28 March 2024, 21:33:05

Autor Thema: VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 8: Die beiden Pole  (Gelesen 6216 mal)

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Viskey

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VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 8: Die beiden Pole
« am: 25 March 2014, 20:47:19 »
Das Kapitel beginnt mit dem großen Jahresspiel, dem ersten unter Knechts Leitung. Und spätestens jetzt gibt es für mich keinen Zweifel mehr: Das Glasperlenspiel ist eine Pseudo(?)-Religion, die sich unter dem Deckmäntelchen der Wissenschaft entwickelt hat und Blüten getrieben hat. Das Bestreben, jede Wissenschaft in einer einzigen Form zusammenzuführen, führt mich zu dem Schluß: Die Kastalier sind Pantheisten.
(Übrigens hier ein netter freudscher Vertipper meinerseits, den ich euch nicht vorenthalten will: Habe erst "Denkmäntelchen" geschrieben. Passt ja auch irgendwie. ;) )

Was schon angekündigt wird durch den Ornat, der Knecht bei seiner Amtseinführung über die Schultern gelegt wird (wie die Stola dem frischgewählten Papst), entfaltet sich hier noch weiter: Knecht hat Ministranten, er arbeitet mit rituellen Gebärden (Wer außer mir sieht da noch einen katholischen Priester bei der Wandlung vor sich?), Knecht "betet" vor (auch wenn er schreibt), die "Gemeinde" betet nach, sprich: liest seine Worte und Formeln im ehrfurchtsvollen Flüsterton. - Das ehrfurchtsvolle ist jetzt von mir dazugeschummelt, das schreibt Hesse selbst nicht. Aber die Ehrfurcht springt einem doch praktisch aus jeder Zeile dieser Spielbeschreibung entgegegen.

Dass Knecht selbst die Sache ganz anders wahrnimmt, voller Wehmut und vorauseilender Trauer um den Untergang des Glasperlenspiels, passt da meiner Meinung nach bestens dazu. Er distanziert sich von dem Spiel, das ihn sein ganzes erwachsenes Leben lang begleitet hat. Irgendwie, obwohl er der Meister des Glasperlenspiels ist, ist das Spiel selbst ein Teil seines früheren Lebens, von dem er sich als Magister distanziert. Er nimmt sich sogar noch weiter zurück und betrachtet das Spiel und Kastalien als historischen ... "Schluckauf" möchte ich es nennen. Kastalien kam, und es wird vergehen.


Und damit beschäftigt sich das Kapitel. Mit diesen zwei Polen, wie es eben auch im Kapiteltitel heißt. Dazu werden wir nochmals im Schnelldurchlauf durch Knechts Leben geführt.

Auf der einen Seite steht der pflichttreue Magister, der sein Leben lang Kastalien gelebt hat und gegenüber anderen verteidigt hat, es ihnen erklärt hat, und durch seine Lehrtätigkeit neue Mitglieder "rekrutiert".

Auf der anderen Seite steht der melancholische, fast möchte ich sagen an der Welt verzweifelnde, Knecht, der das, wofür er kämpft und worin sein Herzblut steckt, bereits schwinden sieht. Die Hochblüte des Spiels (und damit Kastaliens, denn irgendwie sind die zwei ja nicht voneinander zu trennen) ist ja bereits vorüber, das haben wir schon vor zwei (?) Kapiteln erfahren.

- Mit dieser emotionalen Grätsche hätte ich auch gewaltige Probleme.

