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Wie lerne ich schreiben

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merin:
Spannende Fragen wirfst Du auf, Kass. Ich gehe mal auf einen Aspekt ein:


--- Zitat ---Wie entwickele ich einen Filter, der es zulässt, dass ich einen Text, der mir aus der Feder geflossen ist, der frisch und eigen und gelungen ist, dann überarbeite, ohne ihn damit wieder abzuflachen?
--- Ende Zitat ---

Ich denke, dass es dazu gut ist, den Text zu analysieren. Was sind die Stärken, was die Schwächen? Und dann gezielt versuchen, so zu überarbeiten, dass die Stärken erhalten bleiben und die Schwächen sich minimieren.

Zur Frage von Handwerk und Geschmack habe ich mittlerweile die vage Idee, dass das nicht immer zu trennen ist. Einfach weil das Schreibhandwerk so vielfältig ist. Es gibt sich widersprechende Regeln und Ausnahmen und nur ganz wenige Dinge, die nie gehen.

Trippelschritt:
Für diesen einen Punkt habe ich auch eine Idee. Du musst in deinem eigenen Text erkennen, was daran frisch und eigen ist und auch noch gelungen. Wenn du das kannst - und das ist keine leichte Aufgabe - dann kannst du auch Korrekturen vornehmen, ohne frisch-eigen-gelungen zu verschlimmbessern.

Falls du es nicht erkennen kannst, sondern nur fühlen, ist auch nicht Hopfen und Malz verloren. Du behältst das Original und schreibst einen möglich besseren Text. Und dann lässt Du beide liegen und entscheidest später. Und hältst am Originaltext so lange fest, bis Du eine gelungene zweite Version gefunden hast.

Die Frage von Handwerk und Geschmack ist für mich nicht so wichtig. Wenn man weiß, was gutes Handwerk ist, ist das immer ein Wert für sich, den man bewundern kann. Ich muss die Geschichte dann aber nicht mögen. Das Mögen beruht nicht nur auf Handwerk.
Ich habe mit einem anderen Punkt Schwierigkeiten. Wie gut kann ein Leser lesen? Ich kann mich daran erinnern, was ich mit Mitte zwanzig gelesen und was ich gut und was langweilig gefunden habe. Meine Bewertung von heute ist eine ganz andere. Heute mag ich Subtilität, damals ... Schwamm drüber.

Liebe Grüße
Trippelschritt

kass:
Merin:
--- Zitat ---Ich denke, dass es dazu gut ist, den Text zu analysieren. Was sind die Stärken, was die Schwächen? Und dann gezielt versuchen, so zu überarbeiten, dass die Stärken erhalten bleiben und die Schwächen sich minimieren.

--- Ende Zitat ---

soooo viel leichter gesagt als getan....


Trippel
--- Zitat ---Falls du es nicht erkennen kannst, sondern nur fühlen, ist auch nicht Hopfen und Malz verloren. Du behältst das Original und schreibst einen möglich besseren Text. Und dann lässt Du beide liegen und entscheidest später. Und hältst am Originaltext so lange fest, bis Du eine gelungene zweite Version gefunden hast.
--- Ende Zitat ---

bei der 30. Überarbeitung wird es dann langsam unübersichtlich ... Ich kann mich total verbeißen in Überarbeitungen, und ich kann manchmal auch gar nicht überarbeiten. Weil es mir einfach behagt, wie es ist. Und manchmal denke ich auch, am Ende muss es nicht perfekt sein, sondern Spaß machen zu lesen. Dann ist da natürlich dieser Ehrgeiz in mir: Ich will mich weiterentwickeln und besser werden. Vielleicht ist das Problem auch, dass ich da kein konkret zu benennendes Ziel vor Augen habe. Wenn ich sagen würde: Ich will so schreiben wie ein Sanderson, dann wäre es konkret. Aber das will ich eben nicht, auch wenn ich ihn bewundere (und im Moment bin ich etwas entnervt von einer seiner Hauptfiguren, weil die ach so liebenswerte Macke allmählich stark überstrapaziert wird).

Das bringt mich zu diesem Punkt:
Trippel:
--- Zitat --- Ich habe mit einem anderen Punkt Schwierigkeiten. Wie gut kann ein Leser lesen? Ich kann mich daran erinnern, was ich mit Mitte zwanzig gelesen und was ich gut und was langweilig gefunden habe. Meine Bewertung von heute ist eine ganz andere. Heute mag ich Subtilität, damals ... Schwamm drüber.
--- Ende Zitat ---

Ich bekomme recht häufig diametral gegensätzliche Rückmeldungen. Z.B. "Bau mehr Dialoge ein, die sind deine Stärke!" und ein Tag später von einer anderen Leserin: "Das ist schon sehr Dialog-lastig."
Oder jetzt, (ich werde noch etwas in dem thread dazu schreiben, Merin): "Ich find Dr. Eggat klasse!" und (übrigens nicht nur du): "Die Figur ist mir unsympathisch."

