Liebe Teufelz,
ich habe mal wieder was: Eine Kalenderblattgeschichte für den Juni. Auch bei dieser Geschichte bin ich unsicher, ob sie interessant genug ist. Ob genug passiert. Wie bei der anderen auch ist mein Gefühl, es ist zu viel Vorbereitung und zu wenig Mitte und Schluss, aber hier ist die Handlung ja auch eher im innen. Sich trauen. Und ich wüsste auch partout nicht, wie ich den Schluss ausbauen sollte - und vor allem dann den Rest kürzen.
Mein Hauptproblem ist die Wortzahlbegrenzung: 1000 Wörter. Die Story hat noch 70 zu viel. Die Frage ist also auch so schon, wo ich kürzen kann.
Ansonsten nehm ich wieder gern alle Erbsen und Hinweise.
Liebe Grüße und Danke
merin
***Bitte erst ab August 2021 ins Höllenfenster***BewerbungJune stand auf dem Felsen und sah auf die Piste. Sie war nicht viel mehr als eine Fahrspur, die sich um zerklüftete Felstürme schlängelte. Die formenreichen Felsen waren schön, aber sie waren auf hunderte von Kilometern das Einzige, was es hier zu sehen gab. Irgendwann wurden selbst die malerischsten Felsen langweilig. Felstürme, Sand und Schotter – das bestimmte das, was sie von diesem abgewrackten Planeten kannte.
Sie sah zur Farm hinüber, ein grüner Fleck neben einem hellgrauen Wohncontainer. Es war eine Schnapsidee, einfach anzuklopfen und nach Arbeit zu fragen. Sie würden sie nicht wollen. Aber alle Ideen, die einigermaßen sinnvoll klangen, waren verraucht. Sie hatte in der Fabrik gearbeitet, im Straßenbau und im Bergwerk. Sie hatte sogar einige Wochen in der Sozialstation verbracht. Das Bergwerk war am schlimmsten gewesen, laut, staubig und gefährlich. Sie hatte es nicht einmal einen Monat dort ausgehalten und ihr Körper hatte die Belastung immer noch nicht ganz verwunden und schmerzte an den merkwürdigsten Stellen. Wenn alles, was sinnvoll war, nicht klappte, war es sinnvoll, etwas Unsinniges zu versuchen. Das klang nicht einmal für June sinnvoll.
Das Grün der Farm wirkte wie ein Fremdkörper in all dem Grau und Schwarz. Zwei langgliedrige Agrobots staksten durch die Pflanzenreihen. June konnte nicht sehen, ob sie ernteten oder Pflanzen beschnitten oder was auch immer es war, das Agrobots taten. Sie hatte nicht die geringste Ahnung von Landwirtschaft. Sie war zwar Biologin, Molekularbiologin um genau zu sein, aber die Dinge, mit denen sie sich bislang beschäftigt hatte, brauchte hier niemand. Hier ging es um Praxis, nicht um Grundlagenforschung. Auf einer Farm würde sie eine völlige Anfängerin sein – so wie sie es in der Fabrik gewesen war. Und im Straßenbau. Und im Bergwerk. Trotzdem zog dieser grüne Fleck sie an wie eine Oase Wüstenreisende. Nicht einmal ihr Name passte zu dieser Wüste, in der es keine Jahreszeiten gab. Oder sie war zu unerfahren, um sie zu sehen. Hier war es immer Sommer, das ganze Jahr über, ein endloser heißer Juni, in dem nichts wuchs. Wenn man einmal von den vereinzelten Farmen absah. Woher die wohl ihr Wasser bekamen? Und die Erde? June atmete aus. Wer auch immer dort arbeitete, würde sie nicht einstellen wollen. Sie hatte keine Qualifikation. Keine Ahnung.
Aber das war jetzt egal. Zurück konnte sie nicht. Selbst wenn das Institut noch existiert hätte, konnte sie sich keinen Flug dorthin leisten. Also musste sie sich hier durchschlagen. June ließ sich vom Felsen gleiten, nahm ihren Rucksack auf und marschierte die Sandpiste entlang.
Es war heiß. June zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. Guten Tag, ich bin June Delana und ich würde gern bei Ihnen arbeiten. Nein. Das klang, als habe sie einen Stock im Arsch. Hi, ich bin's June, können Sie Hilfe gebrauchen? Auch nicht, zu flapsig. Sie bog um die Kurve und wurde unwillkürlich langsamer. Die Fahrspur endete vor der Farm in einem Wendekreis. Es sah nicht so aus, als würde sie oft genutzt. Wahrscheinlich kam hier ein Mal in der Woche ein Versorgungswagen vorbei und das war's.