Ich nehme an, dass  Knecht unter anderem deswegen so anfällig ist für die ganze "Heiligkeit" des Alt-Musikmeisters. Überhaupt scheint das Wort "heilig" in diesem Kapitel etwas überstrapaziert. Fast bin ich froh, dass der alte Musikmeister jetzt tot und unter der Erde ist. Wenigstens ein Heiliger weniger. :watchout:



Auf Fritz Tegularius, der irgendwie mein heimlicher Held der Geschichte ist, möchte ich auch noch mal näher eingehen. Eben weil er mein heimlicher Held ist. :cheer:

Zwar wird er als mahnendes Negativbeispiel eingeführt, aber mir ist das wurscht. :devgrin: Ein jeder, der sich nicht in diesen Zwangsjackenorden einfügen will wie ein Legosteinchen ins andere, muss mir einfach sympathisch sein.

Und deswegen finde ich es umso schlimmer, wie die Freundschaft zwischen ihm und Knecht beschrieben wird.
Statt Fritz mal endlich zu helfen, ein Selbstbewusstsein aufzubauen, bedenkt er ihn mit Almosen, die der dann auch noch dankbar annimmt. Aber es ist jetzt wenigstens klar, warum Knecht so handelt: Würde Tegularius Selbstbewusstsein aufbauen, könnte er sich vielleicht mal gegen die Obrigkeit durchsetzen. Und das wäre der Untergang des Kastaliens, das Knecht in so hohen Ehren hält. Also zumindest der Anfang davon.


Und leider, leider wird uns zwischendurch und gegen Ende hin auch mal wieder aufs Brot geschmiert, wie toll der Joschi nicht war, und wie sehr ihn alle verehrt und geliebt haben. *seufz* Und was der nicht alles konnte... *nochmalseufz*

Aber es zeichnen sich nun auch endlich die ersten Sprünge im perfekten Joschi ab. So sehr, wie hier auf seine Großartigkeit gepocht wird, bin ich guter Hoffnung, dass das bald, sehr bald, ein Ende damit hat. Hoffentlich stimmt diese Einschätzung meinerseits. :begging:



"There is no such thing as bad work, just unfinished work." - Eric Idle

Parzifal

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Re: VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 8: Die beiden Pole
« Antwort #1 am: 25 March 2014, 21:10:04 »
Zitat
Aber es zeichnen sich nun auch endlich die ersten Sprünge im perfekten Joschi ab. So sehr, wie hier auf seine Großartigkeit gepocht wird, bin ich guter Hoffnung, dass das bald, sehr bald, ein Ende damit hat. Hoffentlich stimmt diese Einschätzung meinerseits

Er kapituliert am Ende, geht zurück in "die Welt da draußen", nimmt einen Job als Buchhalter an und heiratet - der Joschi.  :diablo:

Viskey

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Re: VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 8: Die beiden Pole
« Antwort #2 am: 25 March 2014, 21:27:57 »
Lustig? :gruebel:



EDIT: Jetzt hab ich lange, wirklich lange, darüber nachgegrübelt, was ich auf diesen "Beitrag" antworten könnte, das mehr Substanz hat als obiges Wort plus Smiley.

Es fällt mir nichts ein außer ein banales: Bitte sei etwas konstruktiver mit deinen Kommentaren. Ein lockerer Tonfall ist ja in Ordnung - ich hab den Knecht ja auch flapsig zum Joschi umgetauft. Trotzdem sollte dahinter etwas mit Substanz stecken. Und das seh ich jetzt bei deinem Kommentar nicht. Ehrlich, ich sehe nicht, was das jetzt gebracht haben soll. :dontknow:
« Letzte Änderung: 25 March 2014, 22:15:16 von Viskey »
"There is no such thing as bad work, just unfinished work." - Eric Idle

merin

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Re: VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 8: Die beiden Pole
« Antwort #3 am: 29 March 2014, 20:44:46 »
Ich auch nicht. Aber ich schreib mal, wie es mir mit diesem Kapitel ging: ich war ob der Überschrift gespannt. Endlich, so dachte ich, ein Konflikt, etwas Spannung in all der Langeweile. Und war dann total enttäuscht. Weil ich es ähnlich las wie Du und ich fand: das sind doch keine Pole, sondern nur Aspekte der selben Sache: Der Hingabe an etwas, von dem man nicht will, dass es stirbt. Ich habe eben nochmal nachgelesen, und was nun mit der Stelle passiert, ist spannend. Ich zitiere mal:

Zitat
Die beiden Grundtendenzen oder Pole dieses Lebens (...)waren die Tendenz zum Bewahren, zur Treue, zum selbstlosen Dienst an der Hierarchie, und andrerseits die Tendenz zum "Erwachen", zum Vordringen, zum Greifen und Begreifen der Wirklichkeit.

