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Im Wald

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Juni:
Nachtrag - die Absätze hätte ich so verteilt.
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--- Zitat ---Der Waldboden dampfte und die Luft roch nach Regen. Lionel stapelte die feuchten Äste aufeinander, legte den trockenen Zunder dazwischen. Den Topf hängte er an das Gestell. Das Hasenfleisch legte er ins Gemüse. Die Feuersteine schlugen Funken, der Zunder brannte hell, aber er vermochte nicht, die Äste zu entzünden.
»Mist«, sagte Lionel.
»Du hast doch mich«, sagte Ferdinand, der neben ihm saß und breit grinste.
Sein Freund hob die Hände und aus dem Nichts erschien eine Feuerkugel, die zum Feuer schwebte. Es zischte und der Qualm ließ Lionel husten. Eine wohlige Wärme breitete sich schnell aus. Und bald schon roch er den Duft des Gemüses im köchelnden Wasser. 
»Wie hast du es herausgefunden?« Lionel trat mit dem Fuß nach den kleinen Flammen, die sich um die Feuerstelle ausbreiteten.
Ferdinand starrte in die Flammen und mit der leisen Stimme einer gebrochenen Seele sagte er. »Als Kind spielte ich in der Küche. Ich stolperte und fiel in den Kamin. Das Feuer war kühl. Meine Haut verbrannte nicht. Keine Blasen, kein Schmerz. So fing es an.«
»Wie hast du es dir erklärt?«, sagte Lionel.
»Eine Gabe. Ein Geschenk, eine Laune der Natur. Jedes Feuer bekam ich an.« Ferdinand zeigte auf die Flammen.
»Hast du je Menschen geschadet mit deiner Gabe?« Lionel bereute, was er gefragt hatte, da Ferdinand das Gesicht in den Händen vergrub. »Du musst nicht«, fügte Lionel schnell hinzu.
Nach einer Weile sah Ferdinand auf. »Mein Vater lobte mich, wenn unsere Hütte im Winter warm war. Doch dann kam diese Nacht.« Ferdinand rührte im Topf. »Wenn ich alleine war, beschwor ich die Flammen. Tontöpfe und Metallkessel ließ ich durch die Küche schweben, in denen es in allen Farben brannte. Ich war jung, Lionel, ich war jung.« Ferdinands Gesicht war nun eine einzige schmerzvolle Grimasse. »Feuer verlangt einen Preis. Einen tödlichen Preis. Das Haus brannte nieder.« Ferdinand schluchzte. »Aber sie verbrannten. Mein Vater, meine Mutter, meine Geschwister. Ich tötete mit etwas, was ich nicht beherrschte«, sagte Ferdinand. Seine Augen wurden glasig.
Lionel legte den Arm auf Ferindands Schulter. »Du wolltest es nicht. Glaubst du an Magie?«
Ferdinand schaute auf. »Magie gibt es nur in Legenden.« Lionel lachte auf. »Habt ihr euch im Zirkus nie gefragt, warum ich nie krank war und ihr zu mir kamt, wenn ihr Schmerzen hattet?«
»Was willst du andeuten? Wir sagten immer, du hättest die Fähigkeit der alten Weiber, die oft unverständliches Zeug murmeln und so heilen. Ich habe nie verstanden, was du gesagt hast, wenn ich bei dir war.«
Lionel schmunzelte. »Ein Trick, um euch zu täuschen.« Ferdinand zog die Augenbraue hoch. »Was für mich das Feuer ist, ist für dich das Heilen?«
»Wenn es nur das wäre.« Lionel schloss die Augen. Er spürte eine Eule. Sie schlief. Er befahl ihr, aufzuwachen und auf Ferdinands Schulter zu fliegen.
Als sie landete, zuckte sein Freund auf.
