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Ich-Perspektive und personaler Erzähler im Wechsel

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vulture:
Hi zusammen.

Kurze Frage:
Wie steht ihr zu Romanen, in denen die Perspektive zwischen Ich-Erzähler und personalem Erzähler hin und her wechselt?
Soll heißen: Der Protagonist erzählt in der Ich-Form, über alle anderen Charaktere wird in eingeschobenen Kapiteln in der er/sie-Form berichtet.

Ich habe bisher zwei oder drei Romane gelesen, die so angelegt waren, und der Wechsel hat mich immer irgendwie irritiert.
Jetzt habe ich allerdings einen Plot im Kopf, der von diesem Konzept profitieren würde.

Also was meint ihr? Kann ich sowas machen, ohne meine Leser abzuschrecken, oder sollte ich (gerade als Anfänger) eher die altbewährten Methoden bevorzugen?

- v.

Uli:
... gerade als Anfänger ... ?!???

Zunächst mal: Natürlich ist es ein wenig anspruchsvoller, mit wechselnden Perspektiven zu arbeiten - klar. Aber das ist erstmal eine Marginale: Die einzige zuverlässige 'Universalperspektive', den außenstehenden, allwissenden Erzähler, den hat man sehr schnell über. Weshalb es ha überhaupt die sogenannten 'Perspektivträger' gibt - zwischen denen halt nach Bedarf gewechselt wird. OK. Das ist Anfängerkram, oder?

Du beabsichtigst nichts anderes, als eine der Perspektiven in eine Sonderstellung zu bringen - der Ich-Erzähler halt. Der naturgemäß erstmal nur erzählen kann, was er selber miterlebt.
Also benötigst du weitere 'Perspektivträger' - was sonst ja auch der Fall ist, weil kein Perspektivträger 'immer dabei' ist. Eine Lösung wäre, daß der Ich-Erzähler die 'fehlenden' Zwischenstücke halt erzählt, nach Hörensagen. Wie man das eben so macht, wenn man selber etwas erzählt, aber Teile dazu benötigt, die man nicht selber erlebt hat.

Und dann ist es doch nur eine Vereinfachung, wenn man die Floskel 'Derweil geschah da drüben ...' weglässt ...

Ich glaube im Übrigen nicht, daß du in schriftstellerischer Hinsicht unter 'Anfänger' firmieren solltest. Wirklich nicht.
Den dir persönlich passenden Kunstgriff für den Wechsel musst du vielleicht noch finden - aber zutrauen solltest du dir das auf jeden Fall!

vulture:
Wow, Uli, danke für die schnelle Antwort. Ich wünschte, ich könnte mich revanchieren, aber ich fürchte, die Sonne hat mein Gehirn gegrillt und meine Tippgeschwindigkeit erreicht gerade mal drei Buchstaben pro Minute - wenn ich mich anstrenge.


--- Zitat ---Der naturgemäß erstmal nur erzählen kann, was er selber miterlebt.
--- Ende Zitat ---
Genau das ist mein Problem. Ich würde zu gerne mit einem einzigen Ich-Erzähler arbeiten, aber die Geschichte ließe sich so nicht erzählen.


--- Zitat ---Eine Lösung wäre, daß der Ich-Erzähler die 'fehlenden' Zwischenstücke halt erzählt, nach Hörensagen
--- Ende Zitat ---
Womit ich allerdings wieder einen sehr distanzierten Ich-Erzähler hätte, der das Geschehen nicht aus der aktuellen Situation heraus beschreibt, sondern rückblickend.

Ich bin nach wie vor Präsens-Fan. (Noch so ein Ding, das nicht jedem Leser gefallen wird.)
Und ich habe mich bereits entschieden: Wenn ich auf ein Gimmick verzichten muss, dann eher auf den Perspektivwechsel als auf die Zeitform.