Weiter geht es sinngemäß, dass für den ersten Pol der Orden etwas Heilgies und Wertvolles war, für den zweiten Pol aber etwas Wandelbares.

Und nun, wo ich das Buch zu Ende gelesen habe, begreife ich plötzlich, was die zwei Pole sind: Der Mitläufer, das Gefäß versus der sich selbst Erkennende, das Individuum. Und vom Standpunkt des Individuums aus ist der Orden verzichtbar, nur ein Blatt im Wind. Vom Standpunkt des Hingegebenen aus ist der Orden die Welt. Es wird also hier Knechts Hinausgehen in die Welt vorbereitet.

Mit Tegularius ging es mir wie Dir, Viskey: Der war mein Held. Und ich war auch ärgerlich darüber, dass der so klein gehalten wird.

Für mich gibt es in diesem Kapitel noch zwei Themen, die Du nicht benannt hast, die aber spannend waren:
a) Die Aussagen über Triebe
Die sind, so weit ich das sehe, sehr freudianisch geprägt, vom Konzept her, dass die Begierden als Triebenergien sieht. Andererseits sah Freud ja ein, dass die Triebe auch gelebt werden müssen - und das weist der Erzähler zurück. Er plädiert für Zucht und Kasteiung. An dieser Stelle im Buch, wo die Triebe, die Lebendigkeit des Menschlichen, als feindselig gelten, war mir wirklich zum Würgen zumute, weil ich das so lebensfeindlich finde. Und mir geht es da auch so, dass sich für mich an dieser Stelle die religiöse Doktrin verdeutlicht hat, die den Orden ausmacht.
b) Knechts Rolle als Erzieher und Seelsorger. Auch hier ist er es wieder vor dem Hintergrund der Doktrin. Er hilft, dass Leute sich einfügen, nicht, dass es ihnen besser wird. Anderen beim "Erwachen" zu helfen, ist nicht sein Ziel. Und wir werden ja sehen, dass sein eigenes Erwachen in den Tod führt. Aber mehr will ich nicht spoilern....
Ich röste zunächst immer, ohne andere Röstungen zur Kenntnis zu nehmen. Dabei ist mein Ansatz der, eine qualifizierte Lesermeinung abzugeben, Euch also zu verraten, wie der Text auf mich wirkt und wie es mir beim Lesen geht und was ich gern anders hätte.

Parzifal

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Re: VL1: Das Glasperlenspiel Kapitel 8: Die beiden Pole
« Antwort #4 am: 29 March 2014, 20:51:49 »
Zitat
Es fällt mir nichts ein außer ein banales: Bitte sei etwas konstruktiver mit deinen Kommentaren. Ein lockerer Tonfall ist ja in Ordnung - ich hab den Knecht ja auch flapsig zum Joschi umgetauft. Trotzdem sollte dahinter etwas mit Substanz stecken. Und das seh ich jetzt bei deinem Kommentar nicht. Ehrlich, ich sehe nicht, was das jetzt gebracht haben soll.

Ein schmunzeln vielleicht?  :biggrin:
Erst machst du aus dem Josef Knecht einen Joschi (und bietest mir eine Vorlage), und wenn ich darauf einsteige, dann hältst du mir eine Standpauke über unkonstruktive Kommentare. Gegenfrage: Was hat denn der Name Joschi für diesen Thread an Erkenntnissen gebracht?  ;)