Das Haus hinter dem Wendekreis bestand aus zwei Standardmodulen, denen die raue Witterung arg zugesetzt hatte. Der Kunststoff war verblichen, das Firmenlogo darauf kaum noch erkennbar. June bewegte sich im Schneckentempo weiter. Auf der Karte hatte alles so leicht ausgesehen: die Sandpisten, die verstreuten Punkte der Farmen. Aber die erste Farm, die sie angesteuert hatte, war nicht einmal bewohnt gewesen. Ein vollautomatisiertes Gebilde, zum Glück mit einem Geräteschuppen, in dem sie die Nacht hatte verbringen können. Sie war zurückgelaufen und hatte Glück gehabt, dass an der Hauptroute ein Transportwagen sie eingesammelt hatte.
Das hier sah besser aus: Zwei Standardmodule stellte niemand hin, wenn sie nicht als Unterkunft gebraucht wurden. Aber diese Farm war auch viel abgelegener als die letzte. June hatte sich mitten in der Pampa rauswerfen lassen und war zwei Tage lang gelaufen, um hier anzukommen. Wenn die Person, die hier wohnte, June wegschickte, hatte sie schlechte Karten. Eine weitere Nacht in der Wüste würde sie nicht überstehen. So heiß es tagsüber war, so kalt wurde es nachts. Und ihre Vorräte waren alle.
Nein, sie würden sie nicht wegschicken. Das konnten sie nicht. Vielleicht würden sie ihr sagen, dass sie nicht erwünscht sei, aber in den sicheren Tod schickte sie niemand. Sie würde auf den Versorgungswagen warten und einfach wieder zurückfahren. Was dann, daran wagte sie nicht zu denken. Ihre ohnehin geringen Ersparnisse waren so gut wie aufgebraucht.
Als sie vor der Tür stand, schlug Junes Herz hart und ihr Mund war trocken. Zögernd klopfte sie an. Niemand reagierte. June starrte die Tür an. „Forschungsstation Sigma 15“ hatte jemand ungelenk darauf gepinselt. Wenn das hier eine Forschungsstation war, war June eine Profiboxerin. Sie ballte die Fäuste, löste sie wieder und klopfte lauter.
Die Tür wurde aufgerissen. „Ja?“
June starrte in das zerfurchte Gesicht einer hageren Frau mit grauer Kurzhaarfrisur. „Ähm“, machte sie. All ihre zurechtgelegten Sätze waren wie weggeblasen.
„Komm rein.“ Die Frau öffnete die Tür.
Drinnen herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Zwischen metallisch schimmernden Apparaten und Schalen mit Pflanzen oder Pflanzenteilen türmten sich stapelweise Bücher. Reste irgendwelcher Substanzen klebten in Reagenzgläsern in glänzenden Gestängen – und in alten Kaffeetassen. Die Frau zapfte Wasser aus einem silbernen Hahn und reichte es June. Die trank gierig. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie durstig sie war.
„Bist spät dran!“, sagte die Frau.
June hielt ihr das Glas hin und sie füllte es erneut.
„Spät?“
Die Frau musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. „Siehst nicht aus wie eine Versorgungsfahrerin.“
June erwiderte den Blick. Als Fahrerin hatte sie sich vergeblich beworben. Kein Wunder, sie hatte keinen Führerschein. „Ich suche Arbeit“, sagte sie.
„Wer hat dich geschickt?“
„Niemand. Ich … suche einfach nur Arbeit.“
Die Hagere lachte trocken. „Arbeit gibt es hier mehr als genug. Satt bekomme ich dich auch. Aber wenn du Geld haben willst, muss ich dich enttäuschen.“
„Das reicht erstmal“, versicherte June.
Die Hagere bedachte sie mit einem prüfenden Blick.
„Fein“, sagte sie dann. „Ich bin Dorna.“
„June.“ Sie ergriff die hingestreckte Hand und schüttelte sie.
„Hast du einen Beruf?“
„Molekularbiologin.“
Dorna lachte so heftig, dass sie sich verschluckte.
„Willkommen Kollegin“, sagte sie dann. „Räum dir das zweite Bett frei. Es ist irgendwo da drunter.“ Sie deutete vage in eine Ecke, in der sich Bücher und Gerätschaften stapelten.
June nickte. Sie hatte sich ihren Einstieg anders vorgestellt, aber es war ja nicht so, dass sie sich angekündigt hatte. Sie würde nehmen, was sie bekommen konnte.