(Ging mir sogar bei Rotkäppchen so, dass Rückmeldungen kamen, wie unsympathisch die Figur sei, und andere wiederum die Figur liebten. Bei Rotkäppchen war die Entscheidung einfach. Diejenigen, denen die Figur unsympathisch war, waren halt nicht meine Leser.)

Was fang ich nun damit an? Wenn einer sagt, mehr Dialoge, und der nächste sagt, das ist schon zuviel? Schon weil ich nicht wusste, wie ich das umsetzen soll, habe ich mir einfach gesagt, na dann bleibt es halt, wie es ist. Und wie entwickele ich mich dann weiter?

Es gibt Aspekte, die sind einfach. Mir ist beispielsweise aufgefallen, dass ich einen Hang habe, Zeitsprünge zu machen. Dann bekommt der Text einen abgehackten Charakter. Also hab ich alle Kapiteleinteilungen rausgelöscht und den Text als Fließtext angelegt. Das hat mich gezwungen, geschmeidigere Übergänge zu schreiben. Am Ende hab ich dann wieder Kapitelunterteilungen vorgenommen, und den ein oder anderen, dann doch gekünstelt wirkenden Übergang wieder gelöscht. Problem erkannt, dran gearbeitet, erledigt. Wenn doch nur alles so einfach wäre ...

Am Ende wird es wohl darauf hinauslaufen, dass wir uns immer wieder das Hirn verrenken und einfach weiterschreiben und hoffen, dass es sich besser anfühlt nach dem soundsovielten Versuch.

Würdet ihr mir eventuell konkret helfen? Ich habe gerade darüber nachgedacht, ob ich noch eine humorfreie Kurzgeschichte auf den Rost lege, (obwohl ich eigentlich die Fortsetzung von Dr. Eggat einstellen wollte) und ob ich euch bitten könnte, euch mal drei Texte von mir anzusehen, und dann eure Eindrücke darzulegen? Keine Feinröstung, eben allgemein gehalten: Wo seht ihr Stärken? Wo Schwächen? Was meint ihr, muss ich handwerklich noch nachholen? Ich fände es sehr interessant zu sehen, ob eure Eindrücke sich mit meinem recht diffusen Bauchgefühl decken würden oder mit meiner eigenen Einschätzung von Stärken und Schwächen. Quasi eine Art Stilanalyse. Merin, ich weiß nicht, ob ich es dir schon mal gesagt habe, aber wenn ich z.B. deinen Stil generell analysieren sollte, dann würde ich wohl sagen: Handwerklich weit oben, Stärken in Beschreibungen und Schönheit der Sprache, in Klang und Rhythmus und Syntax. Schwächen in Spannungsbau und in Dialogen, eher geringer Anteil an Humor.
Und bei mir wohl eher umgekehrt :)

Und dann kämen die spannenden Fragen. Wie kann die Schönheit der Sprache erhalten bleiben und gleichzeitig die Spannung stärker rausgearbeitet werden? Wohl nicht ohne Einbußen, vermute ich. Aber da müsste ich mein Hirn auch noch drum herum verrenken. Wäre es überhaupt hilfreich, wenn wir darüber losgelöst vom konkreten Beispiel sprechen würden?

Ach, ich mach mal Schluss für heute. Da scheint viel Wirrwarr in meinem Hirn zu sein. Vielleicht hab ich in letzter Zeit zu viel Recherche betrieben und meine Kapazitäten überbeansprucht mit Quantenmechanik, was sowieso kein Schwein versteht.  :schnief:

Euch beiden vielen Dank für eure Rückmeldungen!

LG
Kass

Trippelschritt:
Dieser Wirrwar entsteht immer dann, wenn man zu viel auf einmal will. Mach besser eines nach dem anderen, egal, was es gerade ist.
Und dann die Ratschläge. Seufz! Beide Ratschläge bezüglich der Dialoge sind wenig hilfreich. Ich nehme mal an, Du kannst kochen. Und ich nehme mal an du magst wie viele andere Menschen auch Zucker, weil er so schön süß ist. Ich bin mir sicher, dass du nicht über jedes Essen eine Extra Portion Zucker drüberstreust. Genau so ist es mit den Dialogen.

Wie viel Dialoge braucht eine Geschichte? Sie wird es dir sagen. Am Anfang ist man noch unsicher. Später denkst du da nicht mehr drüber nach und findest die richtige Dosis. Do it "with a spoon full of sugar" ... tralala, und nimm nicht mehr.

