Hallo ihr Lieben,
Bitte nicht öffentlich stellen.
Triggerwarnung habe ich schon im Titel. Es geht (wieder einmal) um den Tod eines Kindes, dieses Mal stirbt das Kind aber schon vor dieser Szene.
Artemisia hat in Band eins das Leben ihres ungeborenen Kindes den Göttern im Tausch für das ihres Mannes gegeben. Es war ihr erstes Kind. Bis zur untenstehenden Szene hatte sie zwei Fehlgeburten und dann einen lebenden Sohn, der etwa 8 Monate alt ist, als er stirbt.
Maussollos ist Artemisias Mann, der sich mit der Riesenechse herumärgern muss, die die Götter als Strafe für Artemisias Menschenopfer geschickt haben.
Lukian ist ihr Sohn und Pisindelis ein alter Freund von Maussollos.
Orientierung:
Fünf Jahre nach dem ersten Band, aus dem alle bisherigen Szenen stammten. Lukian ist im Palast geblieben. Artemisia und Maussollos sind in einer anderen Stadt.
Fragen sind am Ende.
Hier der Text:
Maussollos betrachtete sein Kurzschwert, als wäre es die Frau, die er liebte.
„Ich hoffe, das Ungeheuer kommt dir nicht so nahe, dass du es einsetzen musst“, meinte Artemisia.
„Und wenn es dazu kommt, bete zu den Göttern, dass ich es überlebe.“
„Das wirst du.“ Artemisia wandte ihren Blick zur Türe, als es klopfte. Pisindelis trat in den Raum, die Augen gesenkt. Er knetete seine Hände und wich ihren Blicken aus.
„Was gibt es, alter Freund?“, fragte Maussollos. Er fuhr fort sein Schwert zu putzen, doch in seiner Stimme klang Sorge.
Pisindelis hob seinen Blick. Kurz betrachtete er Artemisia, bevor er sich an Maussollos wandte. Artemisias Herz schlug wild. Diesen Blick in den Augen des alten Mannes, sie kannte ihn.
„Maussollos“, der alte Mann trat neben ihn, legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte sie. Artemisia spürte den Druck bis in ihr Herz.
Nicht Lukian.
Zeus, Artemis. Er kann nichts für meine Sünden.
„Ein Bote aus Mylasa erreichte uns soeben. Dein Sohn ist tot.“
Ein Laut entwich Artemisia, wie das Grollen eines Stiers, der auf der Tempelterrasse ausblutete.
Maussollos stand auf. Er stieß die Hand seines Freundes von seiner Schulter und schleuderte das Schwert zu Boden. Mit einer großen, verzweifelten Bewegung fuhr er sich durchs Haar. Sein Blick huschte in die dunklen Ecken des Zimmers, als könne er Lukian in den Schatten sehen.
„Was ist geschehen?“ Eine fremde Stimme sprach die Worte. Eine fremde Frau erhob sich von ihrem Stuhl und trat mit unsicheren Schritten zu den Männern. Die Götter hassten diese Frau. Sie hatte ihnen vor Jahren das Leben eines Königs genommen.
„Seine Amme hat ihn genährt. Er ist eingeschlafen und am nächsten Morgen nicht mehr aufgewacht.“
Das kleine, graublaue Gesicht des Mädchens verschmolz mit dem pausbäckigen von Lukian. Sein glucksendes Lachen hallte im Raum wider. Er streckte seine dicken Arme nach Artemisia aus, bevor die Schatten ihn hinunter in ihre Welt zogen. Seine Schreie dröhnten in ihren Ohren.
„Geh“, sagte Maussollos zu Pisindelis und als sie alleine waren, trafen sich ihre Blicke.
„Erneut habe ich ein Kind verloren, ohne seinen Fährmann zahlen zu können“, sagte Maussollos mit rauer Stimme. Er senkte seinen Kopf und verbarg seine Tränen hinter seinem Haar. „Erneut werde ich in eine Schlacht ziehen, ohne etwas zu hinterlassen.“
Artemisia sah ihn an. Sie wollte zu ihm gehen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht. „Die Götter strafen uns noch immer für das, was ich getan habe“, brachte sie schließlich hervor. Ihr Sohn war unten in der Schattenwelt. Sie ließ zu, dass ihr Herz in so viele Teile brach, dass niemand es jemals wieder zusammensetzen könnte.
„Nein. Die Götter haben dich mir geschenkt, damit du mein Leben rettest“, sagte Maussollos. Mühsam wie ein alter Mann trat er zu ihr. Seine Hand war schwer auf ihrer Schulter.
Sie hatte sein Leben gerettet.
Stechende, brennende Hitze wütete durch ihren Körper und raubte ihr den Atem. Sie presste eine Hand gegen ihr rasendes Herz, rang nach Luft.
Alle ihre Kinder waren tot.
Maussollos´ Hand auf ihrer Schulter war kalt. Ihr Gewicht drückte sie nieder. Sie gab auf, ließ ihr stechendes Herz schmerzen und stolpern, die Tränen aus ihren Augen rinnen und ihre Beine nachgeben.
Alle ihre Kinder waren tot.
Sie krümmte sich am Boden, drückte ihr Stirn gegen ihre Knie und ihre Hände auf das eisige Mosaik.