»Die Bienen, der Graf. Du hast sie beschworen?«
Lionel nickte. »Aber es ist keine Laune der Natur, es ist Magie. Und deshalb schickte der Orden einen Assassinen, um dich zu töten. Die Könige haben es befohlen.«
»Amund?« Ferdinand riss die Augen auf.
Tue es nicht, hörte Lionel wieder die innere Stimme in sich. Er ignorierte sie. »Nein. In gewisser Weise war ich es, der den Befehl gab.«
»Du!«
Lionel holte tief Luft. »Weil in mir etwas ist, das  seit Jahrtausenden lebt. Diese Kraft, von der ich nichts wusste, ruhte davor in Ygnock.«
Ferdinand fing an zu zittern. »Wie kann das sein?«, sagte er.
»Magie.« Lionel schaute zu Ferdinand, der seinen Kopf senkte.
»Aber ich habe nichts Böses gemacht«, schluchzte Ferdinand nun lauter.
»Du hast deine Familie getötet. Und was, wenn du herrschen, dich über andere erheben wolltest? Mit deiner Gabe hättest du Armeen vernichten können.«
»Ich will nicht schaden.«
»Was aber, wenn doch?«
»Aber.« Ferdinand redete nicht weiter und vergrub wieder seinen Kopf zwischen den Händen. Die Eule schreckte auf und flog davon.
Lionel holte Salz und Pfeffer aus der Tasche und gab beides in den Topf. Der Geruch ließ seinen Magen knurren.
Sie saßen auf einer Lichtung. Drei Tage waren sie geritten. Drei Tage weg von der Hauptstadt, drei Tage weg vom Hochmeister und von Todd. Weit weg von Bestimmung. Er atmete tief ein. Die frühabendliche Stille beruhigte ihn nicht. Lionel wünschte sich, er hätte Todd nie getroffen. Er sehnte sich in die Wälder zurück. Er drehte seine beharrte Hand. An die Selbstlüge konnte er nicht länger glauben, es sei nur eine Laune der Natur. Etwas war in ihm, um was er nicht gebeten hatte. Aber er war nicht fremdbestimmt. Er hatte die Wahl und er wollte nicht töten, er wollte kein König werden. Er wollte ein freier Mann bleiben, der im Zirkus glücklich war. Verdammte Magie, dachte er. Als Kind hatte seine Mutter ihn eingesperrt, weil sie sich für sein Aussehen schämte. Er war nur frei, wenn er durch die Augen der Tiere sah, bis die Verbindung abriss. Aber ich schulde niemanden etwas, nur weil ich über diese Kräfte verfüge, schrie es in ihm. Doch, sagte die innere Stimme. Vielleicht war diese innere Stimme nur ein Teil der Kraft, um die er nicht gebeten hatte. Sie sprach zu ihm schon als Kind.
Mehr zu sich selber sagte Lionel. »Ja, wäre Todd nicht in den Zirkus gekommen. Wir hätten uns weiter belügen können.« Lionel wollte Ferdinand alles erzählen, sich jemand anvertrauen, der ähnliche Qualen durchlebt hatte. Doch er schwieg. Die Stille des Waldes machte ihn nervös.
»Dann sind wir beide etwas Besonderes.«
»Hätte gerne darauf verzichtet.«
»Vielleicht verfolgt die Natur ein Ziel, uns mit der Gabe beschenkt zu haben.«
»Verdammte Magie«, knurrte Lionel.
»Magie gibt es nicht.« So richtig schien Ferdinand auch nicht mehr zu glauben, was er gesagt hatte.
»Erkläre das den Assassinen, die dich töten wollten.«
Ferdinand drehte seinen Kopf hin und her, als befürchtete er, die Mörder würden aus dem Wald springen. »Aber ich habe doch nicht Böses gemacht. Das mit meinen Eltern wollte ich nicht.«