Und ja, stell mal ein paar Texte rein. Grobbeurteilungen mache ich am liebsten,  :devgrin: weil ich gerne grob werde.

Liebe Grüße  :cheer:
Trippelschritt


Oflinitrium:

--- Zitat ---Ich bekomme recht häufig diametral gegensätzliche Rückmeldungen. Z.B. "Bau mehr Dialoge ein, die sind deine Stärke!" und ein Tag später von einer anderen Leserin: "Das ist schon sehr Dialog-lastig."
Oder jetzt, (ich werde noch etwas in dem thread dazu schreiben, Merin): "Ich find Dr. Eggat klasse!" und (übrigens nicht nur du): "Die Figur ist mir unsympathisch."
--- Ende Zitat ---

Schonmal den Spruch gehört "Viele Köche verderben den Brei"? Wenn du 100 Menschen nach ihrer Meinung zu einem Sachverhalt fragst, wirst du mindestens 150 Meinungen bekommen. Du kannst nicht bereits in der Entstehung einer Geschichte derart auf unterschiedliche Meinungen hören, das wird nie etwas. Du solltest erst einmal wissen was du schreiben willst und, wenn du so Kundenorientiert bist, für welche Zielgruppe. Nimm einen harmlosen Text, in dem beispielsweise nebenbei ein PC gehackt wird und gib diesen Text, der gut geschrieben ist, einem Computerspieler und einem Videospielmodder. Der eine wird dir sagen "joar ist ganz gut so. Bau vielleicht noch ein bisschen Spannung durch Dialoge ein." und der andere wird dir sagen, "also ich finde du hättest den Vorgang des Hackens schon etwas detaillierter beschreiben können." Wie wärs wenn du dir erstmal das Ziel setzt einen Text zu schreiben der DIR gefällt? Das wäre ein Anfang. Versuch mal einen Abstand zu deinen eigenen Werken aufzubauen, der es dir erlaubt diese als Leser und nicht als Autor oder Lektor zu lesen.


--- Zitat ---bei der 30. Überarbeitung wird es dann langsam unübersichtlich ... Ich kann mich total verbeißen in Überarbeitungen, und ich kann manchmal auch gar nicht überarbeiten. Weil es mir einfach behagt, wie es ist. Und manchmal denke ich auch, am Ende muss es nicht perfekt sein, sondern Spaß machen zu lesen. Dann ist da natürlich dieser Ehrgeiz in mir: Ich will mich weiterentwickeln und besser werden. Vielleicht ist das Problem auch, dass ich da kein konkret zu benennendes Ziel vor Augen habe. Wenn ich sagen würde: Ich will so schreiben wie ein Sanderson, dann wäre es konkret. Aber das will ich eben nicht, auch wenn ich ihn bewundere (und im Moment bin ich etwas entnervt von einer seiner Hauptfiguren, weil die ach so liebenswerte Macke allmählich stark überstrapaziert wird).
--- Ende Zitat ---

Idole sind zwar nützlich, aber es bringt nichts sich als Ziel zu setzen z.B. Sanderson nachzueifern. Denn dann wirst du niemals etwas tatsächlich eigenes kreieren. Lies die Texte deiner Vorbilder und mach dir klar was du an diesen Texten magst und wo sie deiner Meinung nach Schwächen haben. Ich beispielsweise mag die Erzählweise von Christopher Paolini, aber was Charaktere angeht hat er noch viel Luft nach oben. Christoph Hardebusch hingegen ist sehr gut darin Charaktere zu beschreiben und miteinander in-character interagieren zu lassen, während Terry Goodkind sehr gut darin ist seine Geschichte wie ein Puzzle auszubreiten und dem Leser nach und nach ein Teil in die Hand zu geben, das dieser dann an die richtige Stelle rücken kann. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in keinem der genannten Bereiche auf das Niveau meiner Vorbilder kommen werde, aber vielleicht gelingt es mir ihre Stärken ein wenig zu kombinieren und ihre Schwächen zu reduzieren. Natürlich wird mein fertiges Werk dann auch Stärken und Schwächen haben und natürlich werden einige Leute darauf hinweisen, aber man kann es nicht jedem recht machen. Man muss nur wissen wem man es Recht machen will und wenn diese Zielgruppe dann sagt "mir gefällts" hast du dein Ziel vollständig erfüllt.

Die wenigsten Testleser verstehen etwas vom Handwerk Schreiben und beurteilen eine Geschichte nur nach ihrem Bauchgefühl. Und das ist so unterschiedlich und wechselhaft wie das Wetter.

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