeistern Auslöser, die Motivation und Handlung schaffen, welche ich nachvollziehen kann.
Ich sehe anderen gerne dabei zu, wie sie Probleme lösen, egal ob allein oder gemeinsam mit anderen, und möchte wissen, was davor und währenddessen in diesen Personen vorgeht. Richtig gut wird es, wenn ich das Gefühl bekomme, es wirklich zu verstehen – die Gefühle wie auch die Logik hinter dem Konflikt. Dann geht es mir unter die Haut.

Und hier kommt der Wiederspruch – mich begeistern auch Surreale und abstrakte Abläufe, wo ich für den Bruchteil einer Sekunde das Gefühl habe etwas zu verstehen, und dann wieder nicht. Und dann denke ich mir, dass es im Grunde egal ist; die Farben und Formen regen mich dazu an, sie mir selbst zu erklären - und dann gibt es kein Richtig oder Falsch mehr, sondern nur noch viele verschiedene Gefühle. ‚Der Igel im Nebel‘, eine russische Kindergeschichte, hatte mich z.B. immer total im Bann, obwohl ich als Kind zu 90% nicht verstand, was dort abging.

Mit dem Schreibstil ist es für mich wie mit dem Zeichenstilen… Zwischen Fotorealismus und Expressionismus liegen handwerklich betrachtet Welten, aber am Ende ergeben sie zwei Bilder mit Aussagen. Ein fotorealistisches Bild kann handwerklich überragend sein, aber kein Gefühl vermitteln, das expressionistische wie hingeschmiert wirken, aber dennoch fesseln.

Also alles nur Geschmackssache?

Aber was ist dann mit dem Goldenen Schnitt?
Einer Proportion, welche von der Mehrheit der Menschen als angenehm und stimmig wahrgenommen wird. Das kann nicht nur Geschmackssache sein.
Also egal welche Mittel man nutzt, um etwas ‚richtig gut‘ hinzubekommen; was wirklich dahinter steckt könnte ich nicht konkret brennen. Aber es wird schon Regeln geben, wie beim Goldenen Schnitt. Es wäre endlos spannend diese irgendwann zu verstehen.

Liebe Grüße
« Letzte Änderung: 06 December 2022, 10:26:17 von Juni »

diffusSchall

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Re: Was macht eine richtig gute Geschichte aus?
« Antwort #24 am: 12 November 2022, 20:18:33 »
Naja, ich ruf sie natürlich für jede extra an.

 :coffee:
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