Sie konnten nichts für ihre Sünden. Keines von ihnen.
Vielleicht würde die Kälte des Bodens das Feuer in ihrer Brust löschen. Vielleicht würde die Kälte ihr Herz erfrieren und die Schmerzen beenden.
Maussollos zog sie an den Oberarmen hoch. Seine Finger drückten in ihr Fleisch. Sie sah auf die weißen Stellen auf ihrer Haut, die seine Fingerkuppen umgaben. Ihr Haarkranz fiel klirrend zu Boden.
„Unser Sohn ist tot“, sagte Maussollos. „Wir werden weitere haben.“
Artemisia sah ihn an. Entschlossenheit lag hinter der Trauer in seinen Augen.
„Hörst du?“
Eine Wimper hatte sich gelöst und rollte gefangen in einer Träne über seine Wange. Artemisia folgte dem Weg der Träne mit ihren Augen, bis sie in seinem Bart versickerte.
Die Götter hatten sie geschickt, um sein Leben zu retten.
Sie fasste an die Stelle seines Barts, an der die Träne versickert war. „Hast du für die anderen auch geweint?“
Maussollos schwieg. Er wich ihrem Blick aus, ließ ihre Arme los und schob ihre Hand von seiner Wange.
Verloren standen sie sich gegenüber. Maussollos´ Blick huschte unruhig durch den Raum, blieb an dem Schwert hängen, das er poliert hatte. Artemisia folgte seinem Blick. Ihr kaltes Herz sang leise ein Trauerlied.
„Was ich am meisten fürchte“, flüsterte sie. „Ist, dass ich eines Tages Nachricht von deinem Tod erhalte.“
Maussollos richtete sich auf. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und strich sich das Haar mit beiden Händen zurück. „Artemisia-“
„Geh nicht, ich bitte dich. Dein Tod ist was ich am meisten fürchte.“
Maussollos streckte schweigend seine Arme nach ihr aus. Sie bewegte sich nicht. Die Wärme seines Körpers würde die Kälte in ihrem vertreiben, die sie taub machte. Sie wollte kalt und taub bleiben, um nichts zu fühlen. In ihrem Zögern fasste Maussollos sie an der Hand und zog sie zu sich. „Eines Tages wirst du Nachricht von meinem Tod erhalten“, sagte er leise, legte seine Arme um sie und wiegte sie, wie er Lukian gewiegt hatte. Die Hitze seines Atems brannte sich durch ihre Haut, fraß sich in ihr Herz und loderte dort. Sie fürchtete das Gefühl, das langsam durch sie kroch, ihre Arme schwer und ihren Geist leicht machte. Sie fürchtete die Hitze, die die Kälte vertrieb.
„Aber du musst immer wissen, Artemisia, dass ich nicht ein König unter Schatten sein werde. Ich werde für einen Platz in Elysium kämpfen. Und wenn ich dort bin, komme ich hinunter in die Schattenwelt, um dich daraus zu befreien.“
„Und jetzt?“, fragte Artemisia.
„Jetzt ziehe ich in die Schlacht. Ich habe gegen Männer gekämpft. Dieses Mal trete ich gegen Zeus‘ Kreatur an.“
Artemisia schloss ihre Augen. „Was wirst du tun?“
„Ich werde meinen Helm aufsetzen, meinen Speer nehmen und mein Schwert umlegen. Und dann werde ich kämpfen, bis ich meine Arme nicht mehr heben kann. Du wirst Nachricht erhalten, Artemisia. Bete, dass sie von Sieg erzählt.“
Fragen:
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- Ich finde, die Emotionen habe ich ganz gut getroffen (korrigiert mich, wenn ich mich irre
), fürchte aber wieder einmal zu pathetisch/kitschig zu werden.
- passt der Wechsel vom Verlust des Kindes zur Angst vor einem Verlust von Maussollos (diese Angst verfolgt Artemisia seit dem Tag, als sie das Kind in Band eins geopfert hat; weil alles was sie seitdem durchlitten hat dann umsonst gewesen wäre). Bin mir nicht sicher ob dieser Wechsel gut getroffen ist.
- Habe ich etwas vergessen, dass einem in so einer Situation durch den Kopf gehen könnte? Ich halte mich bei den Kindern in meiner Romanreihe daran, dass sie eine Absicherung für die Eltern waren; dass die Dynastie ohne Kinder untergehen wird und Kinder eben der Sinn jeder Ehe waren; trotzdem lieben die beiden ihre Kinder natürlich und ich fürchte mich manchmal davor, dass ich das beim Schreiben vergesse.
- tatsächlich bin ich mir noch unsicher wie ich - emotional - weitermache. Inhaltlich weiß ich das ja, aber was ich mit Artemisias Gefühlen tun soll.. keine Ahnung. Ich will sie ja nicht die nächsten 20 Kapiteln nur rumheulen lassen. Hatte daran gedacht, dass sie jetzt eh erst mal ihre Ruhe hat, während Maussollos gegen die Echse kämpft, und sich dann - ein paar Wochen später? - einen Ruck gibt und sich denkt, dass es weiter geht; dass irgendeines von ihren zukünftigen Kindern ja wohl erwachsen werden wird. Könnte das Sinn machen?
Danke