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Notwendiges Element oder "faules Schreiben"?

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Viskey:
Lasst mich die Schlagworte aus dem Betreff etwas ausformulieren. ;)


Wenn man eine Geschichte schreibt, braucht man dafür einige Elemente. Wenn ich eine Geschichte über ein Krankenhaus schreiben möchte, brauche ich Ärzte und Krankenpfleger. Ohne wird's kaum gehen. Wenn ich eine Geschichte über einen Krieg schreiben will, werde ich Soldaten brauchen.

Wenn ich eine Geschichte über Zauberer schreibe, wird es nicht ohne Magie gehen. Wenn ich eine (realistische) Geschichte übers Mittelalter schreiben möchte, werde ich auch über die Kirche schreiben müssen.

Ich glaube, soweit sind wir uns noch einig.



Aber nehmen wir an, ich hab eine Geschichte, in der ein Arzt, ein Soldat und ein Zauberer vorkommen. Der Soldat kämpft dafür, dass das Trio frei und unbehelligt bleibt. Der Arzt behandelt alle Verletzungen, zu denen es trotzdem kommt, und der Zauberer kümmert sich in der Zwischenzeit darum, die ProphezeihungTM zu erfüllen.

Ist es jetzt Faulheit, als Protagonisten diese drei Leute mit diesen Berufen zu wählen, oder würde es mit einem Bäcker, einem Lehrer und einem Programmierer auch funktionieren, nur eben nicht so leicht? Wäre das dann nicht eine ganz andere Geschichte (möglicherweise auch erzählenswert, aber eben nicht die, die mir im Kopf herumgeht)?


Wieviele Elemente (Figuren, Landschaften, Berufe, Weltenbau ...) darf ich so aussuchen, dass sie möglichst wenig (zusätzliche) Schwierigkeiten machen, damit ich mich auf das konzentrieren kann, was ich eigentlich erzählen will?

Ab wann mach ich's mir einfach zu leicht? Ab wann ist der Punkt erreicht, wo jeder sagt: "Ach komm, so viele praktische Zufälle, wie du hier zusammenwürfelst, gibt's doch gar nicht!"


Viskey

Ryek Darkener:
Ich versuche es mit einer etwas platten Antwort:

Eine gute Geschichte ist für den Leser plausibel.:diablo:

Ich denke, das Hauptproblem ist, wie die Leute in die Geschichte eingeführt werden. Bei deinem Post ist mir als Allererstes der Film "Die glorreichen Sieben" eingefallen. Den muss ich hoffentlich nicht erklären.  :devgrin:

Jeder der Protas ist für den Plot notwendig. Ich kenne eigentlich niemanden, der kritisiert, dass da genau die sieben Kerle zusammenkommen, die es braucht, um den Ort von den Verbrechern zu befreien.

Warum? Weil die Geschichte gut unterhält, und weil die Protas, um dieses Ziel zu erreichen, notwendig sind. Mathematisch betrachtet ist eine solche Zusammenstellung eher unwahrscheinlich, aber was soll’s?
Wenn die sieben sich am Anfang des Films in einer Bar getroffen hätten, wäre es eine ganz andere Geschichte geworden.
An diesem Punkt ist die Fantasie des Autors gefragt.

Bateman:

--- Zitat ---Ab wann mach ich's mir einfach zu leicht? Ab wann ist der Punkt erreicht, wo jeder sagt: "Ach komm, so viele praktische Zufälle, wie du hier zusammenwürfelst, gibt's doch gar nicht!"
--- Ende Zitat ---
Mmh, ganz ehrlich? Bei dem, was du beschreibst, ist die Grenze von "du machst es dir zu einfach" ganz klar überschritten.
Aber das kann natürlich an der knappen Zusammenfassung liegen. Ist sogar wahrscheinlich.

Dennoch: Die Auflistung der Charaktere liest sich wie eine NPC-Auswahl aus einem Rollenspiel. "In meiner Gruppe brauche ich einen Mediziner, einen Tank etc." Das funktioniert in Spielen nur deshalb, weil es dort dann hauptsächlich auf ein ausgewogenes Balancing ankommt und die Charaktere (zumindest die Nebencharaktere) selten mit Leben erfüllt sind. Im Roman aber kommt es auf Charaktertiefe an.

Worum geht es denn? Den Figuren immer wieder Steine in den Weg zu legen, damit sie für ihr Ziel kämpfen müssen, damit sie über sich hinauswachsen. Damit sie Zweifel haben und ihre Zweifel überwinden.

Das kann der Arzt zwar auch, besser ist aber doch, diese Prinzipien von "Zweifel überwinden", "über die Grenzen hinauswachsen" nicht nur auf die Narration, das Äußerliche anzuwenden, sondern auch auf die Figuren selbst. Der Arzt braucht, um jemanden zu heilen, seine Grenzen nicht überwinden. Er weiß ja genau, was er tut. Jemand aber, der sich in der Geschichte an einen erste-Hilfe-Kurs aus der Schulzeit erinnern muss, um seinem Kameraden zu helfen, liest sich deutlich spannender. Der Pazifist und Kriegsgegner, der ein Gewehr in die Hand nehmen muss, um sich oder die Welt zu retten, ist deutlich spannender als der Soldat.

Mit "Faulheit" haben Klischee-Charaktere meiner Meinung nach nichts zu tun. Ich glaube nicht, dass du automatisch mehr Luft hast, die Welt und die Geschichte zu erzählen. Im Gegenteil. Wenn du gute, ambivalente Charaktere zeichnest, helfen sie dir eher im Weltenbau und in der Vermittlung der Narration.

Uli:
Hmmm ...

du benötigst einen Kämpfer - nicht unbedingt jemanden, der das als Beruf ausübt. Und einen heilkundigen, für den das Gleiche gilt. Und der Zauberer, der ist wahrscheinlich die feste Größe, wegen der Prophezeiung ... aber selbst der könnte ein gescheiterter magischer Student sein, der seinen Lebensunterhalt als, sagen wir, Buchhändler verdient.

Damit das nicht 'falsch' wird, mußt du halt das eine oder andere dazutun - beispielsweise das eine oder andere Problem, das nicht 'von Berufswegen schon gelöst' ist, das Casting ... solche Sachen halt.
Aber grundsätzlich ist das schon OK, wenn eine Story halt nur mit einer bestimmten  Besetzung funktionieren kann.

Parzifal:

--- Zitat ---Ab wann ist der Punkt erreicht, wo jeder sagt: "Ach komm, so viele praktische Zufälle, wie du hier zusammenwürfelst, gibt's doch gar nicht!"
--- Ende Zitat ---

Wahrscheinlich ab dann, wenn es sich im Text zusammengewürfelt liest.  ;)

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