--- Zitat ---Ich glaube im Übrigen nicht, daß du in schriftstellerischer Hinsicht unter 'Anfänger' firmieren solltest. Wirklich nicht.
--- Ende Zitat ---
Dein Eindruck ehrt mich. Allerdings habe ich bisher noch nie an einem Kurzgeschichten-Wettbewerb teilgenommen (geschweige denn einen Preis gewonnen), noch nie meine Texte einem Lektor vorgelegt. Und - was am Schlimmsten ist: Noch nie einen Roman fertiggestellt. (Und inzwischen Zweifel entwickelt, ob es mir jemals gelingen wird).
Momentan bin ich - und das ist ausnahmsweise mal keine maßlose Untertreibung, um aufbauende Worte zu erheischen - einer jener Hobbyautoren, die behaupten, dass das Schreiben ihnen alles bedeutet, und die danach keine nennenswerten Ergebnisse abliefern. Wenn ich so weitermache, werde ich auf meinem Sterbebett denken: Oh Mann, du hast fünfzig Romananfänge fabriziert. Tolle Lebensleistung.
Insofern: Anfänger. Denn auf diesem Level war ich schon vor zehn Jahren.

Aber bevor ich hier komplett off-topic werde:
Du hast meine Frage nicht beantwortet.
Würde dich ein solcher Perspektivwechsel stören oder nicht?
Ich brauche klare Ansagen. Denn, wie gesagt: es ist schweineheiß, ich bin vor Kurzem umgezogen und ich hab noch nicht mal Vorhänge, um die Temperatur in meiner Dachwohnung unter Kontrolle zu halten.

Uli:
grins ...
nun, ich habe bislang genau an einer Ausschreibung teilgenommen (und nicht 'gewonnen') - das ist kein Grund. Ich sehe, was du hier einstellst, und das ist nicht 'Anfänger', ganz einfach. Und ich sehe, was hier und da 'erfolgreich' ist - da müsste gelegentlich noch geübt werden, um 'Anfänger' zu werden ...

Aber zur Sache:
Nein, so ein Perspektivwechsel würde mich nicht stören. (Immer vorausgesetzt, die Sache ist gekonnt, logisch), und Echtzeiterzählung finde ich auch recht gut - nicht unbedingt das, was ich schreiben möchte, aber gut zu lesen. Wenn ... (wie immer).
Was du da beschreibst, wäre also eine Off-Erzählung mit Einblendungen in akutes Geschehen - das kann sehr gut werden. Stelle mir das ein wenig wie im Film vor: 'Jemand' erzählt eine Geschichte, und in die spannenden Szenen wir eingezoomt - und zwar in eine Ich-Perspektive, also sehr nah, sehr wertend.
Ich würde dabei offen lassen, ob die Off-Erzählstimme mit dem  Ich-Prota identisch ist (wobei das auch geht, wenn die Erzählstimme 'unpersönlich' bleibt - als metaler Hintergrund, sozusagen, erzählt ja immer 'jemand' - selbst bei einer Kamera. Siehe dazu vielleicht noch mal das Perspektiven-Workshop-Durcheinander)

Also: Mach mal. Grundsätzlich hat das echt Potentiale, und den Rest besorgt der Grill!

Mondstern:
 
--- Zitat ---Wie steht ihr zu Romanen, in denen die Perspektive zwischen Ich-Erzähler und personalem Erzähler hin und her wechselt?

--- Ende Zitat ---

Hi vulture

Also mir fällt momentan nur der Augensammler von Sebastian Fitzek ein. Das irritiert höchstens beim ersten Mal – wenn man es nicht weiß und sich kurz wundert. Fitzek tut das einzig richtige – er verwirrt seine Leser nicht.
Dazu wechselt er die Perspektive immer nur in einem neuen Kapitel. Dieses hat er dann noch mit Überschrift und wer erzählt gerade gekennzeichnet.

Wenn du das so aufziehst, sehe ich keine Probleme (außer eben im Können)  ;)


--- Zitat ---Also was meint ihr? Kann ich sowas machen, ohne meine Leser abzuschrecken, oder sollte ich (gerade als Anfänger) eher die altbewährten Methoden bevorzugen?

--- Ende Zitat ---

Was wäre denn die „altbewährten Methoden“ 3. Person? Ich persönlich liebe den Ich-Erzähler. Aber machtes kann man halt so nicht schreiben.

Also los, mach mal. Aber sorge für klare Abgrenzung beim wechsel
LG Mondstern

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