In der Ferne knackte ein Ast. Lionel sah zur Eule auf, die davon flatterte. Es mussten zwanzig Männer sein. Alle hatten ihre Bögen gespannt. Er kannte das Wappen, es gehörte der Familie xxx. Drei Bögen auf grünen Grund.
»Ferdinand, weg, wir werden angegriffen. Dorthin.« Lionel zeigte auf die Bäume am Ende der Lichtung.
Beide sprangen auf und rannten. Im Rennen ließ er seine Gabe durch die Bäume streifen. Die Eule, einige Vögel, mehr Tiere spürte er nicht. Ein Pfeil sirrte heran und blieb direkt vor seinen Füßen stecken.
»Noch einen Schritt und ich treffe nicht nur Erde«, brüllte die Stimme triumphierend. Lionel rannte weiter. Keinen Moment zu früh, warf er sich in das nasse Gras. Der Pfeil streifte seinen Arm und ritzte die Haut auf.
»Der nächste trifft.«
»Lauf Ferdinand, die wollen mich.« Lionel stand auf und drehte sich zu den Männern, die mit gespannten Bögen näher kamen. »Was wollt ihr?« Lionel hätte nicht fragen müssen.
Diesen mordlustigen Blick hatte er oft in seinem Leben gesehen. Kurz schaute er zu Ferdinand, der zwischen den Bäumen verschwand.
»Das Recht einfordern, das unserer Familie zusteht. Ihr habt Schande über uns gebracht.« Die hohe Stirn, das blonde Haar und die runde Nase, konnte nur ein Bruder von Roland sein.
»Er ist nicht angetreten. Satisfaktion ist erteilt. Ihr habt kein Recht, mich herauszufordern«, sagte Lionel. Er musste die Männer nur kurz ablenken, dann könnte er es bis zu Ferdinand schaffen. Lionel gab den Vögeln den Befehl, sich auf die Männer zu stürzen. Er fing an zu rennen. Ein Pfeil bohrte sich in sein Bein und er sackte nieder.
»Keine Bienen, keine Vögel. Nur du und ich«, schrie der Mann, der seinen Bogen erneut spannte. Die Eule lag auf dem Boden. Sie zuckte mit den Flügeln.
Das also war sein Schicksal, seine Bestimmung, auf einer Lichtung zu sterben.
»Seit ein Mann, ihr habt eine Chance«, höhnte der Mann.
Dem Grinsen nach glaubte keiner der Männer daran. Lionel biss die Zähne zusammen und stand auf.
»Ich, Graf xxx von xxx, fordere Satisfaktion.« Der Graf warf ihm einen Bogen vor die Füße. »Die Regeln sollten euch noch geläufig sein. Pfeil spannen, schießen, mich töten.«
Lautes Gelächter hallte über die Lichtung.
Lionel nahm den Bogen. »Bekomme ich auch einen Pfeil?«
»Nehmt den aus eurem Bein.«
Er zog ihn heraus und biss die Zähne zusammen. Lionel betrachte den blutigen Pfeil in seiner Hand.
»Mach hin, ich habe Hunger«, sagte ein Mann, der sich über den Topf gebeugt hatte.
Ein Mann sollte nicht feige sterben, dachte Lionel, wenn er dem Tod ins Auge blickte. So schnell er konnte, legte er den Pfeil auf, spannte den Bogen. Da spürte er schon den Schmerz, ein Pfeil bohrte sich in seinen Bauch. Sein eigener flog im Himmel davon.
Der Graf kam näher, den Bogen bereit für einen neuen Schuss. Er grinste und lies die Sehne los.
»Nein«, hörte Lionel einen Schrei hinter sich.
Der Pfeil des Grafen blieb in der Luft stehen, direkt vor seinem Auge. Der Pfeil fing an zu zittern, bewegte sich rückwärts und drehte sich. Dann jagte er auf den Graf zu und bohrte sich in das Herz.
Die Überraschung lähmte die Männer nur kurz. Sie spannten ihre Bögen. Doch die Pfeile bewegten sich nicht.
»Nein, nicht«, schrie Lionel.
Feuerkugeln rasten an ihm vorbei. Jede traf einen der Männer, die anfingen zu schreien. Einige schmissen sich auf den Boden, um die Flammen zu löschen, andere versuchten es auszuschlagen. Das Geschrei hallte über die Lichtung.
»Hör auf Ferdinand, töte sie nicht.«
Das Feuer schien lebendig zu sein, es umschloss nicht nur die Männer, sondern breitete sich schnell auf der Lichtung aus. Direkt auf Lionel zu. Die Flammen wuchsen zu einer mächtigen Feuerwand.
Lionel spurtete humpelnd los. Er biss die Zähne zusammen. Die Hitze in seinem Rücken wurde stärker. Ferdinand stand mit erhobenen Händen am Rand der Lichtung.
»Was hast du gemacht?«, schrie Lionel.
»Dich gerettet.« Tränen rannen aus Ferdinands Augen.
Lionel wollte dankbar sein, aber konnte es nicht. Wut packte ihn. Der Geruch von verbrannter Haut wehte der Wind heran.
»Lösch, das verdammte Feuer.« Lionel packte Ferdinand und schüttelte ihn.
»Ich kann nicht.«
Lionel riss Ferdiand mit. Sie mussten hier weg, bevor sie verbrannten. Er humpelte mehr als er rennen konnte und das Feuer kam immer näher. Wie ein Raubtier raste es heran, um seine Beute zu reißen.
Doch ein noch mächtigeres Raubtier jagte heran.
Lionel konnte sie riechen. Er blieb stehen, so überrascht war er. Seit 10 Jahren hätte er sie nicht mehr gesehen. Was ihn aber noch mehr überraschte, sie beschwor etwas herauf, was so mächtig wie Feuer war.
Wie kann das sein?, dachte Lionel.
Die Wölfin hechtete über einen Baumstamm, setzte zum Sprung an und flog direkt in die Flammen. Das Fell knisterte wie knackendes Eis im Winter. Lionel fing an zu frieren. Eiswinde lösten sich aus der Wölfin. Der ungleiche Kampf war kurz, das Feuer verlor. Die Flammen zischten böse, dann erloschen sie. Die Lichtung, das Gras, die Bäume, alles wurde von einer feinen Eisschicht überzogen. Auch die verkohlten Leichen waren eingehüllt.
Doch nun begann ein anderer Kampf. Das Knurren kannte er, es bedeutete nichts Gutes. Sie wollte jagen. Sie fletschte die Zähne.
»Nicht, Xertia, nicht. Er ist ein Freund, er steht unter meinem Schutz.«
Der Eiswolf zögerte, hatte schon zum Sprung angesetzt. Das Maul hätte Ferdinand den Kopf mit einem Biss abgetrennt.
Töte. Töte. Das waren eure Worte. Warum barmherzig sein, er ist ein magisches Wesen, hörte er eine zischende Stimme in sich. Die Wölfin sprach zu ihm.
»Ich befehle dir, von ihm abzulassen.« Lionel konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Blut tropfte aus seinem Bauch.
Oh, ihr befehlt, sprecht meinen wahren Namen aus, muss euch wohl der Alte verraten haben.
»Ich bin die Kraft, der du gehorchen musst. Lass von ihm ab.«
Nun drang ein höhnisches Lachen in Lionels Kopf.
Ich könnte euch beide töten, eure Kraft ist so erbärmlich. Knaben, die gegen einen Krieger antreten. Du hast es noch nicht einmal vermocht, in meinen Kopf einzudringen. So schwach bist du. Du wusstest nicht, was ich bin, als ich dich aufnahm. Für dich war ich nur ein großer Wolf.
Xerita knurrte und näherte sich Ferdinand an.
Lionel entfaltete seine Kraft, um den Wolf zu befehlen, stehen zu bleiben.
Ich bin keine Eule, die ihr nach Belieben Kunststücke machen lassen könnt.
Lionel Gabe prallte wie von einem Eisblock ab.
Dennoch ließ Xertia von Ferdinand ab und kam auf ihn zu. Sie war so groß, er blickte ihr gerade in die Augen.
»Warum hast du dich nicht offenbart, mir gezeigt, was ich bin, was du bist?«
Xertia umkreiste ihn. Warum? Weil ihr ein trotziges kleines Kind seid, dass immer nur beklagt, was seine Mutter getan hat. Ich bin nicht euer Lehrer.
Lionel presste seine Hände gegen seinen Kopf als sich Bilder von grausamen Schlachten in ihm ausbreiteten.
»Hör auf«, schrie Lionel.
Aber er konnte die Bilder nicht verdrängen. Eine Schlacht nach der anderen musste er mit ansehen. Fliegende Geschöpfe, die sich auf die Assasinen stürzten. Feuerbälle, die durch die Luft rasten. Aber das Schlimmste war, es waren die Könige, die töteten. Sie flogen durch die Luft, schmetterten Feuerbälle auf die Wesen. Menschen mit grausigen Fratzen zerplatzten. Und überall Gedärme und Blut.
Seht, was wir gemacht haben. Ihr befreitet die Welt vor der Magie. Tötet euren Freund, er ist nicht besser.
»Du bringst mich um.«
Ein höhnendes Lachen mischte sich in das Grauen, vor dem er sich nicht verstecken konnte. 
Ihr wollt doch Antworten, ich gebe sie euch, was eure Bestimmung ist. Ertragt den Schmerz, wie ich ihn ertragen musste, als ihr mich gerettet habt.
Das Blut tropfte aus seinen Wunden. Aber der Schmerz in seinem Kopf war schlimmer. Lionel sackte zusammen. Mit der Ohnmacht kam die Stille.

--- Ende Zitat ---

Lionel Eschenbach:
Danke Juni 😍😀

Juni:

--- Zitat von: Lionel Eschenbach am 13 November 2022, 13:32:12 ---Danke Juni 😍😀

--- Ende Zitat ---
Voll gerne! Ich freue mich gerade sehr darüber, dass ich helfen konnte 😊

merin:
Lionel, magst du am Anfang des ersten Posts einen Hinweis darauf posten, dass es unten eine Version mit korrekten Zeilenumbrüchen gibt? Das erleichtert sicher vielen das Rösten.

Lionel Eschenbach:
Es war doch nicht bewusst! Hatte beim Reinkopieren wohl nicht alles korrekt umgesetzt. Hier tritt wieder ein altes Problem zu Tage. Der Autor kennt den Ausschnitt auswendig, da habe ich einfach nicht mehr wahrgenommen, dass es für den Erstleser verwirrend sein kann. Juni hatte daher die Umbrüche für mich perfekt gesetzt, was ja nicht heisst, der Ausschnitt ist dadurch veröffentlichungsreif und übersät mit vielen Erbsen gibt, die aufstossen. Daher lasse ich doch manchmal das rostfeuer brennen.

Von daher erneut meinen Dank an Juni, super röstung 😀

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